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Wann sind nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen rechtmäßig?

AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen

Arbeitsverhältnisse werden in der Regel unter Verwendung von vorformulierten Verträgen abgeschlossen. Dabei stellt meistens der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die vertraglichen Bestimmungen. Die Nutzung solcher Vertragsklauseln ist grundsätzlich von der Vertragsfreiheit gedeckt, unterliegt aber einer sogenannten AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Klauseln per se unzulässig sind und eine strenge gerichtliche Überprüfung einzelner Regelungen durchgeführt werden kann. Insbesondere können intransparent gestaltete Klauseln oder Klauseln, die eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers beinhalten, AGB-rechtlich unzulässig und damit unwirksam sein.

Was sind AGB?

Unwirksamkeit von „Catch-All-Klauseln“

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die Arbeitgeberin und der Arbeitnehmer einen Vertrag mit einer sogenannten „Catch-All-Klausel“ geschlossen hatten (LAG Köln, Urt. v. 02.12.2019, 2 SaGa 20/19). Diese Klausel sah eine Verpflichtung des Arbeitnehmers vor, über rechtmäßig im Betrieb erlangte Kenntnisse ohne sachliche oder zeitliche Beschränkung Verschwiegenheit wahren zu müssen.  Das Landesarbeitsgericht befand die Klausel für unwirksam, da sie das Grundrecht des Arbeitnehmers auf Ausübung der Berufsfreiheit zu stark beeinträchtige. Als gesetzliche Stütze zog das Gericht die Regelung aus § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB heran. Diese Vorschrift sieht als längst mögliche Dauer eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für kaufmännische Angestellte in Handelsgewerben (Handelsgehilfen) von zwei Jahren vor. Dieses nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist zudem an eine Vielzahl weiterer Bedingungen geknüpft.

In der Möglichkeit, eine nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung bezüglich rechtmäßig erlangter Informationen auf zwei Jahre zu begrenzen, sah das Landesarbeitsgericht ausreichenden Schutz für den Arbeitgeber. Die Vereinbarung einer lebenslangen Verschwiegenheitspflicht stelle daher eine wesentliche Abweichung von gesetzgeberischen Grundgedanken dar und sei unwirksam. Der Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers wurde daher in der zweiten Instanz zurückgewiesen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist rechtskräftig.  

Das Urteil des LAG Köln im Volltext

Was geschieht mit unzulässigen AGB-Klauseln?

Eine nur teilweise Unwirksamkeit oder richterliche Anpassung von einzelnen Vertragsklauseln kommt nicht in Betracht.  Aus Gründen der Missbrauchsvorbeugung gilt im AGB-Recht ein sogenanntes Verbot geltungserhaltender Reduktion. Eine unwirksame Klausel ist damit insgesamt unwirksam. Es gilt folglich ausschließlich die Gesetzeslage.

Weitere Informationen zum AGB-Recht

Welche Voraussetzungen müssen arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln erfüllen?

Der Fall zeigt, dass gesetzliche Vorgaben zum Wettbewerbsverbot aus §§ 74 ff. HGB zumindest mittelbar Berücksichtigung in der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen finden können. Auch wenn der Arbeitnehmer nur ausnahmsweise Handelsgehilfe im Sinne des Handelsgesetzbuches sein dürfte, können gesetzgeberische Vorgaben aus diesem Bereich auch die gerichtliche Wertung einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers beeinflussen. Verschwiegenheitsvereinbarungen in AGB sind nur unter der Bedingung rechtmäßig, dass sie keine unbillige Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Arbeitnehmers beinhalten. Nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen von mehr als zwei Jahren Dauer dürften daher – solange keine finanzielle Kompensation gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgt – in der Regel unzulässig sein.

Noch strengere Anforderungen sind an nachvertragliche Wettbewerbsverbote in AGB zu stellen. Denn mit Wettbewerbsverboten geht eine noch größere Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit einher als mit Verschwiegenheitsverpflichtungen.

