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Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

ArbG Siegburg: Urt. v. 24.07.2024, Az. 3 Ca 387/24

09.05.2025

Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung während Betriebsfeier

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Eine außerordentliche Kündigung stellet ein besonders scharfes arbeitsrechtliches Mittel dar, mit dem ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist sie nur dann zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei muss das Verhalten oder der Umstand, der die Kündigung rechtfertigt, „an sich“ geeignet sein, eine solche Maßnahme zu tragen, und es bedarf zusätzlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Bemerkenswert an dem nachfolgend besprochenen Urteil ist, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das seine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, während einer Betriebsfeier stattfand, also nicht während der regulären Arbeitszeit. Das Arbeitsgericht erachtete diesen Umstand als unerheblich:

Zum Sachverhalt:


Der gekündigte Mitarbeiter arbeitete seit einem Jahr bei dem beklagten Arbeitgeber und war während dieser Anstellung bereits wiederholt negativ aufgefallen, woraufhin er in der Vergangenheit abgemahnt wurde. Auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre fasste er einer Kollegin sodann an den Hintern. Als sie signalisierte, dies nicht zu wollen, hielt er sie am Arm fest und äußerte ihr gegenüber, sie solle dies als Kompliment verstehen. Der Arbeitgeber kündigte dem Mitarbeiter daraufhin außerordentlich fristlos, wogegen er sich per Kündigungsschutzklage wehrte, die im Ergebnis jedoch erfolglos blieb.

Die Entscheidung des ArbG Siegburg:


Das Arbeitsgericht Siegburg bestätigt in seinem Urteil die Wirksamkeit der Kündigung. Der Umstand, dass das sexuell belästigende Verhalten während einer Betriebsfeier stattfand und nicht während der regulären Arbeitszeit, erachtete das Gericht als unerheblich. Der Schlag auf den Po und das Festhalten gegen ihren Willen seien sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und stellen damit nach § 7 Absatz 3 AGG eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die das Vertrauen des Arbeitgebers in seinen Mitarbeiter nachhaltig erschüttere und es ihm unzumutbar mache, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Die Interessenabwägung fällt insbesondere deshalb so eindeutig zugunsten des Arbeitgebers aus, weil er nach § 2 Abs. 1 BeschSchG gesetzlich verpflichtet war, wirksame Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter – auch vorbeugend – zu treffen. Weil die arbeitnehmerseitige Pflichtverletzung derart schwerwiegend war, bedurfte es einer vorherigen Abmahnung nicht. Die Kammer betont dabei, dass der Arbeitnehmer damit rechnen musste, dass sein Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht dulden würde.

Praxishinweis:


Außerordentlich fristlose Kündigungen sind immer Einzelfallabwägungen. Die Entscheidung, auch wenn sie im vorliegenden Fall naheliegend ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Immer ist zu erwägen, ob vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht kommt. Dazu sollte der Arbeitgeber den Sachverhalt sorgfältig ergründen, Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern führen, Zeugen zum Hergang des Geschehens befragen und alles sorgfältig dokumentieren. Sexuelle Belästigung stellt regelmäßig eine schwere Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers dar, die in vielen Fällen eine Abmahnung entbehrlich macht – auch wenn dieses Fehlverhalten auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre und unter Alkoholeinfluss stattfindet.

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Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

BAG Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)

18.04.2025

Was ist eine Änderungskündigung?


Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf:

Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, separate Teile eines Arbeitsvertrages einseitig zu ändern. Möchte dieser unvorteilhafte Vertragsteile neu gestalten, aber an dem übrigen Vertrag festhalten, braucht er das Einverständnis des Vertragspartners. Kann zwischen den beiden Vertragsparteien keine Einigung erzielt werden, besteht für den Arbeitgeber eine weitere Möglichkeit: Er kündigt den bestehenden Vertrag und bietet dem Arbeitnehmer einen ­– nach den Vorstellungen des Arbeitgebers angepassten ­­­­­­– Vertrag an. Eine solche Vorgehensweise nennt sich Änderungskündigung. Wird dieser neue Vertrag mit den abgeänderten Bedingungen durch den Arbeitnehmer nicht angenommen, bleibt es bei der Kündigung des vorigen Arbeitsverhältnisses.

Änderungskündigung erhalten?  Das ist jetzt zu tun:


Ist der Arbeitnehmer mit der Änderung der Vertragsbedingungen einverstanden, kann er die Änderungskündigung annehmen.

Alternativ besteht die Möglichkeit, das Angebot auf eine Änderungskündigung vollumfänglich abzulehnen. Dann bleibt die Kündigung zurück, das Arbeitsverhältnis endet. Mit Hilfe einer Kündigungsschutzklage kann sodann die Kündigung auf ihre Wirksamkeit hin rechtlich überprüft werden. Stellt sich dabei heraus, dass die Kündigung unwirksam war, besteht das Arbeitsverhältnis fort. Dieses Vorgehen ist aber riskant:  Hat die Kündigungsschutzklage nämlich keinen Erfolg, sodass die Kündigung wirksam ist, besteht oftmals nicht mehr die Möglichkeit, das zuvor abgelehnte Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages nachträglich doch noch anzunehmen, da dieses nicht mehr rechtlich bindend ist. Damit stünde der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall nun nicht nur mit einem nachteilig abgeänderten, sondern ohne jeglichen Arbeitsvertrag da.

Dem Arbeitnehmer ist stattdessen zu empfehlen, eine Änderungskündigung unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen „sozial ungerechtfertigt“ im Sinne des KSchG ist. Dadurch bleibt der Arbeitnehmer zunächst weiter beschäftigt, allerdings zu den neuen Vertragskonditionen, kann aber parallel vom Arbeitsgericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüfen lassen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Kommt das Gericht zu dem Entschluss, dass die Kündigung unwirksam ist, besteht das Arbeitsverhältnis zu den alten Konditionen fort. Sofern das Gericht die Kündigung für wirksam hält, besteht das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fort. In vie­len Fällen bietet die Kündigungsschutzklage die Chan­ce, die Ver­schlech­te­rung von Ver­trags­be­din­gun­gen ab­zu­weh­ren.  

