Skip to main content

E-Commerce: Zur Haftung von Onlinehändlern

Die Betreiber eines Onlineshops sind einer Vielzahl von Haftungsrisiken ausgesetzt. Insbesondere Markenrechte Dritter und wettbewerbsrechtliche Vorschriften können den Verantwortlichen schnell zum Verhängnis werden. Ob Rechtsverletzungen wissentlich verübt wurden, spielt dabei meistens keine Rolle.

Auf Marktplätzen und Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay haften die Inhaber eines Shops im Grundsatz vorrangig für Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit ihren Verkaufsangeboten. Die Betreiber der Marktplätze gelten insofern medienrechtlich als Hostprovider – sie haften nur unter engen Voraussetzungen direkt für Rechtsverletzungen und in der Regel erst, nachdem sie von einer Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurden.

Wann haftet ein Shop für eigene Inhalte?

Für eigene Inhalte haftet stets der Betreiber eines Shops. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 TMG (Telemediengesetz). Diese nach außen gerichtete Haftung besteht unabhängig davon, ob Rechte Dritter oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften wissentlich oder gar mit Absicht verletzt wurden. Handlungen der eigenen Mitarbeiter, engagierter Freiberufler oder beauftragter Agenturen stehen dieser „Außenhaftung“ in aller Regel nicht entgegen. Anwaltliche Abmahnschreiben wegen Rechtsverletzungen lösen vor diesem Hintergrund oft einen „Aha-Moment“ bei den Verantwortlichen aus, die zuvor oft keine Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung hatten.

Wann haftet ein Onlinehändler als Störer?

Bei einer Verletzung absoluter Rechte – wie beispielsweise fremder Markenrechte – kann als Störer in Anspruch genommen werden, wer in irgendeiner Weise willentlich und kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht zu stark auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die Rechtsverletzung vorgenommen haben, setzt die Störerhaftung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verletzung von Prüfpflichten voraus (siehe dazu beispielhaft BGH, Urteil v. 15.08.2013 – I ZR 80/12 und BGH, Urteil v. 26.11.2015 – I ZR 174/14).

Bietet ein Marktplatz die Möglichkeit, dass andere Händler und Verkäufer die Beschreibung eines Produktes nachträglich verändern oder ergänzen, besteht wegen der gefahrerhöhenden Wirkung durch diese Möglichkeit eine besondere Überwachungs- und Prüfpflicht der eigens eingestellten Beschreibung. Denn Händler müssen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in diesem Fall damit rechnen, dass die eigenen Texte durch Dritte manipuliert werden (BGH, Urteil v. 03.03.2016 – I ZR 140/14).

Dieser Verpflichtung zur Prüfung und Überwachung der Händler steht es nicht entgegen, dass Nutzungsbedingungen des Betreibers der Plattform eine nachträgliche Veränderung untersagen, solange faktisch eine technische Möglichkeit der Veränderung besteht (so OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 05.12.2019 – 6 U 182/18). Welche konkreten Überwachungs- und Prüfungsmaßnahmen erforderlich und zumutbar sind, hängt vom Einzelfall ab. Der Bundesgerichthof befand eine Prüfung erst fünf Wochen nach Einstellung eines Verkaufsangebots für unzureichend (BGH, Urteil v. 03.03.2016 – I ZR 140/14). Die Prüfungen und Überwachungsmaßnahmen müssen nachweisbar sein.

Haftet ein Händler für Algorithmen einer Verkaufsplattform?

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat die Grundsätze der Störerhaftung mit einer aktuellen Entscheidung weiterentwickelt (Beschluss v. 18.03.2021 – 6 W 8/18). Danach sollen Betreiber eines Onlineshops bei einer Verletzung von Prüfpflichten haften, wenn ein Algorithmus der Verkaufsplattform einem angebotenen Produkt ein anderes Produktfoto zuweist. Das Angebot einer Händlerin wurde für wettbewerbswidrig befunden, da das eigens verwendete Produktfoto durch einen Algorithmus der Plattform gegen ein anderes Bild ausgetauscht wurde. Auf dem neuen Foto war ein originalverpackter Artikel zu sehen, obwohl unverpackte Ware angeboten wurde. Darin lag ein wettbewerbswidriges Verhalten, was wegen einer Verletzung der Prüfungs- und Überwachungspflichten nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu verantworten war.

Muss ich meinen Shop überwachen?

Ob Überwachungspflichten bestehen, hängt von den technischen Funktionen der genutzten Verkaufsplattform und von der Frage ab, ob Dritte (z.B. andere Händler) Einwirkungsmöglichkeiten auf einzelne Angebote haben. Die technischen Funktionen von Verkaufsplattformen sollten jedem dort tätigen Onlinehändler bekannt sein. Auch sollten die Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers bekannt sein. Erforderlichenfalls können Haftungsrisiken durch standardisierte und dokumentierte Überwachungsmaßnahmen verringert werden.

Infos zur bevorstehenden Reform des Kaufrechts

Infos zum Thema AGB

Sie wurden abgemahnt? Oder Sie möchten Ihren Shop überprüfen lassen? Treten Sie gern unverbindlich mit uns in Kontakt.

Kontakt aufnehmen

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Kündigungen ohne Kündigungsschutz

Im Arbeitsrecht wird zwischen Arbeitnehmern unterschieden, denen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zukommt und Arbeitnehmern, die keinen Kündigungsschutz genießen. Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz haben in der Regel deutlich verringerte Erfolgsaussichten, sich gegen eine Kündigung ihres Arbeitgebers zur Wehr zu setzen.