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Der Auskunftsanspruch vor dem Bundesarbeitsgericht

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ging es um die Reichweite des Auskunftsanspruchs eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach Art. 15 DSGVO (BAG, Urteil v. 27. April 2021 – 2 AZR 342/20). Der Arbeitnehmer verlangte u.a. die Erteilung von Datenkopien der ihn betreffenden E-Mails, in denen sein Name vorkam. Zuvor verlangte der aus dem Angestelltenverhältnis ausscheidende Wirtschaftsjurist Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Arbeitgeberin. Diese Auskunft wurde ihm erteilt.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht wies die auf Erteilung von Datenkopien gerichtete Klage des ehemaligen Arbeitnehmers wegen mangelnder Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO zurück. Aus Sicht des Gerichtes war es der Klage nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen, von welchen E-Mails der Kläger Datenkopien herausverlangte. Eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist daher nicht ergangen.

In der Vorinstanz gab das niedersächsische Landesarbeitsgericht der Klage zwar teilweise statt, lehnte den geltend gemachten Herausgabeanspruch hinsichtlich der E-Mails jedoch ab (LAG Hannover, Urt. v. 09.06.2020 – 9 Sa 608/19). Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind durchaus wegweisend: Der Anspruch nach § 15 Abs. 3 DSGVO soll auf die Erteilung einer Kopie der Daten beschränkt sein, die auch Gegenstand der nach § 15 Abs. 1 DSGVO begehrten Auskunft sein können. Der Schutzzweck der Norm sei gerade darauf ausgerichtet, dass der Auskunftsersuchende eine Überprüfung der ihn betreffenden Datenverarbeitungen vornehmen könne. E-Mails, die der Auskunftsersuchende selbst empfangen oder versendet hat, seien ihm ohnehin schon bekannt und daher nicht vom Anspruch umfasst. 

Zur Pressemitteilung des BAG – Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Die Entscheidung des LAG Hannover im Volltext

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Kündigung eines Arbeitnehmers bei verspäteter Anzeige fortdauernder Arbeitsunfähigkeit

Kündigungsrecht: Verspätete Anzeige einer Fortsetzungserkrankung durch Arbeitnehmer kann verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen

Nach neuer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsrecht kann die verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers nach nicht unverzüglich erfolgter Mitteilung über eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 07.05.2020 – 2 AZR 619/19).

Ein klagender Arbeitnehmer unterlag in letzter Instanz in einem Kündigungsschutzprozess. Er meldete die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit (also die Verlängerung seiner Krankschreibung) wiederholt erst nach Beginn der Kernarbeitszeit. Nach erfolgter Abmahnung wegen einer einschlägigen Pflichtverletzung erhielt er eine verhaltensbedingte Kündigung.

Woraus ergibt sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung?

Das Bundesarbeitsgericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit aus § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes ergibt. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – mitzuteilen. Die Regelung soll bezwecken, dass sich der Arbeitgeber auf das Fehlen des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers möglichst früh einstellen und erforderliche Maßnahmen ergreifen kann. Dies Grundsatz soll allgemein gelten und nicht in Abhängigkeit zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung stehen. Auf arbeitsvertragliche oder betriebsverfassungsrechtliche Regelungen kam es in diesem Fall daher nicht an.

Gibt es einen Unterschied zwischen Erstbescheinigung und Folgebescheinigung?

Das Bundesarbeitsgericht nimmt bei der Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen, keine Differenzierung zwischen der ersten Arbeitsunfähigkeit und daran anschließenden Fortsetzungserkrankungen vor. Es könne aus Sicht des Arbeitgebers nicht angenommen werden, dass eine Arbeitsunfähigkeit wahrscheinlich über die genannte voraussichtliche Dauer hinaus fortbestehen wird.

Wann rechtfertigt eine Pflichtverletzung eine Kündigung?