Zu beachten ist, dass die Annahme unter Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist, also spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, geschehen muss, vgl. § 2 S. 2 KSchG.

PRAXISTIPP: Die An­nah­me un­ter Vor­be­halt soll­ten Sie in Text­form, z.B. per E-Mail, erklären und wie folgt for­mu­lie­ren:

„[Da­tum, An­re­de]

hier­mit neh­me ich Ihr / Eu­er / Dein Ände­rungs­an­ge­bot, das mit der Kündi­gung vom TT.MM.JJJJ ver­bun­den war, un­ter dem Vor­be­halt an, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

Bit­te bestäti­gen Sie / bestätigt mir / bestäti­ge mir den Er­halt die­ses Schrei­bens.

[Grußfor­mel]“

Welche Kündigungsgründe rechtfertigen eine Änderungskündigung?


Zunächst einmal kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nicht grundlos kündigen. Dabei gelten für die Änderungskündigung die gleichen Grundsätze wie für eine „normale“ Kündigung: Fällt das Arbeitsverhältnis unter die Kündigungsschutzvorschriften im KschG, braucht der Arbeitgeber einen gewichtigen Grund zur Kündigung seines Angestellten. Damit das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, müssen in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sein und der gekündigte Mitarbeiter muss länger als 6 Monate in Beschäftigung stehen. Liegen diese zwei Voraussetzungen vor, findet das KSchG Anwendung und die Kündigung bedarf eines der drei Kündigungsgründe, die das KSchG vorsieht. Eine Kündigung kann entweder aus verhaltensbedingten, aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen „sozial gerechtfertigt“ sein (§ 1 KSchG). Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, nach erfolgter (Änderungs-) Kündigung im Rahmen der Kündigungsschutzklage überprüfen zu lassen, ob ein solcher Grund vorgelegen hat. Er lässt damit rechtlich klären, ob die Kündigung wirksam war, oder nicht. Da eine Änderungskündigung nichts anderes ist, als eine Kündigung mit einem darauffolgenden Arbeitsangebot, gelten hier dieselben Grundsätze. Eine Ver­tragsände­rung ist im Ver­gleich zu ei­ner Be­en­di­gung des Arbeitsverhältnisses aber im­mer das mil­de­re Mit­tel, daher las­sen sich Ände­rungskündi­gun­gen ten­den­zi­ell leich­ter be­gründen als „normale“ Kündigungen.

BAG: Eine betriebsbedingte Änderungskündigung muss sozial gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)


Trotzdem betonte das BAG in seinem Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16, Rn. 11) erneut, wie wichtig eine über die reine Sozialauswahl hinausgehende Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei Änderungskündigungen ist: „Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.“

Außerordentlich (fristlose) Änderungskündigung: Stets eine Einzelfallabwägung


Besondere Begründung bedarf das Aussprechen einer außerordentlichen (fristlosen) Änderungskündigung, die dann aber nicht mehr auf das KSchG, sondern auf den § 626 I BGB gestützt wird. Für eine außerordentliche Kündigung muss folglich ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 626 I BGB vorliegen, der so gewichtig sein muss, dass er die Einhaltung der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.

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Wel­che Fris­ten muss ich als Ar­beit­neh­mer bei Er­halt ei­ner Ände­rungskündi­gung im Blick haben?


1. Frist von drei Wo­chen ab Erhalt des Kündigungsschreibens zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge bzw. Ände­rungs­schutz­kla­ge

Für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen eine Ände­rungskündi­gung hat der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 4 Satz 1 KSchG drei Wo­chen Zeit, ge­rech­net ab dem Zu­gang der Kündi­gung. Die Drei­wo­chen­frist wird ausschließlich durch Ein­gang der Kla­ge­schrift bei Ge­richt gewahrt.

2. Frist von drei Wo­chen für die Erklärung des Vor­be­halts gemäß § 2 KSchG

Auch die Annahme unter Vorbehalt muss fristgerecht erfolgen. Die Erklärung des Vor­be­halts muss gemäß § 2 Satz 2 KSchG in­ner­halb der Kündi­gungs­frist, spätes­tens aber drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung erklärt werden.

3. Vom Ar­beit­ge­ber ge­setz­te Frist für die An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots

Viele Arbeitgeber setzen selbst eine Annahmefrist im Ände­rungs­an­ge­bot, die meist im Text der Ände­rungskündi­gung ent­hal­ten ist. Dieses Vorgehen ist zwar grundsätzlich zulässig, allerdings darf die An­nah­me­frist nicht kürzer als die dreiwöchi­ge ge­setz­li­che Frist für die Erklärung des Vor­be­halts sein. Legt der Ar­beit­ge­ber dennoch ei­ne kürze­re An­nah­me­frist für sein An­ge­bot fest, wird trotz­dem (recht­lich ge­se­hen) ei­ne dreiwöchi­ge An­nah­me­frist (BAG, Ur­teil vom 18.05.2006, 2 AZR 230/05BAG, Ur­teil vom 01.02.2007, 2 AZR 44/06) fingiert.

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Annahmeverzugslohn im Kündigungsschutzverfahren: Die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes

Annahmeverzugslohn im Kündigungsschutzverfahren: Die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes

BAG, Urt. V. 07.02.2024 (5 AZR 177/23):

11.04.2025

Annahmeverzugslohn

Ihr Fachanwalt informiert Sie über den Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach unwirksamer Kündigung

Stellt sich eine Kündigung im Nachhinein vor dem Arbeitsgericht als unwirksam dar, sodass das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbestand, so kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Zahlung des im Streitzeitraum entgangenen Lohns zustehen, sog. Annahmeverzugslohn (geregelt in § 615 BGB und § 11 KSchG). Zu Streit unter den Parteien und auch zu Schwierigkeiten in der Rechtsprechung führt regelmäßig, dass nicht immer klar ist, was der Arbeitnehmer sich auf seinen Anspruch anrechnen lassen muss, besonders wenn es sich dabei um fiktiven Erwerb handelt.