Nach § 23 KSchG entsteht gesetzlicher Kündigungsschutz in der Regel automatisch, sobald mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt sind. Besteht Kündigungsschutz, bedarf jede Kündigung einer sozialen Rechtfertigung. Kündigungen unter Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes können nur wirksam sein, wenn sie durch Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sind. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes bedarf es demgegenüber keines besonderen Kündigungsgrundes.

Sind Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz wirklich schutzlos?

Mit der Frage, ob Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz völlig schutzlos dastehen, haben sich schon viele Arbeitsgerichte beschäftigt. Denn auch ohne eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes können gesetzliche Tatbestände zu einer Unwirksamkeit von arbeitsrechtlichen Kündigungen führen. In der Praxis entfalten Verstöße des Arbeitgebers gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB regelmäßig Relevanz. Danach dürfen Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden, wenn sie in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben.

Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB wird von den Gerichten angenommen, wenn eine zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, also das wesentliche Motiv für die Kündigung ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung in äußerem Zusammenhang mit der Kündigung steht. Handelt der Arbeitgeber aufgrund mehrerer Beweggründe, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen.

Urteile des Bundesarbeitsgerichts zum Maßregelungsverbot finden Sie hier:

BAG, Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 150/10.

BAG, Urteil vom 17. März 2010 – 5 AZR 168/09.

BAG Urteil vom 23. April 2009 – 6 AZR 189/08.

Als weitere mögliche Gründe, die der Wirksamkeit einer Kündigung entgegenstehen könnten, kommen eine Treuwidrigkeit und eine Sittenwidrigkeit in Betracht. Unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung treuwidrig oder sittenwidrig sein kann, hat das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung definiert (BAG, Urteil vom 05.12.2019 – 2 AZR 107/19): 

Wann ist eine Kündigung treuwidrig?

Der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB gebietet es, gegenseitig auf die Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Treuwidrige Kündigungen sind nach § 134 BGB unwirksam. Der Gesetzgeber hat den gegenseitigen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch das Kündigungsschutzgesetz hinlänglich Rechnung getragen. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes findet daher nur eine beschränkte Überprüfung einer etwaigen Treuwidrigkeit statt. Treuwidrig können unter Umständen Kündigungen sein, die auf bloßer Willkür des Arbeitgebers beruhen – so beispielsweise, wenn ein alter Arbeitnehmer durch einen neuen Arbeitnehmer im Wege einer Austauschkündigung eins-zu-eins ersetzt wird. Die Beweislastverteilung ist außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes für Arbeitnehmer oftmals mit Schwierigkeiten verbunden.

Wann ist eine Kündigung sittenwidrig?

Rechtsgeschäfte sind nach der unbestimmten Regelung des § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn sie nach ihrem Inhalt oder nach ihrem Gesamtcharakter dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden widersprechen. Rechtsfolge einer Sittenwidrigkeit ist die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts.

Da eine Kündigung an sich neutral ist, muss ein Verhalten des Kündigenden hinzutreten, welches in besonderer Weise verwerflich ist. Eine Verwerflichkeit kann sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben. So können Kündigungen aus persönlicher „Rache“ unter Umständen wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein.

Weitere Entscheidungen zum Kündigungsrecht

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte vertreten ihre Mandanten laufend in arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozessen. Rufen Sie uns bei Bedarf einfach unverbindlich zu Ihrem Anliegen an!

Kontakt

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Reformiertes Vertragsrecht und digitales Kaufrecht

Das Vertragsrecht in Deutschland wird nach einem bereits verabschiedeten Gesetzesentwurf der Bundesregierung umfassend reformiert. Insbesondere wird es ab 2022 ein neues Kaufrecht geben. Das neue Kaufrecht wird digitaler und enthält eine Fülle an neuen Vorschriften zum Kauf und Verkauf digitaler Inhalte.

Was ändert sich im Kaufrecht?

Die aktuell gültigen gesetzlichen Regelungen des Kaufrechts aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beruhen im Wesentlichen auf der Richtlinie 1999/44/EG des europäischen Parlamentes sowie des Rates vom 25. Mai 1999. Die Erwägungen der zwischenzeitlich angepassten Richtlinien stammen somit aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert. Seither sind über zwanzig Jahre vergangen. Die Umstände des Güterverkehrs und des Kaufes von Waren haben sich in der Zwischenzeit grundlegend verändert. Ein maßgeblicher Faktor hierfür dürfte der zunehmende Onlinehandel in einer sich immer weiter globalisierenden Welt sein. Digitalprodukte und Produkte mit digitalem Bezug haben das Spektrum an Waren und Inhalten in den letzten zwanzig Jahren massiv erweitert. Selbst klassische Produkte wie beispielsweise Kühlschränke, Waschmaschinen oder Fernsehgeräte sind mittlerweile mit hochkomplexer und internetfähiger Software ausgerüstet. Daraus ergibt sich das Bedürfnis der Erwerber, fortlaufende Updates und möglichst weitreichende Kompatibilität zu erhalten.