Ob die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten oder Nebenpflichten eine verhaltensbedingte Kündigung begründen kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Es ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Die Pflichtverletzung muss dazu führen, dass eine auf Dauer störungsfreie Erfüllung des Arbeitsvertrages in Zukunft nicht mehr erwartet werden kann. Oft wird es daher aus Arbeitgebersicht angezeigt sein, das Fehlverhalten zunächst abzumahnen.

Unsere erfahrenen Anwälte beraten ständig zu arbeitsrechtlichen Fragen und führen zahlreiche Prozesse vor den Arbeitsgerichten.

Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt mit uns auf, wenn unsere Unterstützung benötigt wird.

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VON ALLWÖRDEN begleiten Schreiber & Tholen Medizintechnik GmbH bei Veräußerung an GAT Group

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte begleiten Veräußerung der Schreiber & Tholen Medizintechnik GmbH an die Global Assistive Technology Group

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte haben die Verkäuferseite bei der Veräußerung der Schreiber & Tholen Medizintechnik GmbH beraten. Die Schreiber & Tholen Medizintechnik GmbH ist spezialisiert auf den Vertrieb medizintechnischer Anlagen und Geräte für den Bereich der Neurologie.

Die Veräußerung erfolgte an die Global Assistive Technology Group (GAT) mit Sitz in Heidelberg und wurde noch im Jahr 2020 vollzogen. Die Käuferseite wurde beraten durch die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt.

Hinweis

Sämtliche Mitteilungen über Mandate und Mandanten erfolgen ausschließlich nach Absprache mit den Betroffenen.

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Dr. Sebastian von Allwörden

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Mängelbeseitigungskosten beim Immobilienkauf – BGH bestätigt Ersatzfähigkeit auch ohne Durchführung der Mängelbeseitigung

Schadensersatz beim Immobilienkauf

Aktuelle Entscheidung des BGH vom 12.03.2021 – Immobilienkäufer können weiterhin fiktive Mängelbeseitigungskosten einklagen

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Immobilienkaufverträgen zuständige V. Zivilsenat des BGH hat heute entschieden, dass Käufer von Häusern oder Wohnungen bei Mängeln an der Immobilie weiterhin ihren Schadensersatz anhand der voraussichtlich entstehenden (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten berechnen können (Urteil vom 12.03.2021 – V ZR 33/19). Dies bedeutet, dass der Käufer eines Grundstücks im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung den Ersatz der für die Mängelbeseitigung voraussichtlich erforderlichen Kosten verlangen kann, unabhängig davon, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine divergierende Rechtsprechung zwischen verschiedenen Senaten des BGH zur Frage, ob fiktive, also bislang nicht aufgewendete Mängelbeseitigungskosten im Wege des Schadensersatzes eingeklagt werden können oder Mängelbeseitigungskosten erst eingeklagt werden können, wenn sie tatsächlich angefallen sind.

Die Vorgeschichte – Divergierende Rechtsprechung des V. und VII. Zivilsenats des BGH

Der VII. Zivilsenat des BGH hatte eine fiktive Schadensberechnung im Werk- und Architektenrecht mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 (Urteil vom 22. Februar 2018 – VI ZR 46/17) für das Werkvertragsrecht abgelehnt. Für (Immobilien-)Kaufverträge gingen die Rechtsprechung und auch der V. Zivilsenat des BGH hingegen bereits zuvor davon aus, dass der Käufer einer Immobilie fiktive Mängelbeseitigungskosten unabhängig davon einklagen kann, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. An dieser Rechtsprechung hat der V. Zivilsenat festgehalten.

Der Sachverhalt

Die Kläger hatten von dem Beklagten eine Eigentumswohnung erworben. Da es vor dem Verkauf Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung gab, die dem Verkäufer bekannt waren, wurde im notariellen Kaufvertrag aufgenommen, dass der Verkäufer verpflichtet ist, erneute Feuchtigkeitsschäden auf seine Kosten zu beheben, wenn es innerhalb eines bestimmten Zeitraums erneut zur Feuchtigkeitsbildung kommen sollte. Nach Übergabe der Wohnung trat dann erneut Feuchtigkeit in der Wohnung auf und die Kläger forderten den Beklagten auf, die Schäden zu beseitigen, was der Beklagte ablehnte. Mit ihrer Klage machten die Kläger voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten abzüglich der Umsatzsteuer sowie ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend und wollten zusätzlich festgestellt wissen, dass der Beklagte ihnen weitere, im Zusammenhang mit der Feuchtigkeitsbildung entstehende Schäden ersetzen muss.