In der Abwägungsfrage darum, was vom Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess bezüglich der Bemühungen um anderweitige Beschäftigungen gefordert wird, gab es in den letzten Jahren einige Bewegung in der Rechtsprechung.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zuletzt mit Entscheidung vom 07.02.2024 (5 AZR 177/23 – Das Bundesarbeitsgericht) detailliert neue Kriterien für die entscheidende Gesamtabwägung ausformuliert. Das Urteil gehört zu einer Reihe von Urteilen, welche der Anrechnung von böswillig unterlassenem Verdienst eine erhöhte Praxisrelevanz verleiht und für Arbeitgeber tendenziell Hürden abgebaut hat.

Dieser Beitrag unseres Fachanwalts für Arbeitsrecht erläutert den  Annahmeverzugslohnanspruch im Kündigungsschutzprozess. Er stellt kurz die Voraussetzungen des Anspruchs dar und beschäftigt sich danach mit der Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs. Dazu erläutern wir das aktuelle Urteil des BAG und welche Praxishinweise sich daraus für Arbeitgeber und Arbeitnehmer herleiten lassen.

Wann kommt Annahmeverzugslohn in Betracht?


Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich dann zu, wenn dieser seinem Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis seine Leistung anbietet, dieser sie jedoch nicht annimmt (§ 615 BGB und § 11 KSchG). In solchen Fällen gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Das tatsächliche Anbieten der Arbeitsleistung ist dafür nicht einmal erforderlich, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat (BAG 29.03.2023 – 5 AZR 255/22).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen in Fällen von Kündigungen, die sich später als unwirksam darstellen, ist meistens offensichtlich und führt somit selten zum Streit.

Was muss sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen?


Der Anspruch steht stets unter der Einschränkung, dass sich der Arbeitnehmer das anrechnen lassen muss,

  • „was er durch anderweitige Arbeit verdient hat“ (§ 11 Nr. 1 KSchG) und
  • „was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen“ (§ 11 Nr. 2 KSchG).

„Böswilligkeit“ und „Zumutbarkeit“ führen als unbestimmte Rechtsbegriffe in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Schwierigkeiten. In der Vergangenheit war die Praxisrelevanz einer Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG gering; die Hürden für die Geltendmachung böswilligen Unterlassens sehr hoch. Das sich das mittlerweile geändert hat, zeigt unter anderem das nachfolgende Urteil.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.02.2024 – 5 AZR 177/23)


Im hier zugrundeliegenden Fall, ging es um die Klage eines Beschäftigten, mit welcher er Annahmeverzugslohn in Höhe von 103.200,35 Euro brutto geltend machte. Der Kläger war zuvor nach über 25 Jahren Beschäftigung gekündigt worden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg stellte später die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Der Forderung nach Annahmeverzugslohn gab das LAG statt.

Diese Entscheidung hielt der Revision des BAG nicht stand. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe seien wesentliche Umstände im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht berücksichtigt worden. Das Urteil wurde aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. In Frage stand, ob böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs in Betracht komme.

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs (§ 11 Nr. 2 KSchG)


Wenn sich der Arbeitnehmer nach seiner Kündigung arbeitssuchend meldet und den Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit nachgeht, hat er sich regelmäßig keine Untätigkeit vorwerfen zu lassen. Was gilt aber, wenn es gar keine Vermittlungsangebote gibt?

Der Kläger meldete sich zeitnah nach seiner Kündigung als arbeitssuchend. In der Zeit, in der er Arbeitslosengeld I bezog, unterbreitete die Agentur für Arbeit ihm jedoch keine Stellenangebote. Denn: Der Kläger teilte zuvor per E-Mail mit, er wünsche erstens keine Stellenangebote und werde zweitens, in dem Fall, dass er zur Bewerbung gezwungen ist, dem potenziellen Arbeitgeber sofort mitteilen, dass er sich noch im Rechtsstreit mit seinem bisherigen Arbeitgeber befinde und dort unbedingt weiterarbeiten möchte. Er unternahm auch keine eigenständigen Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung.

In der Tatsache, dass der Kläger mit seinen Aussagen gegenüber der Agentur für Arbeit selbst die Ursache dafür geschaffen hat, dass er keine Stellenangebote vermittelt bekam, sieht das BAG einen klaren Anhaltspunkt für böswilliges Unterlassen seitens des Arbeitnehmers. Solches Handeln entspreche nicht dem einer „tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person“. Dieser Umstand wäre bei der Gesamtabwägung der Vorinstanz zu berücksichtigen gewesen.

Zumutbarkeit anderweitiger Beschäftigungen


Weiter stellte das BAG in seiner Entscheidung erneut klar, dass die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung sich nicht allein daraus ergibt, dass der Verdienst im Verhältnis zur bisherigen Anstellung geringer wäre. Im Einzelfall müsse immer abgewogen werden, in welchem Ausmaß der Beschäftigte eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (auch bezüglich anderer Faktoren wie Ort und Arbeitszeit) hinnehmen müsse. „Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer jedoch nicht hinnehmen.“, so die Richter des Bundesarbeitsgerichts.

Im vorliegenden Fall stellt das Gericht klar, dass für den Kläger „eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I läge, während des Bezugszeitraums dieser Leistung“ nicht zumutbar sei.