Mit der Richtlinie (EU) 2019/771 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 2019 wird die alte Richtlinie zum 01. Januar 2022 vor diesem Hintergrund ersetzt. Das alte Kaufrecht ließ in Bezug auf digitale Inhalte und Produkte mit Digitalbezug zunehmend rechtliche Fragen unbeantwortet, wodurch die Gerichte zu einer immer weitreichenderen Auslegung des alten Rechts gezwungen wurden.

Die neue Warenkaufrichtlinie verfolgt den gesetzgeberischen Zweck, die Funktionalität des digitalen Binnenmarktes zu fördern und einen effizienten Verbraucherschutz zu gewährleisten. Dem soll insbesondere bei Kaufverträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern über Sachen mit digitalen Elementen Rechnung getragen werden.

Aufgrund der Richtlinie sind die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, die Richtlinie bis zum 01. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen und auf ab dem 01. Januar 2022 geschlossene Verträge anzuwenden. Die Bundesregierung hat daher das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufrechts“ beschlossen. Dies bringt ab 2022 in erheblichem Umfang Neuerungen mit sich.

Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt mit uns auf!

Weitere Informationen über AGB

Weiterlesen

Das neue Kaufrecht ab 2022: Ein Überblick

Das Kaufrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird digitaler. Was wird sich alles ändern? Und was gilt ab 2022? In nachfolgendem Beitrag finden Sie einen Überblick über das neue Kaufrecht ab 2022

Das deutsche Kaufrecht wird mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 reformiert. Wegen der neuen EU-Richtlinie 2019/771 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 2019 hat die Bundesregierung das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags verabschiedet.

Im Folgenden sind die wesentlichen Änderungen dargestellt:

Anwaltliche Leistungen der VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte in Hamburg und Stade

  • Überprüfung und Erstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
  • Erstellung und Verhandlung von Verträgen im Bereich Handel und Vertrieb.
  • Kooperationsverträge und Handelsverträge.
  • Beratung zum Recht der Handelsvertreter.

Weitere Infos zum AGB-Recht

Kontakt mit den Anwälten der Kanzlei aufnehmen

Das neue Kaufrecht ab 2022. Anwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht informiert.

Anwalt für Kaufrecht: Der neue Sachmangelbegriff

Der Mangelbegriff aus § 434 BGB wird neu gefasst.

Bislang war eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit aufwies oder sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine übliche Beschaffenheit aufweist.

Die Neufassung des § 434 BGB erweitert nun die Voraussetzungen einer Mangelfreiheit. Eine Sache ist nach § 434 BGB n.F. nun mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven und den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen der neuen Vorschrift entspricht.

Die subjektiven Anforderungen sind in § 434 Abs. 2 BGB n.F normiert. Den subjektiven Anforderungen entspricht der Kaufgegenstand, soweit er die vereinbarte Beschaffenheit hat und sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen übergeben wird. Es wird damit gesetzlich klargestellt, dass auch Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität Teil der Beschaffenheit sind.

Die objektiven Anforderungen sind im neuem § 434 Abs. 3 BGB geregelt. Den objektiven Anforderungen entspricht die Sache, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist. Die Art der Sache und die öffentlichen Äußerungen des Verkäufers und anderen Gliedern der Vertragskette, insbesondere in Form von Werbung oder Etiketten, sollen Berücksichtigung finden.

Objektive Anforderungen muss laut Kaufrecht der Kaufsache entsprechen

Hat der Verkäufer eine Probe oder ein Muster bereitgestellt, so muss die Kaufsache diesem entsprechen, um den objektiven Anforderungen zu entsprechen. Den objektiven Anforderungen entspricht die Kaufsache zudem nur, wenn sie mit Zubehör einschließlich der Verpackung sowie den Anleitungen übergeben wird.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören nun auch Menge, Qualität und sonstige Merkmale, wie etwa die Haltbarkeit, Kompatibilität, Funktionalität und Sicherheit.

Erstmals wird im neuen § 434 Abs. 5 BGB auch normiert, dass die Lieferung einer anderen als der vertraglich geschuldeten Sache einem Sachmangel gleichsteht.

Mangelbegriff wird erweitert und konkretisiert

Der neue Mangelbegriff aus § 434 BGB wird somit gegenüber der alten Fassung erheblich erweitert und konkretisiert. Die Kaufsache muss nun der individuellen Beschaffenheitsvereinbarung entsprechen und zudem auch objektiv für die Verwendung geeignet sein bzw. eine Beschaffenheit aufweisen, die für Sachen der gleichen Art üblich ist. Bemerkenswert ist, dass ein Kaufgegenstand nunmehr auch mangelhaft sein kann, auch wenn er der vereinbarten Beschaffenheit vollständig entspricht. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Beschaffenheit dem Vereinbarten entspricht, die Sache sich jedoch nicht für eine gewöhnliche Verwendung eignet.

Neue Beweislast: Verlängerte Beweislastregelung

Darüber hinaus ändern sich die Regelungen zur Beweislastkehr. Bisher wird gemäß § 477 BGB vermutet, dass die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt.  Für Kaufgegenstände verlängert sich die Beweislastumkehr auf nunmehr ein Jahr anstelle von bisher sechs Monaten. Zeigt sich somit ein Sachmangel binnen eines Jahres nach Gefahrübergang, so wird zugunsten des Käufers und zulasten des Verkäufers vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.

Der neue § 477 Abs. 1 BGB bezieht sich nun sowohl auf den Sachmangel nach § 434 BGB als auch auf den Sachmangel nach § 475b n.F., also auch auf digitale Sachmängel.

