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Wer trägt Ermittlungskosten bei Compliance-Verstößen?

22. Juni 2021

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu der Frage positioniert, wer angefallene Ermittlungskosten bei Compliance-Verstößen in Arbeitsverhältnissen zu tragen hat (BAG, Urteil vom 29. April 2021 – 8 AZR 276/20). Konkret ging es darum, ob Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber die Kosten für die Aufklärung von Compliance-Verstößen ersetzen müssen, wenn die angestellten Ermittlungen tatsächlich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zutage fördern.

Was ist vorgefallen?

Bei dem Arbeitnehmer handelte es sich um einen leitenden Angestellten aus dem Bereich der Unternehmensführung mit einem Jahresbruttoverdienst von ca. EUR 450.000,00. Nachdem das Unternehmen mehrere anonyme Hinweise wegen möglicher Compliance-Verstöße des Arbeitnehmers erhalten hatte, schaltete es eine auf Compliance-Ermittlungen spezialisierte Anwaltskanzlei ein, um dem Verdacht nachzugehen.

Die Ermittlungen ergaben, dass der Arbeitnehmer mehrere Personen auf Kosten des Unternehmens – ohne, dass hierfür eine dienstliche Veranlassung bestand – zum Essen eingeladen hatte. Zudem hatte der Arbeitnehmer ohne Wissen oder Einverständnis des Arbeitgebers Reisekosten zu Champions-League Spielen des FC Bayern München zu dessen Lasten abgerechnet.

Die Ermittlungstätigkeiten stellte die Anwaltskanzlei dem Arbeitgeber mit mehr als EUR 200.000 in Rechnung.

Dem Arbeitnehmer wurde daraufhin fristlos gekündigt. Er erhob Kündigungsschutzklage, welche jedoch rechtskräftig vom Arbeitsgericht abgewiesen wurde.

Das Arbeitsgericht hatte sich auch mit einer Widerklage des Arbeitgebers zu befassen. Zunächst vergeblich vertrat der Arbeitgeber die Auffassung, der Arbeitnehmer habe die Ermittlungskosten zu ersetzen. Der Arbeitgeber berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach unter Umständen bei dem Arbeitgeber angefallene Detektivkosten durch den Arbeitnehmer zu ersetzen sind. Der Arbeitnehmer berief sich hingegen auf den Grundsatz aus § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, wonach bei arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen in der ersten Instanz jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten zu tragen hat. Dieser Grundsatz findet auch auf außergerichtliche arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen in der Regel Anwendung.

Im vom Arbeitgeber angestrengten Berufungsverfahren änderte das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise ab und sprach dem Arbeitgeber immerhin einen Teil der Kosten, die bis zum Ausspruch der Kündigung anfielen – EUR 66.500,00 – zu.

Gegen diese Entscheidung wiederum legte der Arbeitnehmer Revision zum Bundesarbeitsgericht ein.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht gab der Revision in vollem Umfang statt und wies die Widerklage des Arbeitgebers zurück. Zwar stellte das Gericht fest, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich die durch den Einsatz einer spezialisierten Kanzlei anfallenden Kosten vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen kann, sofern der begründete Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers besteht. Der Schadensbegriff aus § 249 Abs. 1 BGB umfasst insoweit auch die Aufwendungen, die der Arbeitgeber zur Abwendung erheblicher Nachteile tätigt. Der Grundsatz aus § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG steht diesem Anspruch nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen.

Jedoch fehlte es seitens des Arbeitgebers laut dem Gericht an substantiierten Darlegungen hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten. Der Arbeitgeber hat nicht hinreichend dargelegt, welche konkreten Tätigkeiten und Ermittlungen zu welchem Zeitpunkt und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Arbeitnehmer ausgeführt wurden.

Was sollten Arbeitgeber bei dem Verdacht auf Compliance-Verstöße tun?

Mit dem Urteil stellt das Bundesarbeitsgericht erstmals Maßstäbe auf, die Arbeitgeber beachten müssen, wenn sie Compliance-Verstöße ihrer Mitarbeiter vermuten und Ermittlungen anstellen. Um der Darlegungs- und Beweislast in einem Gerichtsverfahren zu genügen, sollten Arbeitgeber darauf achten, im Zuge einer veranlassten Ermittlung die Zweckmäßigkeit der jeweiligen Maßnahme zu genau prüfen und diese auch akribisch zu dokumentieren. Ermittlungsmaßnahmen und damit verbundene Kosten, die sich im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen, könnten aus dem möglichen Erstattungsanspruch ausgenommen sein.

Es kann sinnvoll sein, schon während der laufenden Ermittlungen auf das Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte in das Verfahren einzubinden, um möglich Fehler zu vermeiden.

Gern beraten unsere im Wirtschaftsrecht tätigen Anwälte und Fachanwälte Sie zu arbeitsrechtlichen Themen und im Zusammenhang mit Compliance-Verfahren. Sprechen Sie uns bei Bedarf einfach an!

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Benjamin von Allwörden
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