Fällt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer unter das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), kommen für eine Kündigung drei Kategorien von Gründen in Betracht. Denn Kündigungen von Arbeitnehmern, die Kündigungsschutz genießen, bedürfen einer sozialen Rechtfertigung. Dies setzt voraus, dass personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe vorliegen, die eine Kündigung rechtfertigen können. Nachfolgend forcieren wir die verhaltensbedingte Kündigung nach KSchG.
Dieser Beitrag vom Fachanwalt für Arbeitsrecht befasst sich mit der Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Sie werden hier erfahren, was die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung sind. Außerdem erklären wir, wie wichtig unter Umständen eine vorherige Abmahnung und eine arbeitgeberseitige Interessenabwägung sein kann.
Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung werden anhand einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 23.02.2022 – 10 Sa 492/21) veranschaulicht. Die durch die Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beurteilung einer verhaltensbedingten Kündigung haben sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer hohe Bedeutung.
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Wann kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht?
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann nur wirksam sein, wenn mindestens die vier folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Was gibt es bei der Abmahnung zu beachten?
Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung wird in der Regel eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens gefordert. Dabei gilt im Grundsatz, dass eine Abmahnung noch keine Sanktion, sondern eine Warnung und einen in die Zukunft gerichteten Hinweis auf die vollständige Vertragserfüllung des Arbeitnehmers darstellt. Aus diesem Grund beinhaltet eine Abmahnung in den meisten Fällen einen konkludenten Verzicht des Arbeitgebers auf eine Kündigung wegen des abgemahnten Verhaltens. Der Arbeitgeber kann also nicht erst abmahnen und das Arbeitsverhältnis anschließend wegen desselben Vorfalls kündigen.
An eine rechtssichere Abmahnung werden inhaltliche Anforderungen gestellt. Sie muss eine genaue Beschreibung des Vertragsverstoßes enthalten und der Arbeitnehmer muss dazu aufgefordert werden, dieses Verhalten nicht zu wiederholen. Weiterhin muss der Arbeitgeber mit der Abmahnung verdeutlichen, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist. Enthält eine Abmahnung nur pauschale Hinweise bezüglich des Verhaltens oder keine Androhung konkreter arbeitsrechtlicher Konsequenzen, erfüllt sie nicht die notwendigen Voraussetzungen, um bei wiederholtem Fehlverhalten eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können. Fehlerhafte oder unzureichende Abmahnungen können Arbeitgebern daher in einem späteren Kündigungsschutzverfahren zum Verhängnis werden.
An eine Form ist die Abmahnung nicht gebunden. Sie kann also (theoretisch) auch mündlich erteilt werden. Aus Beweisgründen und zur Unterstreichung der Ernsthaftigkeit sollten Abmahnungen jedoch unbedingt in schriftlicher Form erfolgen. Auch sollte der Zugang der Abmahnung nachgewiesen werden können.
Ist eine Abmahnung nicht gerechtfertigt, kann der Arbeitnehmer einen Widerruf der Abmahnung und eine Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt ein etwaiger Anspruch der Arbeitnehmer jedoch regelmäßig, da kein berechtigtes Interesse mehr zuerkannt wird.
Arbeitnehmer, die eine Kündigung erhalten haben, können innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
Fachanwalt für Arbeitsrecht: Interessenabwägung vor Kündigung
Zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung bedarf es im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung einer vorherigen Interessenabwägung. Als zu berücksichtigende Interessen des Arbeitgebers zählen u.a. die Arbeits- und Betriebsdisziplin sowie die Vermeidung von Betriebsablaufstörungen. Auch die Vermeidung des Eintritts von Vermögensschäden ist zu berücksichtigen.
Für die Interessen des Arbeitnehmer sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, mögliche Unterhaltsverpflichtungen, die Art, Schwere und Häufigkeit der Pflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen.
Die Interessenabwägung muss im Falle einer gerichtlichen Überprüfung einer verhaltensbedingten Kündigung zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, da die Kündigung anderenfalls für unwirksam befunden wird.
Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG Hamm 10 Sa 492/21)
In der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes ging es um einen angestellten technischen Leiter in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern und einem Bruttomonatsentgelt von EUR 10.600 zzgl. eines Anspruchs auf Tantiemen. Der Arbeitnehmer fiel unter das Kündigungsschutzgesetz. Ihm wurde die sexuelle Belästigung von drei Mitarbeiterinnen vorgeworfen. Dies soll u. a. durch Berührungen, bedrängendes Annähern und Anstarren geschehen sein.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer fristlos und stützte dies auf die sexuelle Belästigung sowie den dringenden Tatverdacht belästigender Handlungen. Mit derselben Begründung wurde das Arbeitsverhältnis zudem hilfsweise ordentlich unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB gekündigt.
Der Arbeitnehmer legte anhand privater Chatverläufe und privater E-Mails dar, dass ein kollegiales Miteinander im Betrieb des Arbeitgebers gelebt wurde und bestritt die Vorwürfe.
Das Landesarbeitsgericht Hamm bewertete die Kündigung als unverhältnismäßig und befand die Kündigung für unwirksam. Da der Arbeitnehmer während des Prozesses in das Persönlichkeitsrecht eines Geschäftsführers und einer der Mitarbeiterinnen eingriff, um ein Verhältnis dieser Personen aufzudecken, entschied das Gericht dennoch für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 80.000,00 EUR. Eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit war nämlich nicht mehr zu erwarten. Arbeitsgerichte können auf Antrag des Arbeitnehmers oder auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 KSchG das Arbeitsverhältnis auflösen, wenn dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann oder der Arbeitgeber keine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit mehr erwarten kann.
Unwirksamkeit der Kündigung: Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung erfolglos
Maßgebend für die Unwirksamkeit der Kündigung war nach der Entscheidung der Richter am Landesarbeitsgericht, dass keine Abmahnung ausgesprochen wurde. Das Gericht stellte fest, dass sexuelle Belästigung keinen absoluten Kündigungsgrund darstellen müsse und daher auch in diesem Fall eine Abmahnung aus Verhältnismäßigkeitsgründen nötig gewesen sei. In der Gesamtbetrachtung habe man hier nur einen Mitarbeiter, der seine Grenzen nicht kennt. Diese Grenzen hätten dem Arbeitnehmer aber durch eine Abmahnung aufgezeigt werden können und müssen.
Das Urteil veranschaulicht die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Interessenabwägung. Selbst bei sexueller Belästigung gilt es, zunächst abzuwägen. Bei „leichten“ Verstößen wäre eine verhaltensbedingte Kündigung unverhältnismäßig und mildere Mittel – wie eine Abmahnung – müssen einer Kündigung vorgezogen werden.
Dennoch ging die Interessenabwägung im Ergebnis zugunsten des Arbeitgebers aus, da der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Geschäftsführers nicht mit der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Prozess gerechtfertigt werden konnte. Nach Betrachtung dieser beiden Voraussetzungen ist das Gericht dann einen „Mittelweg“ gegangen, denn das Arbeitsverhältnis wurde gerichtlich aufgelöst und dem Arbeitnehmer wurde eine Abfindung zugesprochen.
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