Mängelgewährleistungsansprüche trotz Kenntnis

442 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Mängelgewährleistungsrechte des Käufers ausgeschlossen sind, wenn dieser bei Vertragsschluss den Mangel kennt oder im Falle fahrlässiger Unkenntnis, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen hat. Gemäß der neuen Regelung im Verbrauchsgüterkaufrecht aus § 475 Abs. 3 S. 2 BGB hat der Gesetzgeber die Vorschrift nun für Verbraucher als nicht anwendbar befunden. Dies ist folgerichtig, da angesichts des neuen Mangelbegriffes sowohl die subjektiven als auch die objektiven Anforderungen an die Mängelfreiheit gewährleistet sein müssen. Wenn eine individuelle Vereinbarung für die Mangelfreiheit nicht ausreicht, gilt dies folgerichtig auch für die Kenntnis eines Verbrauchers über einen Sachmangel.

Gleichwohl kann gemäß § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. der § 434 Abs. 3 BGB n.F. abbedungen werden. Dafür muss der Unternehmer dem Verbraucher vor Abgabe der Willenserklärung mitteilen, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht. Zusätzlich muss dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart werden.

Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung gegenüber Verbrauchern

Beachtlich ist auch die Neufassung von § 475 BGB. So hat der Gesetzgeber § 475 Abs. 4 BGB aufgehoben. Bisher konnte sich ein Unternehmer gegenüber Verbrauchern nicht auf eine absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung berufen. Dies ändert sich nun. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. erstreckt sich nun auch auf § 442 BGB. Dies ist die notwendige Konsequenz aus der Neufassung des Mangelbegriffes. Entspricht der Kaufgegenstand in subjektiver Hinsicht zwar den Anforderungen, nicht aber in objektiver Hinsicht, so gilt die Sache dennoch als mangelhaft, soweit § 434 Abs. 3 BGB n.F. nicht gilt, also gemäß § 476 Abs. 1 BGB n.F. wirksam abbedungen wurde.

Aktualisierungspflicht: Neuer digitaler Sachmangel

Der Gesetzgeber hat für Kaufsachen mit digitalen Elementen die §§ 475b bis 475e BGB neu geschaffen. Anzuwenden sind die Vorschriften auf Sachen, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten, dass sie ihre Funktionen ohne die digitale Komponente nicht erfüllen können. Unter die Vorschrift fallen beispielsweise Smartwatches oder Smart-TVs, wohl aber auch Smartphones, Laptops, Heimcomputer und vieles mehr. Bei den vorgenannten Produkten bestimmt sich der Sachmangelbegriff weiterhin nach § 434 BGB, die Vorschrift des § 475b BGB ist jedoch ergänzend anzuwenden.

Die Sache ist gemäß § 475b Abs. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den objektiven und subjektiven Anforderungen entspricht und zusätzlich während eines später definierten Zeitraumes die Aktualisierungspflicht gewahrt wird. Erstmals kommt es also für das Vorliegen eines Sachmangels nicht ausschließlich auf den Zeitpunkt des Gefahrüberganges an.

Kaufrecht wird um digitale Elemente der Kaufsache ergänzt

Die subjektive Komponente des neuen § 434 Abs. 2 BGB wird dahingehend ergänzt, dass gemäß § 475b Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F. für die digitalen Elemente der Kaufsache die vereinbarten Aktualisierungen bereitgestellt werden.

Die objektive Komponente des neuen § 434 Abs. 3 BGB wird dahingehend ergänzt, dass die Sache den objektiven Anforderungen entspricht, wenn sie während eines Zeitraums, den der Verbraucher bei der jeweiligen Sache erwarten darf, Aktualisierungen erhält, die für den Erhalt einer vertragsgemäßen Nutzung erforderlich sind. Es besteht damit eine kodifizierte Aktualisierungspflicht.

Dies dürfte insbesondere Updates von Endgeräten wie Smartphones und Computern betreffen. Problematisch ist der nicht konkret definierte Zeitraum, in dem Updates tatsächlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Die fehlende gesetzgeberische Definition wird von der Rechtsprechung auszufüllen sein.

Neu ist der Umstand, dass eine Sache „nachträglich“ mangelhaft wird, soweit der Hersteller bzw. Verkäufer nicht für den zu erwartenden Zeitraum Updates bereitstellt. Der Mindestzeitraum für die Bereitstellung von Updates beträgt gemäß § 475c Abs. 3 BGB n.F. zwei Jahre ab Gefahrübergang.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass § 445b Abs. 2 S. 2 BGB aufgehoben wurde. Bisher unterlag der Lieferantenregress einer absoluten Verjährungsdauer von fünf Jahren. Diese absolute Verjährungsfrist wurde nun aufgehoben. Der Verkäufer der Ware kann sich daher auch nach Ablauf dieses Zeitraums an den Hersteller wenden und Regress fordern, wenn er sich etwa Mängelgewährleistungsansprüchen des Verbrauchers wegen fehlender Updates ausgesetzt sieht.