Darlegungs- und Beweislast


Bezüglich der Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG hat grundsätzlich der Arbeitgeber im Prozess darzulegen, dass im Zeitraum des Annahmeverzugs Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer bestanden, die auch zumutbar und zu verwirklichen wären. Dem Arbeitgeber steht dazu ein Anspruch auf Auskunft bei der Agentur für Arbeit zu. Den Arbeitnehmer trifft folgend nur die Pflicht, sich zu diesen Behauptungen wahrheitsgemäß zu äußern und zu erklären, welche Bemühungen er angestellt hat („sekundäre Darlegungspflicht“).

Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn nicht die Agentur für Arbeit, sondern der Arbeitgeber selbst dem Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung passende Stellenangebote übermittelt. Dies traf auf den vorliegenden Fall zwar nicht zu, das Gericht legte damit aber erneut die Möglichkeit für Arbeitgeber dar, mit solchem Verhalten den Arbeitnehmer zu veranlassen, weiteren Erwerbsmöglichkeiten nachzugehen.

Ihre Pflichten als Arbeitnehmer: Was Sie (nicht) tun müssen


Die Urteile jüngster Vergangenheit zeigen: Als Arbeitnehmer müssen Sie sich um anderweitigen Erwerb bemühen, auch wenn Sie davon ausgehen, dass die Kündigung für unwirksam erklärt werden wird. Mit dem reinen Abwarten im Vertrauen auf Annahmeverzugslohn könnten Sie Ihren Anspruch riskieren.

Es ist mithin zu empfehlen, sich nach der Kündigung bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend zu melden und Stellenangeboten sachgerecht nachzugehen (auch wenn ihr ehemaliger Arbeitgeber Ihnen diese zusendet). Im Regelfall kann Ihnen dann kein Fehlverhalten vorgeworfen werden. Zu Ihren Bemühungen werden Sie sich im Prozess äußern müssen, wenn diese infrage stehen. Im Einzelfall können Sie als Arbeitnehmer in der Pflicht stehen, selbst die Initiative zu ergreifen, anstatt auf zumutbare Jobangebote zu warten. Dazu müsste sich Ihnen aber stets eine realistisch zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit auftun.

Hingegen sind Sie als Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, sich „unermüdlich“ um anderweitigen Erwerb zu bemühen. Sie müssen sich auch nicht auf das erstmögliche Stellenangebot bewerben, sondern nur solchen nachgehen, die Ihnen zumutbar sind. Erheblich schlechtere Arbeitsbedingungen im Vergleich zur vorherigen Anstellung müssen Sie nicht in Kauf nehmen.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch das kaum ältere Urteil des BAG vom 24.01.2024 (5 AZR 331/22). Das Gericht gab einem Dienstherrn Recht und stellte fest: Wer sich vorsätzlich mit einem zu geringen Gehalt in einem neuen Arbeitsverhältnis während des Kündigungsschutzprozesses zufriedengibt, muss sich böswilliges Unterlassen vorwerfen und fiktiven Verdienst anrechnen lassen.

Praxistipp des Fachanwalts: Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber


Mit Blick auf die Rechtsprechung ist Arbeitgebern zu raten, gekündigten Arbeitnehmern selbst zumutbare Stellenangebote zu übermitteln. Darüber hinaus sollte nicht versäumt werden, die Pflicht zur Arbeitsuchendmeldung immer in das Kündigungsschreiben mitaufzunehmen.

Das Risiko, Annahmeverzugslohn zahlen zu müssen, lässt sich so mittlerweile deutlich verringern. Dennoch ist es ratsam, Beschäftigten nicht vorschnell aufgrund des vermeintlich geringen finanziellen Risikos zu kündigen: Die neueste Rechtsprechung hat sich zwar zugunsten der Arbeitgeber entwickelt, eine genaue Vorhersehbarkeit ergibt sich daraus aber nicht. Am Ende wägt das Gericht immer die jeweiligen Interessen im konkreten Einzelfall ab. Außerdem ist ein Rechtsstreit über den Anspruch auf Annahmeverzugslohn weiterhin mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

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Verfällt mein Resturlaub aus dem letzten Jahr?

Verfällt mein Resturlaub aus dem letzten Jahr?

14.02.2025

Resturlaub

Das passiert mit Ihrem Urlaubsanspruch zum Jahresende:

Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf

Ein Blick ins Gesetz gibt einen ersten Anhaltspunkt: § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) besagt, dass ein jeder Arbeitnehmer grundsätzlich einen Mindestanspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 4 Wochen hat. Dieser verfällt bei Nichtinanspruchnahme mit dem laufenden Kalenderjahr.

Hinweispflicht des Arbeitgebers

Zum Schutz des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit gelte dies allerdings nicht, so der EuGH, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten nicht auf den verbleibenden Urlaub hingewiesen habe. Bei fehlendem Hinweis auf den bestehenden Resturlaub bleibe der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Vorjahr bestehen und verjähre auch nicht nach § 195 BGB, so der EuGH in seinem Urteil (v. 22.09.2022, C-120/21).

Urlaubsansprüche können sich bei wiederholter Versäumnis der Aufforderung durch den Arbeitgeber sogar von Jahr zu Jahr anhäufen.

Praxishinweise zum Aufforderungsgebot des Arbeitgebers und weiterführende Informationen rund um das Thema Resturlaub erhalten Sie hier.

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BAG: Elektronische Gehaltsabrechnungen ausreichend

BAG: Elektronische Gehaltsabrechnungen ausreichend

30.01.2025

Entscheidung des Monats Januar 2025:


Mit Urteil vom 28.01.2025 (Az. 9 AZR 487/24) stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass Gehaltsabrechnungen, die lediglich digital über das betriebsinterne Intranet zur Verfügung gestellt werden ausreichen, wenn es den Beschäftigten möglich ist, die Dokumente im Unternehmen auszudrucken.

Eine Edeka-Verkäuferin aus Niedersachsen bestand im hier zugrunde liegenden Fall auf eine Gehaltsabrechnung aus Papier. Das BAG macht jedoch deutlich, dass die elektronische Breitstellung dem Formerfordernis der Textform des § 108 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) genüge.