Die Entscheidungsgründe

Der V. Zivilsenat des BGH hob in seiner Entscheidung die Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht hervor. Für den Käufer einer Immobilie ist es nach Auffassung des Senats unzumutbar, die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorzufinanzieren, denn anders als im Werkvertragsrecht sieht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht keinen Vorschussanspruch für den Käufer einer Immobilie vor.

Deshalb kann der Käufer einer Immobilie bereits vor Ausführung der Mängelbeseitigungsarbeiten auch zukünftig seinen Schadensersatzanspruch einklagen – allerdings ohne die Umsatzsteuer. Diese kann als Zahlungsanspruch erst eingeklagt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). Insoweit kann der Käufer allerdings mit einem Feststellungsantrag gerichtlich feststellen lassen, dass der Verkäufer ihm weitere Schäden aus dem Schadensereignis ersetzen muss.

Die zunächst angedachte Vorlage der Frage, ob fiktive Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz statt der Leistung eingeklagt werden können, an den Großen Zivilsenat des BGH ist nach dem heutigen Urteil nicht mehr erforderlich, da die Divergenz zwischen den beiden Senaten mit den Besonderheiten des Kauf- und Werkvertragsrecht gerechtfertigt werden kann.

Die Entscheidung bringt Klarheit und Rechtssicherheit für die Käufer von Immobilien und ist zu begrüßen.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie gern bei immobilienrechtlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit Immobilienkaufverträgen.

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Verdachtskündigung im Arbeitsrecht – neue Entwicklungen in der Rechtsprechung

Entwicklungen zur Verdachtskündigung

Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen unterliegt stetigen Entwicklungen. Dieser Beitrag behandelt eine aktuelle Rechtsfortbildung im Zusammenhang mit Verdachtskündigungen.

Verdachtskündigung oder Tatkündigung?

Die Verdachtskündigung durch einen Arbeitgeber unterscheidet sich grundlegend von der Tatkündigung: Während die arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen bei einer Tatkündigung erwiesen und aus Sicht des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess nachweisbar sein müssen, erfolgt eine Verdachtskündigung auf eine bloße Vermutung, also auf den „Verdacht“ hin, der Arbeitnehmer habe sich ein erhebliches Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen. Denn schon der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung kann unter Umständen einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen, wenn dadurch die Vertrauenswürdigkeit und die persönliche Eignung eines Arbeitsnehmers derart beeinträchtigt werden, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfristen zu beenden.

Welche Voraussetzungen hat eine Verdachtskündigung?

Eine wirksame Verdachtskündigung setzt zunächst voraus, dass ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht besteht. Dieser Verdacht muss „dringend“ sein, es muss also eine große Wahrscheinlichkeit dafürsprechen, dass der Verdacht zutrifft. Dies wird zumindest dann nicht der Fall sein, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung alternative Erklärungen für das Geschehen in Betracht kommen. In der Praxis ist es daher regelmäßig erforderlich, dass Arbeitgeber so gut wie möglich eine Sachverhaltsaufklärung betreiben.

Weiterhin muss der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu dem Tatverdacht angehört werden. Es muss eine Gelegenheit geboten werden, sich – im Sinne einer Unschuldsvermutung – zu den konkreten Vorwürfen zu äußern und entlastende Umstände vorzutragen. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt eine Darstellung des aufklärungsbedürftigen Sachverhaltes gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer voraus.