Neuer Vertragstyp für digitale Inhalte in den §§ 327 ff. BGB

Im Zuge der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie hat der Gesetzgeber in den neuen §§ 327 ff. BGB ergänzende Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte geschaffen, welche die Vorschriften etwa des Kauf- oder Mietrechts ergänzen. Die Vorschriften erstrecken sich auf Verbraucherverträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen gegen Zahlung eines Entgelts zum Gegenstand haben. Erfasst sind gemäß § 327 Abs. 3 BGB jedoch auch Verbraucherverträge, bei denen der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zur Bereitstellung verpflichtet, ohne einen weitergehenden „Preis“ für die digitalen Inhalte zu zahlen.

Der neue § 327b BGB regelt die Erfüllung der Leistungspflicht hinsichtlich der Bereitstellung. Die Vorschriften regeln in § 327c BGB auch selbst die Rechte des Käufers bei unterbliebener Bereitstellung. Gewährleistungsrechte sind in §§ 327i – 327m BGB normiert.

Was ändert sich durch das neue Kaufrecht?

Unternehmer sollten Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf die Reform des Kaufrechts anpassen. Insbesondere bedeutsam dürfte hier die Beachtung der §§ 476 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 BGB n.F. sein. Unternehmer können das Erfordernis der objektiven Anforderungen an die Kaufsache abbedingen, soweit der Verbraucher hierüber vor Abgabe seiner Willenserklärung in Kenntnis gesetzt wird und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Andernfalls haften sie für Sachmängel, selbst wenn das Produkt die vereinbarte Beschaffenheit aufweist.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Individualvertraglich könnten zudem Regelungen zur Aktualisierungspflicht nach Ablauf des zweijährigen Mindestzeitraums getroffen werden.

Bedeutsam wird ebenfalls die Beachtung des § 475b BGB sein. Schuldner des Mängelgewährleistungsanspruches ist der Verkäufer. Er haftet daher bei fehlenden Updates gegenüber dem Verbraucher. Zu beachten ist jedoch, dass der Verkäufer beim Hersteller Regress nehmen kann und zwar zukünftig ohne die absolute Verjährungsfrist von fünf Jahren. In jedem Fall sollten Verkäufer und Hersteller jedoch vorab sicherstellen, dass Mängelgewährleistungsansprüche gar nicht erst entstehen. Dies wird nicht ohne eine längerfristige Zurverfügungstellung von Updates möglich sein.

Verbraucher hingegen können sich auf größtenteils erweiterten Verbraucherschutz einstellen. Insbesondere die Verlängerung der Beweislastkehr auf ein Jahr ab Gefahrübergang sorgt für eine deutliche Stärkung des Verbraucherschutzes.

Sie benötigen eine Überarbeitung oder Anpassung Ihrer AGB? Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt zu uns auf!

Ihre Ansprechpartner

Anwalt für Kaufrecht

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Arbeitsrecht | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Sebastian von Allwörden ist ihr Anwalt für Kaufrecht 2022

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Zum Profil

Titus Wolf Rechtsanwalt

Titus Wolf

Rechtsanwalt | Partner

Zum Profil

Weiterlesen

Kündigung bei Ablehnung von Kurzarbeit

Mit einer aktuellen Entscheidung zum arbeitsrechtlichen Kündigungsrecht hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin in zweiter Instanz zurückgewiesen (Urt. v. 18. März 2021 – 4 Sa 413/20). Es handelte sich um einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG. Die Arbeitnehmerin hatte sich u.a. auf einen angeblichen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB berufen.

Der Friseurbetrieb, in dem die Klägerin beschäftigt war, musste infolge der Corona-Pandemie wegen einer behördlichen Allgemeinverfügung schließen. Die Arbeitnehmerin wurde vor diesem Hintergrund um ihr Einverständnis in die Beantragung von Kurzarbeitergeld gebeten. Die Zustimmung wurde mit der Begründung verweigert, dass die Arbeitnehmerin allein das finanzielle Risiko des Beschäftigungsausfalls und eines geringeren Lohnes zu tragen habe. Die Friseurin verlangte eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber. In diesem Zusammenhang wurde der Arbeitnehmerin ordentlich, also unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, gekündigt.

Rechtmäßigkeit der Kündigung

Wie auch das Arbeitsgericht in der ersten Instanz befand das Landesarbeitsgericht die Kündigung für wirksam. Da das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung auf den Kleinbetrieb fand, musste kein besonderer Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG für die Wirksamkeit der Kündigung vorliegen. In Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten können Kündigungen demgegenüber nur durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, gerechtfertigt sein.

Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB vermochte das Landesarbeitsgericht ebenso wie eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB oder Treuwidrigkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB nicht zu erkennen. Der Arbeitgeber trägt zwar nach § 615 BGB im Grundsatz das Risiko eines Arbeitsausfalls. Kann er seine Arbeitnehmer etwa wegen einer schlechten Auftragslage nicht beschäftigen, entstehen gleichwohl Lohnansprüche. Ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Ausgleich der Lohndifferenz, die auf Kurzarbeit zurückzuführen ist, besteht indes nicht. Mit der Forderung der Arbeitnehmerin wurden folglich nicht in „zulässiger Weise“ Rechte ausgeübt, weshalb seitens des Arbeitgebers per Definition keine Maßregelung stattfinden konnte.

Das Landesarbeitsgericht betonte mit der Entscheidung, dass die Beantragung von Kurzarbeit zur Erhaltung von Arbeitsplätzen gerade im Hinblick auf das Betriebs- und Annahmeverzugsrisiko legitimes Ziel von Arbeitgebern ist. 