Lesen Sie hier mehr zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

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Änderungen im Arbeitsrecht 2025: Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns

Mindestlohn gestiegen auf 12,82 Euro brutto pro Stunde

29.01.25

Anhebung Mindestlohn auf 12,83 Euro brutto pro Stunde

Ihr Anwalt und Fachanwalt informiert Sie über Gesetzesänderungen im Arbeitsrecht

Mit der Anhebung des Mindestlohns zum Jahreswechsel 2025 verdienen Beschäftigte nunmehr mindestens 12,82 Euro brutto die Stunde. Der gesetzliche Mindestlohn wurde damit um 41 Cent angehoben.

Weitere Informationen

Erfahren Sie hier, für wen der Mindestlohn gilt, wie hoch die angehobene Geringfügigkeitsgrenze für Minijobs ist, welche Erhöhungen es bei der Mindestvergütung für Auszubildende gibt und wie wir Ihnen als kompetenter Partner zur Seite stehen. Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an!

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Arbeitsrecht: Die betriebsbedingte Kündigung (KSchG)

Arbeitsrecht: Betriebsbedingte Kündigung (KSchG)

29. Januar 2025

Ihr Anwalt und Fachanwalt informiert Sie über die betriebsbedingte Kündigung gem. KSchG im Arbeitsrecht

Beschäftigt ein Unternehmen mehr als 10 Mitarbeiter, fallen diese ab einer Beschäftigungsdauer von 6 Monaten unter das Kündigungsschutzgesetz, dessen besonderen Schutz den Arbeitnehmern zu Gute kommt. Für Kündigungen kommen dann nur drei Kategorien von Gründen in Betracht, die einer sozialen Rechtfertigung bedürfen. Der Arbeitgeber kann aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen kündigen und muss stets eine Einzelfallabwägung vornehmen. Im Folgenden erfahren Sie mehr über die Anforderungen, die an eine wirksame betriebsbedingte Kündigung gestellt werden.

Betriebsbedingte Kündigung: Fachanwalt für Arbeitsrecht hilft (KSchG)

Definition: Das ist eine betriebsbedingte Kündigung:


Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, die beispielsweise sinkende Umsätze oder eine Umstrukturierung nach sich zieht, kommt die betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist aufgrund eines verringerten Beschäftigungsbedarfs des Unternehmens aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Zur Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Ein betriebliches Erfordernis steht der Weiterbeschäftigung entgegen,
  2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers (auch an einem anderen Arbeitsplatz) ist unmöglich (sog. Dringlichkeit) und
  3. der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl treffen

Weitergehende Informationen:


Hier informieren wir Sie vertieft über die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung und ihrer Abgrenzung zu anderen Kündigungsarten. Außerdem erfahren Sie, wie Sie sich bestmöglich gegen eine solche wehren können und wie wir Ihnen dabei kompetent und zuverlässig zur Seite stehen. Sprechen Sie uns gerne an!

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Arbeitsrecht: Verhaltensbedingte Kündigung (KSchG)

Ihr Anwalt und Fachanwalt informiert Sie über die verhaltensbedingte Kündigung gem. KSchG im Arbeitsrecht

Fällt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), kommen für eine Kündigung drei Kategorien von Gründen in Betracht. Denn Kündigungen von Arbeitnehmern, die Kündigungsschutz genießen, bedürfen einer sozialen Rechtfertigung. Dies setzt voraus, dass personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen können. Nachfolgend stellen wir die Voraussetzungen verhaltensbedingter Kündigungen nach dem KSchG dar.

Das Kündigungsschutzgesetz hilft allen Beschäftigten, die mehr als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind, vor ordentlichen, also fristgemäßen Kündigungen des Arbeitgebers.

Dieser Beitrag eines Fachanwaltes für Arbeitsrecht befasst sich mit der Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Sie werden hier erfahren, was die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung sind. Außerdem erklären wir, wie wichtig unter Umständen eine vorherige Abmahnung und eine arbeitgeberseitige Interessenabwägung sein kann.

Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung werden anhand einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 23.02.2022 – 10 Sa 492/21) veranschaulicht. Die durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung einer verhaltensbedingten Kündigung haben sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer hohe Bedeutung.

Schnell zum Inhalt über verhaltensbedingte Kündigungen

  1. Wann kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht?
  2. Was gibt es bei einer Abmahnung zu beachten?
  3. Empfehlung des Fachanwalts für Arbeitsrecht: Interessenabwägung vor Kündigung
  4. Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG Hamm 10 Sa 492/21)
  5. Unwirksamkeit der Kündigung: Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung erfolglos
  6. Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer

Verhaltensbedingte Kündigung: Fachanwalt für Arbeitsrecht hilft (KSchG)

Wann kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht?

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann nur wirksam sein, wenn mindestens die vier folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Vertragswidriges Verhalten: Es müssen objektive Verstöße eines Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten vorliegen. Verstöße können bspw. in einer Nichtleistung, Minderleistung, einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Betriebes oder in einer Gefährdung der betrieblichen Ordnung liegen.
  • Das vertragswidrige Verhalten muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar und von ihm steuerbar sein. Der Pflichtverstoß muss also vorsätzlich oder zumindest fahrlässig begangen worden sein.
  • Die verhaltensbedingte Kündigung muss verhältnismäßig sein. Eine Kündigung ist verhältnismäßig, wenn keine milderen Mittel – wie etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz – zur Verfügung standen und für den Arbeitgeber zumutbar waren.
  • Die Interessenabwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, damit die Kündigung rechtens ist.

Was gibt es bei der Abmahnung zu beachten?

Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung wird in der Regel eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens gefordert. Dabei gilt im Grundsatz, dass eine Abmahnung noch keine Sanktion, sondern eine Warnung und einen in die Zukunft gerichteten Hinweis auf die vollständige Vertragserfüllung des Arbeitnehmers darstellt. Aus diesem Grund beinhaltet eine Abmahnung in den meisten Fällen einen konkludenten Verzicht des Arbeitgebers auf eine Kündigung wegen des abgemahnten Verhaltens. Der Arbeitgeber kann also nicht erst abmahnen und das Arbeitsverhältnis anschließend wegen desselben Vorfalls kündigen.

Abmahnung Verhaltensbedingt: Anforderungen an eine rechtssichere Abmahnung

An eine rechtssichere Abmahnung werden inhaltliche Anforderungen gestellt. Sie muss eine genaue Beschreibung des Vertragsverstoßes enthalten und der Arbeitnehmer muss dazu aufgefordert werden, dieses Verhalten nicht zu wiederholen. Weiterhin muss der Arbeitgeber mit der Abmahnung verdeutlichen, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist. Enthält eine Abmahnung nur pauschale Hinweise bezüglich des Verhaltens oder keine Androhung konkreter arbeitsrechtlicher Konsequenzen, erfüllt sie nicht die notwendigen Voraussetzungen, um bei wiederholtem Fehlverhalten eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können. Fehlerhafte oder unzureichende Abmahnungen können Arbeitgebern daher in einem späteren Kündigungsschutzverfahren zum Verhängnis werden.

An eine Form ist die Abmahnung nicht gebunden. Sie kann also (theoretisch) auch mündlich erteilt werden. Aus Beweisgründen und zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit sollten Abmahnungen jedoch unbedingt in schriftlicher Form erfolgen. Auch sollte der Zugang der Abmahnung nachgewiesen werden können. 

Ist eine Abmahnung nicht gerechtfertigt, kann der Arbeitnehmer einen Widerruf der Abmahnung und eine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.  Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt ein etwaiger Anspruch der Arbeitnehmer jedoch regelmäßig, da kein berechtigtes Interesse mehr zuerkannt wird.

Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten haben, können innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.

Empfehlung des Fachanwalts für Arbeitsrecht: Interessenabwägung vor Kündigung

Zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung bedarf es im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung einer vorherigen Interessenabwägung. Als zu berücksichtigende Interessen des Arbeitgebers zählen u.a. die Arbeits- und Betriebsdisziplin sowie die Vermeidung von Betriebsablaufstörungen. Auch die Vermeidung des Eintritts von Vermögensschäden ist zu berücksichtigen.

Für die Interessen des Arbeitnehmer sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, mögliche Unterhaltsverpflichtungen, die Art, Schwere und Häufigkeit der Pflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen.

Die Interessenabwägung muss im Falle einer gerichtlichen Überprüfung einer verhaltensbedingten Kündigung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, da die Kündigung anderenfalls für unwirksam befunden wird.

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG Hamm 10 Sa 492/21)

In der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes ging es um einen angestellten technischen Leiter in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern und einem Bruttomonatsentgelt von EUR 10.600 zzgl. eines Anspruchs auf Tantiemen. Der Arbeitnehmer fiel unter das Kündigungsschutzgesetz. Ihm wurde die sexuelle Belästigung von drei Mitarbeiterinnen vorgeworfen. Dies soll u. a. durch Berührungen, bedrängendes Annähern und Anstarren geschehen sein.

Beachtung gesetzlicher Kündigungsfristen gem. § 622 BGB

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer fristlos und stützte dies auf die sexuelle Belästigung sowie den dringenden Tatverdacht belästigender Handlungen. Mit derselben Begründung wurde das Arbeitsverhältnis zudem hilfsweise ordentlich unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB gekündigt.

Der Arbeitnehmer legte anhand privater Chatverläufe und privater E-Mails dar, dass ein kollegiales Miteinander im Betrieb des Arbeitgebers gelebt wurde und bestritt die Vorwürfe.

Das Landesarbeitsgericht Hamm bewertete die Kündigung als unverhältnismäßig und befand die Kündigung für unwirksam. Da der Arbeitnehmer während des Prozesses in das Persönlichkeitsrecht eines Geschäftsführers und einer der Mitarbeiterinnen eingriff, um ein Verhältnis dieser Personen aufzudecken, entschied das Gericht dennoch für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 80.000,00 EUR. Eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit war nämlich nicht mehr zu erwarten. Arbeitsgerichte können auf Antrag des Arbeitnehmers oder auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG das Arbeitsverhältnis auflösen, wenn dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann oder der Arbeitgeber keine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mehr erwarten kann.

Unwirksamkeit der Kündigung: Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung erfolglos

Maßgebend für die Unwirksamkeit der Kündigung war nach der Entscheidung der Richter am Landesarbeitsgericht, dass keine Abmahnung ausgesprochen wurde. Das Gericht stellte fest, dass sexuelle Belästigung keinen absoluten Kündigungsgrund darstellen müsse und daher auch in diesem Fall eine Abmahnung aus Verhältnismäßigkeitsgründen nötig gewesen sei. In der Gesamtbetrachtung habe man hier nur einen Mitarbeiter, der seine Grenzen nicht kennt. Diese Grenzen hätten dem Arbeitnehmer aber durch eine Abmahnung aufgezeigt werden können und müssen.

Das Urteil veranschaulicht die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Interessenabwägung. Selbst bei sexueller Belästigung gilt es, zunächst abzuwägen. Bei „leichten“ Verstößen wäre eine verhaltensbedingte Kündigung unverhältnismäßig und mildere Mittel – wie eine Abmahnung – müssen einer Kündigung vorgezogen werden.