Der Verdacht muss sich zudem auf eine erhebliche Pflichtverletzung beziehen. Es stellt sich daher die Frage, ob eine fristlose Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt wäre, wenn der zugrundeliegende Verdacht der Wahrheit entspräche und beweisbar wäre.

Was wurde zur Verdachtskündigung entschieden?

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu dieser Thematik positioniert (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.12.2019 – 7 Sa 557/19). Dabei ging es um die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters der Parkraumbewirtschaftung, der verdächtigt wurde, rechtswidrige Vorteile durch unberechtigtes Erschleichen von Anwohnerparkausweisen erlangt zu haben.

In ausdrücklicher Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 31.01.2019 – 2 AZR 426/18) wurde die Verdachtskündigung als personenbedingte und nicht als verhaltensbedingte Kündigung qualifiziert. Denn wie auch bei einer personenbedingten Kündigung wegen einer Langzeiterkrankung handelt es sich um einen Grund, der in der Person des Arbeitnehmers liegt, da als Begründung ein mutmaßliches und nicht ein erwiesenen Verhalten dient. Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass sich die Dringlichkeit eines Verdachts aus dem Vorliegen mehrerer ähnlich gelagerter Unregelmäßigkeiten ergeben kann.

Darüber hinaus nahm das Landesarbeitsgericht eine datenschutzrechtliche Abwägung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen vor. Der gekündigte Arbeitnehmer verteidigte sich im Kündigungsschutzprozess unter Berufung auf § 26 Bundesdatenschutzgesetz mit dem Argument, dass seine personenbezogenen Daten nicht im Rahmen der Sachverhaltsermittlung hätten ausgewertet werden dürfen. Das Landesarbeitsgericht sprach dem Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung zu, da Tatsachen vorlagen, die einen Anfangsverdacht begründeten. Dadurch wird klargestellt, dass die erforderliche Sachverhaltsermittlung und -auswertung durch den Arbeitgeber nicht ohne Weiteres unter Berufung auf Persönlichkeits- und Datenschutzrechte des Arbeitnehmers untergraben werden kann.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts können Sie hier im Volltext lesen (openJur-Urteilsdatenbank).

Hier finden Sie weitere Informationen zum Arbeitsrecht und hier weitere Beiträge zu aktuellen Entscheidungen im Arbeitsrecht.

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Das neue Wettbewerbsrecht für 2021

Das deutsche Wettbewerbsrecht wurde durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs umfassend reformiert. Der erste Gesetzesentwurf der Bundesregierung wurde schon 2019 vorgestellt. Die Gesetzesänderungen traten im Dezember 2020 in Kraft. Von den Änderungen betroffen sind u.a. das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) und das Urheberrechtsgesetz (UrhG). Vorrangiger Zweck der Gesetzesreform ist die Eindämmung rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen, die insbesondere im Zusammenhang mit Internethandel in den vergangenen Jahren ein großes Ausmaß angenommen haben.

Der folgende Beitrag verschafft einen Überblick über die wesentlichsten Veränderungen im Wettbewerbsrecht:

Wer darf künftig noch abmahnen?

Mitbewerber sind nach der neuen Gesetzeslage nur noch zur Abmahnung berechtigt, wenn sie Waren oder Dienstleistungen in nicht nur unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen. Damit wurden die Anforderungen an die sogenannte Aktivlegitimation deutlich verschärft. Denn zuvor ist es nach dem früheren Gesetzeswortlaut jedem Mitbewerber möglich gewesen, Ansprüche aus dem UWG geltend zu machen. Dies führte in der Praxis nicht selten zu „Scheinhändlern“, die über Plattformen wie Ebay nur dem Anschein nach ein Geschäft betrieben, in Wahrheit aber in Kooperation mit Anwaltskanzleien vornehmlich Einnahmen durch Abmahnungen anderer Händler generierten.