Weitere Urteile zum Kündigungsrecht

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte führen laufend Prozesse in kündigungsrechtlichen Angelegenheiten vor den Arbeitsgerichten. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an.

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Gericht kippt Löschfristen der SCHUFA

Das Oberlandesgericht Schleswig erklärte mit einer aktuellen Entscheidung eine weit verbreitete Praxis der Bonitäts-Auskunfteien für rechtswidrig (Urteil v. 02.07.2021 – 17 U 15/21). Geklagt hatte ein Unternehmer, dem nach einer Privatinsolvenz eine amtsgerichtliche Restschuldbefreiung erteilt wurde. Die SCHUFA Holding AG hielt die Information der Restschuldbefreiung unter Nennung des Datums in Ihrer Datenbank zum Zwecke eines Abrufes durch Dritte vor. Der Kläger berief sich darauf, dass ihm wegen der Datenverbreitung durch die SCHUFA eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben nicht möglich sei. Als der Löschungsanspruch geltend gemacht wurde, lag die Rechtskraft des Beschlusses über die Restschuldbefreiung bereits mehr als sechs Monate zurück. Dem Löschungsanspruch wurde stattgegeben, da das Gericht keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung erkennen konnte.

Warum wurde dem Löschungsanspruch stattgegeben?

Das Oberlandesgericht prüfte alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung, die dem geltend gemachten Löschungsanspruch des Klägers hätten entgegenstehen können. Die potentiellen Rechtfertigungsgründe wurden insgesamt verneint.

Welche Rechtsgrundlagen kommen für die Datenverarbeitung in Betracht?

Eine Einwilligung des Klägers in die Datenverarbeitung lag nicht vor. Als Rechtsgrundlage konnte auch kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien herangezogen werden. Die Ausübung „öffentlicher Gewalt“ wurde dem privatrechtlichen Unternehmen erneut abgesprochen (so auch LG Frankfurt, Urteil v. 20.12.2018 – 2-05 O 151/18). Darüber hinaus verneinte das Gericht auch eine Datenverarbeitung „im öffentlichen Interesse“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO. Zwar komme Auskunfteien im Grundsatz eine Funktion im Wirtschaftsleben zu, die öffentliche Interessen befriedigt. Gleichwohl sei diese spezifische Datenverarbeitung und die Dauer der Verarbeitung kein „Erfordernis“, um die Funktion der Auskunfteien zu erfüllen.

Wann liegt ein berechtigtes Interesse vor?

Interessen, die eine Datenverarbeitung legitimieren, können zudem nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO in den berechtigten Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder in den Interessen Dritter liegen. Beides verneinte das Oberlandesgericht nach umfassender Prüfung.

Die Interessen der Auskunftei selbst können nach überzeugender Auffassung des Gerichts nicht zu einer Berechtigung der Datenverarbeitung führen, da sie im Widerspruch zu den Wertungen des Gesetzgebers stehen. In § 3 InsoBekV (Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren) ist geregelt, dass spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft eines Beschlusses über eine Restschuldbefreiung die veröffentlichten Daten gelöscht werden. Nach Ablauf dieses Zeitraumes besteht kein berechtigtes Interesse mehr von Auskunfteien, die veröffentlichten Daten zu verbreiten.

Zudem wurde mit der Entscheidung auch klargestellt, dass keine Interessen Dritter zu einer Berechtigung der Datenverarbeitung führen können, da es sich bloß um abstrakte Interessen möglicher künftiger Vertragspartner des Betroffenen handelt. Eine Befriedigung dieser abstrakten Interessen stünde ebenfalls im Widerspruch zu § 3 InsoBekV.

Bemerkenswert an der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist die deutliche Absage an die Verhaltensregeln der Auskunfteien, die von dem Verband „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erstellt wurden und eine Löschung von Informationen über Restschuldbefreiungen nach drei Jahren vorgesehen haben. In diversen von unserer Sozietät geführten Verfahren haben sich verschiedene Auskunfteien stets darauf berufen, im Einklang mit diesen Verhaltensregeln zu handeln, die von der Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen sogar für rechtmäßig befunden wurde. Den Verhaltensregeln und damit der Datenschutzaufsichtsbehörde stellte sich das Oberlandesgericht nun ausdrücklich entgegen.

Wann sind SCHUFA-Einträge rechtswidrig?

Ob und unter welchen Voraussetzungen negative Einträge in Auskunfteien rechtswidrig sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Von Vertragspartnern der Auskunfteien (z.B. Banken oder Mobilfunkanbietern) mitgeteilte Informationen werden rechtlich anders bewertet als Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Vollstreckungsportalen.

Gern überprüfen wir für Sie, ob Sie betreffende Einträge in Bonitäts-Auskunfteien rechtmäßig sind.

Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt zu uns auf!

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Weiterlesen

PODCAST: Familieninterne Unternehmensnachfolge vs. Verkauf (Dr. Sebastian von Allwörden im Podcast von Business & People)

Das Wirtschaftsmagazin Business & People hat unseren Partner Dr. Sebastian von Allwörden zu der Frage interviewt, welche Vor- und Nachteile sich bei einer Unternehmensnachfolge durch Übergang in die nächste Generation im Vergleich zu einem Verkauf des eigenen Unternehmens ergeben und welche rechtlichen Themen dabei relevant sind.