Dennoch ging die Interessenabwägung im Ergebnis zugunsten des Arbeitgebers aus, da der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Geschäftsführers nicht mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Prozess gerechtfertigt werden konnte. Nach Betrachtung dieser beiden Voraussetzungen ist das Gericht dann einen „Mittelweg“ gegangen, denn das Arbeitsverhältnis wurde gerichtlich aufgelöst und dem Arbeitnehmer wurde eine Abfindung zugesprochen.

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer

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Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter und Arbeitnehmer

Was ist ein Wettbewerbsverbot?

Ein Wettbewerbsverbot ist die Beschränkung einer Person in ihrer beruflichen Tätigkeit zugunsten anderer Unternehmer derselben Fachrichtung. Das bedeutet, die Person darf für die Dauer ihrer Dienstzeit ohne Einwilligung ihres Arbeitgebers weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in einem gleichen Geschäftszweig für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte betreiben. Dies bezieht sich immer nur auf den Geschäftsbereich des Arbeitgebers. Außerhalb des Geschäftsbereichs des Arbeitgebers ist dem Arbeitnehmer eine gewerbliche Tätigkeit erlaubt, wenn sie die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt.

Bei Wettbewerbsverboten ist zu unterscheiden zwischen denen im bestehenden Arbeitsverhältnis und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten.

Anwalt hilft bei Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB - Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag

Die Leistungen unserer Kanzlei

  • Wir gestalten effiziente und interessengerechte Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote
  • Wir prüfen bestehende Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote, damit Sie Ihr Risiko einschätzen können
  • Wir setzen erforderlichenfalls Ihre Ansprüche aus Wettbewerbsverboten für Sie durch

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Für wen gelten Wettbewerbsverbote?

Ein gesetzliches Wettbewerbsverbot besteht für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, für Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft, für Handelsvertreter und auch für alle Arbeitnehmer. Insbesondere Wettbewerbsbeschränkungen von Arbeitnehmern und Handelsvertretern haben in der Praxis hohe Bedeutung. Bei den weiteren Personengruppen funktionieren die Wettbewerbsverbote allerdings in vergleichbarer Weise.

Wer ist Handelsvertreter?

Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte gegen Provision zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Er unterscheidet sich vom kaufmännischen Angestellten durch seine Selbständigkeit. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Handelsvertreter sind in der Regel Kaufleute. Handelsvertreter können zum Beispiel Abonnenten-Verkäufer, Versicherungsvertreter, Reisevermittler oder Produktverkäufer sein. Die gesetzlichen Vorschriften zum Handelsvertreter sind in den §§ 84 ff. HGB enthalten.

Wettbewerb im Arbeitsverhältnis

Solange das Arbeitsverhältnis besteht, unterliegen sowohl Arbeitnehmer als auch Handelsvertreter einem umfassenden Wettbewerbsverbot. Ein solches muss nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. Denn es ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§§ 60, 86 HGB für Handelsvertreter bzw. § 242 BGB für Arbeitnehmer). Eine vertragliche Ausgestaltung und Konkretisierung eines arbeitsrechtlichen Wettbewerbsverbotes kann gleichwohl sinnvoll sein. Denn Nebentätigkeiten, die nicht die Interessen des Arbeitsgebers beeinträchtigen, sind im Grundsatz zulässig.

Das Wettbewerbsverbot gilt ab dem Zeitpunkt, in dem die Tätigkeit für den Arbeitgeber aufgenommen wird und endet mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirkt das Wettbewerbsverbot bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fort. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt wurde. Bei einer außerordentlichen Kündigung endet es mit Zugang der schriftlichen Kündigung, da diese das Arbeitsverhältnis – sofern die Kündigung wirksam ist – mit sofortiger Wirkung beendet.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Für eine wirksame Vereinbarung ist die Schriftform inklusive eigenhändiger Unterschrift erforderlich. Zudem muss der Arbeitgeber auf eine ordnungsgemäße Vertretung seines Unternehmens achten. Schließlich ist dem Arbeitnehmer oder Handelsvertreter eine Vertragsurkunde mit der Originalunterschrift des Arbeitgebers auszuhändigen. Die Vereinbarung eines wirksamen und effizienten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ist mit zahlreichen rechtlichen Problemen behaftet. Eine anwaltliche Gestaltung oder Prüfung ist daher in aller Regel dringend geboten.

Welche Anforderungen gelten für nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach § 74 HGB?

Die Vereinbarung muss eine Zusage über eine vom Arbeitgeber zu zahlende Entschädigung, eine sogenannte Karenzentschädigung, enthalten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder Handelsvertreter für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte seiner zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu zahlen hat. Fehlt die Entschädigungszusage, ist das Wettbewerbsverbot unwirksam. Bei einer zu geringen Entschädigungszusage wird das Wettbewerbsverbot unverbindlich. Das heißt, dass der Arbeitnehmer oder Handelsvertreter wählen kann, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält und die zu geringe Entschädigung annimmt oder ob er zum Arbeitgeber in Wettbewerb tritt.

Gilt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unbegrenzt?

Das Wettbewerbsverbot ist nach der Rechtsprechung auf eine Höchstdauer von zwei Jahren begrenzt. Im Einzelfall können aber zwei Jahre schon unangemessen lang sein. Ein Wettbewerbsverbot, dass dem Arbeitnehmer oder Handelsvertreter das berufliche Fortkommen in unbilliger Weise erschwert, ist nicht bindend. Dabei sind die gewährte Karenzentschädigung sowie die Kriterien Ort, Dauer und Gegenstand zu berücksichtigen. Es kommt also auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles an. Bedingte Wettbewerbsverbote sind unverbindlich. Solche liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber die Entscheidung über das spätere Inkrafttreten des schon vereinbarten Wettbewerbsverbots vorbehält.

Kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entfallen?

Ein nachträgliches Entfallen eines vereinbarten Wettbewerbsverbotes ist in folgenden Fällen möglich: Der Arbeitgeber kann auf das Wettbewerbsverbot verzichten. Dies setzt eine schriftliche Erklärung voraus. Zeitlich begrenzt ist dies noch im Laufe der Kündigungsfrist möglich. Danach oder nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist der Verzicht ausgeschlossen.