Die Berechtigung rechtsfähiger Verbände, Abmahnungen auszusprechen, wurde ebenfalls deutlich eingeschränkt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind nur noch Verbände aktivlegitimiert, die in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste ist zur Gewährleistung bestmöglicher Transparenz im Internet veröffentlicht. Verbände müssen nunmehr u.a. mindestens 75 Mitgliedsunternehmen haben, über ein Mindestmaß an personeller, sachlicher und finanzieller Ausstattung verfügen und seit mindestens einem Jahr vor Aufnahme in die Liste eine Verbandstätigkeit tatsächlich ausgeübt haben.

Wann ist eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich?

Schon nach bisheriger Rechtslage konnten Abmahnungen, die ausschließlich im Kosteninteresse ausgesprochen wurden, rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sein. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs nun jedoch in § 8c UWG deutlicher definiert und durch die Aufnahme von Fallgruppen in das Gesetz Klarstellungen vorgenommen. So sind nach der Gesetzesänderung beispielsweise Abmahnungen, in denen ein unangemessen hoher Gegenstandswert angesetzt wird, mit denen überhöhte Vertragsstrafen verlangt werden oder mit denen eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird, die offensichtlich über die Rechtsverletzung hinausgeht, per se rechtsmissbräuchlich.

Wo darf noch geklagt werden?

Nach der alten Rechtslage kam der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ bei Wettbewerbshandlungen im Internet uneingeschränkt zur Anwendung. Denn Abmahnende konnten die Ansprüche aus dem UWG vor jedem Landgericht durchsetzen, in dessen Bezirk die unlautere Handlung begangen wurde. Da eine Werbung oder ein Verkaufsangebot im Internet (Facebook, Amazon, Ebay und Co.) bundesweit abrufbar ist, ist der „Erfolg“ der Handlung im juristischen Sinne stets überall in Deutschland eingetreten. Folglich ist jedes Landgericht gleichermaßen zuständig gewesen, was in der Praxis dazu führte, dass ein Händler aus Köln einen Konkurrenten aus München vor einem Gericht in Hamburg verklagten konnte.

Nach neuer Rechtslage gilt der „fliegende Gerichtsstand“ im Wettbewerbsrecht nicht mehr. So ist nunmehr nach § 14 Abs. 2 UWG das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die beklagte Partei ihren Sitz hat. Eine Ausnahme kann u.U. nur gelten, wenn ein örtlich begrenzter Kreis von potentiellen Kunden angesprochen wird. Dann kann alternativ auch im Bezirk der vorgenommenen Handlungen geklagt werden.

Die Landesregierungen sind nun ermächtigt, Sonderzuständigkeiten in den Bundesländern festzulegen und damit eine Zuständigkeitskonzentration herbeizuführen. So könnten künftig, sofern die Regierungen der Länder von der Ermächtigung Gebrauch machen, eines oder mehrere Landgerichte für mehrere Gerichtsbezirke in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten zuständig sein.

Welche Kosten dürfen mit einer Abmahnung geltend gemacht werden?

Die im Zusammenhang mit Abmahnungen entstehenden Kosten – die bisher bei berechtigten Abmahnungen stets von dem Abgemahnten getragen werden mussten – hängen der Höhe nach von dem zugrundeliegenden Gegenstandswert und – bei Folgeverstößen – auch von der Höhe der verlangten Vertragsstrafe ab. Der Gesetzgeber hat die folgenden grundlegenden Änderungen vorgenommen:

Abmahnkosten können künftig nur noch verlangt werden, wenn die Abmahnung den neuen formellen Anforderungen aus § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Nach dem neuen § 13 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung von Abmahnkosten eines Mitbewerbers im Bereich des E-Commerce ausgeschlossen, wenn es sich um einen bloßen Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten handelt oder, wenn Datenschutzverstöße abgemahnt werden.

Vertragsstrafen von mehr als EUR 1.000 dürfen gegenüber Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern nur noch verlangt werden, wenn es sich um „erhebliche“ Verstöße handelt.

Allgemeine Informationen zum Wettbewerbsrecht finden Sie hier: Wettbewerbsrecht.

Das aktuelle Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb können Sie hier abrufen: UWG.