Hören Sie sich den Podcast in voller Länge hier an:

Ihr Ansprechpartner

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Wer trägt Ermittlungskosten bei Compliance-Verstößen?

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu der Frage positioniert, wer angefallene Ermittlungskosten bei Compliance-Verstößen in Arbeitsverhältnissen zu tragen hat (BAG, Urteil vom 29. April 2021 – 8 AZR 276/20). Konkret ging es darum, ob Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber die Kosten für die Aufklärung von Compliance-Verstößen ersetzen müssen, wenn die angestellten Ermittlungen tatsächlich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zutage fördern.

Was ist vorgefallen?

Bei dem Arbeitnehmer handelte es sich um einen leitenden Angestellten aus dem Bereich der Unternehmensführung mit einem Jahresbruttoverdienst von ca. EUR 450.000,00. Nachdem das Unternehmen mehrere anonyme Hinweise wegen möglicher Compliance-Verstöße des Arbeitnehmers erhalten hatte, schaltete es eine auf Compliance-Ermittlungen spezialisierte Anwaltskanzlei ein, um dem Verdacht nachzugehen.

Die Ermittlungen ergaben, dass der Arbeitnehmer mehrere Personen auf Kosten des Unternehmens – ohne, dass hierfür eine dienstliche Veranlassung bestand – zum Essen eingeladen hatte. Zudem hatte der Arbeitnehmer ohne Wissen oder Einverständnis des Arbeitgebers Reisekosten zu Champions-League Spielen des FC Bayern München zu dessen Lasten abgerechnet.

Die Ermittlungstätigkeiten stellte die Anwaltskanzlei dem Arbeitgeber mit mehr als EUR 200.000 in Rechnung.

Dem Arbeitnehmer wurde daraufhin fristlos gekündigt. Er erhob Kündigungsschutzklage, welche jedoch rechtskräftig vom Arbeitsgericht abgewiesen wurde.

Das Arbeitsgericht hatte sich auch mit einer Widerklage des Arbeitgebers zu befassen. Zunächst vergeblich vertrat der Arbeitgeber die Auffassung, der Arbeitnehmer habe die Ermittlungskosten zu ersetzen. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach unter Umständen bei dem Arbeitgeber angefallene Detektivkosten durch den Arbeitnehmer zu ersetzen sind. Der Arbeitnehmer berief sich hingegen auf den Grundsatz aus § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, wonach bei arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten zu tragen hat. Dieser Grundsatz findet auch auf außergerichtliche arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen in der Regel Anwendung.

Im vom Arbeitgeber angestrengten Berufungsverfahren änderte das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise ab und sprach dem Arbeitgeber immerhin einen Teil der Kosten, die bis zum Ausspruch der Kündigung anfielen – EUR 66.500,00 – zu.

Gegen diese Entscheidung wiederum legte der Arbeitnehmer Revision zum Bundesarbeitsgericht ein.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht gab der Revision in vollem Umfang statt und wies die Widerklage des Arbeitgebers zurück. Zwar stellte das Gericht fest, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich die durch den Einsatz einer spezialisierten Kanzlei anfallenden Kosten vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen kann, sofern der begründete Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers besteht. Der Schadensbegriff aus § 249 Abs. 1 BGB umfasst insoweit auch die Aufwendungen, die der Arbeitgeber zur Abwendung erheblicher Nachteile tätigt. Der Grundsatz aus § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG steht diesem Anspruch nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen.

Jedoch fehlte es seitens des Arbeitgebers laut dem Gericht an substantiierten Darlegungen hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten. Der Arbeitgeber hat nicht hinreichend dargelegt, welche konkreten Tätigkeiten und Ermittlungen zu welchem Zeitpunkt und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Arbeitnehmer ausgeführt wurden.

Was sollten Arbeitgeber bei dem Verdacht auf Compliance-Verstöße tun?

Mit dem Urteil stellt das Bundesarbeitsgericht erstmals Maßstäbe auf, die Arbeitgeber beachten müssen, wenn sie Compliance-Verstöße ihrer Mitarbeiter vermuten und Ermittlungen anstellen. Um der Darlegungs- und Beweislast in einem Gerichtsverfahren zu genügen, sollten Arbeitgeber darauf achten, im Zuge einer veranlassten Ermittlung die Zweckmäßigkeit der jeweiligen Maßnahme zu genau prüfen und diese auch akribisch zu dokumentieren. Ermittlungsmaßnahmen und damit verbundene Kosten, die sich im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen, könnten aus dem möglichen Erstattungsanspruch ausgenommen sein.

Es kann sinnvoll sein, schon während der laufenden Ermittlungen auf das Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte in das Verfahren einzubinden, um möglich Fehler zu vermeiden.

Gern beraten unsere im Wirtschaftsrecht tätigen Anwälte und Fachanwälte Sie zu arbeitsrechtlichen Themen und im Zusammenhang mit Compliance-Verfahren. Sprechen Sie uns bei Bedarf einfach an!

Mehr zum Thema Compliance

Weitere Informationen zum Arbeitsrecht

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Störerhaftung im Urheberrecht: Wer ist verantwortlich?