Der Arbeitnehmer bzw. Handelsvertreter hat ein Recht, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen, sofern er selbst das Arbeitsverhältnis außerordentlich aus einem wichtigen Grund kündigt. Dafür hat er einen Monat Zeit, nachdem die Kündigung dem Arbeitgeber zugegangen ist. Auch wenn der Arbeitgeber kündigt, hat der Arbeitnehmer ein Lösungsrecht, sofern er keinen erheblichen Anlass zur Kündigung gegeben hat. Der Arbeitgeber hat ebenfalls ein Lösungsrecht, wenn er das Arbeitsverhältnis aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kündigt. Schließlich kann die Beendigung und Aufhebung des Wettbewerbsverbotes jederzeit einvernehmlich vereinbart werden.

Werden neue Einkünfte auf die Karenzentschädigung angerechnet?

Ja, dies sieht das Gesetz vor. Der Arbeitnehmer bzw. Handelsvertreter muss sich insbesondere die Einkünfte aus seiner Folgebeschäftigung in der Regel anrechnen lassen. Bei einer selbständigen Tätigkeit sind die erzielten Gewinne anzurechnen. Auch die Anrechnung ist begrenzt. Sie erfolgt nur, soweit der anderweitige Erwerb zusammengerechnet mit der Karenzentschädigung 110 % der bisherigen vertragsgemäßen Gesamtvergütung übersteigt. Wenn der Arbeitnehmer bzw. Handelsvertreter für die neue Tätigkeit seinen Wohnsitz verlegen musste, erhöht sich die Grenze auf 125 %. Der Arbeitnehmer bzw. Handelsvertreter hat gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Auskunftspflicht hinsichtlich der Höhe seines anderweitigen Erwerbs und muss dies ggf. hinreichend belegen.

Ist eine Karenzentschädigung Arbeitsentgelt?

Lohnsteuerrechtlich stellt die Karenzentschädigung Arbeitslohn dar. Dies hat zur Folge, dass auf die Entschädigung Lohnsteuer erhoben wird. Im Sozialversicherungsrecht gehört die Karenzentschädigung hingegen nicht zum Arbeitsentgelt, sodass dafür keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind. Auf das Arbeitslosengeld wird die Karenzentschädigung nicht angerechnet, da es sich dabei nicht um Einkünfte aus einer Beschäftigung handelt.

Welche Folgen hat ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot gemäß § 74 HGB?

Verstößt der Arbeitnehmer oder Handelsvertreter gegen das Wettbewerbsverbot, kann der Arbeitgeber in der Regel Schadensersatz verlangen. An die vertragliche Ausgestaltung von Schadenersatz stellen die Gerichte hohe Anforderungen. 

Darüber hinaus hat er ein Eintrittsrecht, wodurch er vom ehemaligen Arbeitnehmer unter Umständen verlangen kann, so gestellt zu werden, als hätte er das Geschäft selbst getätigt. Das führt nicht zu einem Wechsel der Vertragsparteien. Vielmehr kann der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer so den erzielten wirtschaftlichen Vorteil abschöpfen. Der Arbeitgeber kann zwischen dem Schadensersatz und dem Eintrittsrecht wählen. Schließlich kann der Arbeitgeber den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

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Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Arbeitsmittel?

Zu der Frage, ob Arbeitnehmer gegen ihre Arbeitgeber einen Anspruch auf Bereitstellung von Arbeitsmitteln haben, hat sich das hessische Landesarbeitsgericht mit einer aktuellen Entscheidung positioniert (Hessisches LAG, Urteil v. 12.03.2021, 14 Sa 306/20).  

Die Nutzung eines eigenen Smartphones und des eigenen Fahrrades ist bei Arbeitnehmern von Kurierdiensten in Großstädten nicht unüblich. Der Arbeitnehmer eines Lieferdienstes für Speisen und Getränke klagte dagegen. Er nutzte sein eigenes Rad und wurde per App auf seinem Smartphone bestimmten Kundenaufträgen zugewiesen. Die Klage war darauf gerichtet, den Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, ein verkehrssicheres Fahrrad und ein Mobiltelefon mit Datennutzungsvertrag für die Verrichtungen seiner Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen.

Woraus kann sich ein Anspruch auf Arbeitsmittel ergeben?

Der Anspruch auf Bereitstellung von Arbeitsmitteln kann sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den §§ 611a, 615 S. 3, 618 BGB ergeben. Denn es ist rechtlich anerkannt, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung haben. Damit soll auch ein Anspruch auf Stellung der zur Verrichtung der Arbeit zwingend erforderlichen Arbeitsmittel einhergehen. Dem Arbeitgeber ist es in diesem Zusammenhang nicht gestattet, den Arbeitnehmer auf die Möglichkeit zu verweisen, dass er ohne Erbringung der Tätigkeiten einen Anspruch auf Verzugslohn hat, weil sich der Arbeitgeber mangels Bereitstellung von Arbeitsmitteln in Annahmeverzug befindet. Es besteht vielmehr ein direkter Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, die notwendigen Arbeitsmittel zu stellen.

Können Arbeitsmittel im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden?

Wie das hessische Landesarbeitsgericht nun entschieden hat, können Regelungen, nach denen Arbeitnehmer selbst ihre Arbeitsmittel stellen müssen, unzulässig sein. Arbeitsverträge unterliegen in aller Regel einer AGB-Kontrolle. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn die Vertragspartner des Verwenders dadurch nach Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden. Eine solche Benachteiligung wurde für eine arbeitsvertragliche Regelung angenommen, nach der notwendige Arbeitsmittel von einigem Wert wie Fahrrad und Handy ohne finanziellen Ausgleich durch den Arbeitnehmer selbst eingebracht werden mussten.

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