Unsere Sozietät berät umfassend in wettbewerbs- und werberechtlichen Fragen und vertritt Sie im Bedarfsfall in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Sprechen Sie uns gern unverbindlich an.

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Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern – Kündigungsschutz: ja oder nein?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20) festgestellt, dass Crowdworker bei einer arbeitnehmertypischen Steuerung durch den Auftraggeber den Status eines Arbeitnehmers haben können. Ein Crowdworker hatte, nachdem er aus dem System eines Anbieters wegen Unstimmigkeiten ausgeschlossen wurde, eine Kündigungsschutzklage erhoben.

Was ist Crowdworking?

Unter dem Begriff „Crowdworking“ (auch „Crowdsourcing“ genannt) ist die Auslagerung einzelner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger Nutzer zu verstehen. Aufgaben eines Unternehmens werden – zumeist mittels einer App, über die man sich registrieren kann – zur Verfügung gestellt. Nutzer, also Crowdworker, können diese Aufgaben ausführen und erhalten nach dem jeweiligen vertraglichen Vergütungsmodell eine Entlohnung.

Verbreitet ist das Crowdworking beispielsweise im Zusammenhang mit der Vermietung von Fortbewegungsmitteln in Großstädten. So müssen E-Scooter in Sharing-Angeboten geladen und deren Standorte unter Umständen zur Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit verändert werden. Eine klassische Aufgabe für Crowdworker – ebenso wie die Kontrolle und Dokumentation einzelner Werbemaßnahmen im Einzelhandel.

Wann ist man Arbeitnehmer?

Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB sind Personen, die zur Erbringung weisungsgebundener und fremdbestimmter Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit durch einen Arbeitsvertrag verpflichtet sind.

Zu welcher Entscheidung ist das Bundesarbeitsgericht gekommen?

Das Landesarbeitsgericht München hatte den Arbeitnehmerstatus in der Vorinstanz zunächst verneint. Der Rahmenvertrag über die Nutzung einer App stelle keine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Crowdworkers zum Tätigwerden dar. Eine persönliche Abhängigkeit des Crowdworkers bestehe nicht, da er die App jederzeit löschen und das Vertragsverhältnis beenden könne.

Das Bundesarbeitsgericht sprach dem Crowdworker hingegen den Status eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers zu. Er habe – wie ein Arbeitnehmer – weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Eine Verpflichtung zur Annahme der angebotenen Aufgaben habe zwar nicht bestanden, die Organisationsstruktur des Portals sei aber – was für die Annahme eines Arbeitnehmerstatus ausreichen soll – auf eine kontinuierliche und persönliche Erledigung der Aufgaben durch eingearbeitete registrierte Crowdworker ausgerichtet.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie gern im Arbeitsrecht. Kontaktieren Sie uns jetzt unverbindlich!

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Markenanmeldung: Ein Leitfaden

Allein in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren mehr als 70.000 neue Marken jährlich zur Anmeldung gebracht. Beim Deutschen Patent- und Markenamt sind über 800.000 Marken registriert. Den größten Anteil der eingetragenen Marken machen Wortmarken und Wort-/Bildmarken aus.

Marken können einen erheblichen Teil des Wertes eines Unternehmens ausmachen. Markenrechtlicher Schutz kann im Falle juristischer Auseinandersetzungen von größter Bedeutung sein.

Den Markenanmeldern stellen sich dabei meistens ähnliche Fragen: Was könnte der Anmeldung meiner Marke entgegenstehen? Für welche Waren und Dienstleistungen benötigt das Unternehmen hinter der Marke rechtlichen Schutz? Ist die gewählte Bezeichnung unter markenrechtlichen Gesichtspunkten sinnvoll? Für welches Gebiet wird der Schutz benötigt? Und welche Kosten entstehen im Zusammenhang mit der Markenanmeldung?

Welche Markenbezeichnung sollte gewählt werden?