Die allgemeinen Grundsätze der Störerhaftung bei Urheberrechtsverletzungen am Beispiel der Haftung eines Domain-Registrars

Das Urheberrecht ist gekennzeichnet von einer Vielzahl von Akteuren und Interessen: Angefangen bei den Urhebern selbst und den Nutzungsberechtigten über Verwertungsgesellschaften, Verlagshäuser und Plattformbetreiber bis hin zu den Inhabern von Internetseiten, Zugangsvermittlern und den Nutzern. Da eine Inanspruchnahme derjenigen, die Inhalte in rechtswidriger Weise verbreiten, oftmals nicht möglich oder erfolgsversprechend ist, hat die Rechtsprechung die sogenannte Störerhaftung entwickelt. Diese ermöglicht unter gewissen Voraussetzungen, auch mittelbar an einer Rechtsverletzung Beteiligte in Anspruch zu nehmen – so in etwa den Plattformbetreiber (Host-Provider) oder den Zugangsvermittler (Access-Provider).

Der nachfolgende Beitrag setzt sich in Anlehnung an eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit den Voraussetzungen der Störerhaftung am Beispiel eines Domain-Registrars auseinander (BGH, Urt. v. 15.10.2020I ZR 13/19).

Worum ging es?

 Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Domain-Registrar für Urheberrechtsverletzungen auf einer von ihm vermittelten Domain in Anspruch genommen wurde. Über die Website hinter der Domain wurden Musikwerke rechtswidrig im Wege des Filesharings angeboten.

Eine Domain ist letztlich eine Webadresse, hinter der die IP-Adresse des Inhabers gespeichert wird. Während die DENIC die sogenannte „top-level“-Domain „.de“ vergibt, unterstützt ein Registrar bei der administrativen Abwicklung der Anmeldung einer sogenannten „sub-level“-Domain, also dem, was zwischen „www…“ und „…com“ oder „„.de“ steht. Ein Registrar hat die Möglichkeit, die von ihm vergebene Domain zu sperren, worauf er im Rechtsstreit von der Klägerin in Anspruch genommen wurde. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Domain-Registrar Störer im Zusammenhang mit einer Urheberrechtsverletzung (oder anderen Rechtsverletzungen) ist.

Wann ist man urheberrechtlicher Störer?

Nach ständiger Rechtsprechung kann als Störer in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, setzt die Haftung des Störers zusätzlich aber noch die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus, die anhand der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen sind.

Wie entschied der Bundesgerichtshof?

Nach der Entscheidung des BGH soll für den Registrar, der immerhin bei der administrativen Abwicklung der Einrichtung eines Domain-Zugangs mitwirkt, keine Haftungsprivilegierung nach § 8 TMG (Telemediengesetz) für Zugangsvermittler (Access-Provider) gelten.

Allerdings erklärte der BGH dieselben Haftungsmaßstäbe wie bei Zugangsvermittlern für anwendbar. Das Gericht bejahte also einen mittelbaren Beitrag zur Urheberrechtsverletzung durch die Domain-Vermittlung, weil kaum ein Nutzer direkt auf die IP-Adresse zurückgreife, sondern stets die Domains nutze. Prüfpflichten sah der BGH allerdings nicht verletzt, obwohl der Registrar trotz genauer Darlegung der Urheberrechtsverstöße durch die Klägerin die Seite nicht sperrte.

Da die Haftung des Registrars ebenso wie diejenige eines Internetzugangsvermittlers „ultima ratio“ sei, müsse der Anspruchsteller nämlich weiterhin darlegen, dass er erfolglos den Verletzer oder dessen Host-Provider in Anspruch genommen habe. Anders als noch die Berufungsinstanz zum Ausdruck brachte, stehe der Zugangsvermittler oder der Registrar nämlich nicht im Lager des täterschaftlichen Verletzers, sondern sei neutral. Außerdem müsse für die Sperrung der Domain (Dekonnektierung) feststehen, dass die darunter veröffentlichten Inhalte „weit überwiegend illegal“ seien. An diesen beiden Voraussetzungen scheiterte letztlich der Anspruch der Klägerin. Der BGH entschied zudem, dass grundsätzlich keine anlasslosen allgemeinen Prüf- und Überwachungspflichten der Seiteninhalte seitens des Domain-Registrars bestehen.

Was bedeutet dies für die Praxis?

Auch wenn das Urteil nicht zu Gunsten der Rechteinhaber ausfiel, so dürfte die Rechtsposition der Urheber und verwandten Schutzrechteinhaber dadurch gestärkt worden sein, dass künftig auch der Domain-Registrar als Anspruchsgegner in Betracht kommt. Zwar ist dessen Haftung stets subsidiär, doch dürfte die Inanspruchnahme der Nutzer und ihrer Host-Provider häufig nicht gelingen. In diesen Konstellationen kommt als letzte Möglichkeit also die Erwirkung der Dekonnektierung der Domain in Betracht. Erforderlich ist dafür jedoch, dass die Inhalte unter der Domain „weit überwiegend illegal“ sind, wobei die Voraussetzungen hierfür noch nicht höchstrichterlich definiert sind.

Urheberrecht bei VON ALLWÖRDEN

Nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit uns auf!

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Weiterlesen

PODCAST: Benjamin von Allwörden über 3 Jahre Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Das Wirtschaftsmagazin Business & People hat unseren Partner Benjamin von Allwörden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, zum Thema Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) interviewt. Dabei geht es unter anderem um Datenschutz im Arbeitsrecht und Auswirkungen des Datenschutzes auf das Homeoffice.

Hören Sie sich den Podcast in voller Länge hier an:

Ihre Ansprechpartner

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Call Now Button