Die Entwicklung einer Marke wird oft von dem Motiv eines wirksamen Marketings geleitet. Dies ist im Grunde auch richtig. Neben dem Marketing müssen aber zwangsläufig auch juristische Aspekte bedacht werden. Denn die „schönste“ Marke ist unter Umständen wertlos, wenn eine Eintragung durch das Markenamt abgelehnt oder die Marke von anderen Markeninhabern erfolgreich „angegriffen“ wird. Schon bei der Wahl einer Bezeichnung oder eines Logos sollten daher auch rechtliche Überlegungen angestellt werden.

Wann melde ich eine Marke an?

Im Markenrecht gilt der Grundsatz, dass ältere Marken Vorrang gegenüber jüngeren Marken genießen. Das Prinzip „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ hat deshalb bei Markenanmeldungen Gültigkeit. Wird eine ähnliche oder identische Marke im selben Zeitraum angemeldet, kommt es schlicht auf den früheren Anmeldetag an. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, Markenanmeldungen nicht unnötig aufzuschieben und schon vor der markenmäßigen Verwendung einer Bezeichnung anzugehen. Idealerweise werden bei der Entwicklung einer Markenstrategie das behördliche Verfahren und die Widerspruchsfrist berücksichtigt, so dass eine Anmeldung etwa ein halbes Jahr vor der Aufnahme einer markenmäßigen Nutzung erfolgen kann.

Brauche ich eine deutsche oder eine europäische Marke?

Der geografische Schutzbereich einer Unionsmarke erstreckt sich automatisch auf sämtliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Gegenüber nationalen Markenrechten in den Mitgliedsstaaten sind Unionsmarken gleichwertig. Mit der Registrierung von Unionsmarken geht neben dem deutlich weitreichenderen Schutzgebiet allerdings auch eine erhöhte Kollisionsgefahr mit anderen Markenrechten einher.

Der Schutzbereich einer deutschen Marke ist – selbstredend – auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Je nach Geschäftsmodell und Erweiterungsperspektiven der Produkte, der geschäftlichen Tätigkeiten und der Vertriebsgebiete können eine deutsche Marke, eine Unionsmarke oder beide Marken nebeneinander das Mittel der Wahl sein.

Welche Rolle spielt das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis?

Durch das Verzeichnis der Waren und/oder Dienstleistungen wird der Schutzumfang einer Marke festgelegt. Das Verzeichnis ist zwar nicht allein, aber gleichwohl überwiegend für den Schutzumfang einer Marke maßgebend.

Bei der Erstellung von Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen sollten verschiedene Grundsätze Beachtung finden. So kann „weniger“ unter Umständen „mehr“ sein, wenn nämlich ein umfangreiches Verzeichnis höhere Kollisionsrisiken im Umfeld älterer Marken bedeutet. Es gilt zudem, dass Markenschutz durch die Registrierung umfangreicher Verzeichnisse nicht beliebig durch Markeninhaber reklamiert werden kann. Wird eine Marke nicht innerhalb der sogenannten Benutzungsschonfrist von fünf Jahren nach Ablauf der Widerspruchsfrist für die im Verzeichnis geführten Waren und Dienstleistungen auch tatsächlich genutzt, ist der markenrechtliche Schutz angreifbar.

Dem Kern der geschäftlichen Tätigkeit sollte bei der Erstellung eines Verzeichnisses oberste Priorität beigemessen werden. Gleichzeitig dürfen potentielle Ausweitungen des Tätigkeitsfeldes nicht unberücksichtigt bleiben. Nach den sogenannten Klassifikationen von Nizza werden Waren und Dienstleistungen in insgesamt 45 Klassen untergliedert. Die Zuordnung bestimmter Produkte oder Tätigkeiten in die richtige Klasse bereitet in der Praxis oftmals erhebliche Schwierigkeiten. Anwaltliche Beratung ist daher unter Umständen zur Vermeidung einer Registrierung „nutzloser“ Verzeichnisse sinnvoll.

Welche Hindernisse könnte es bei einer Markenanmeldung geben?

Im Markenrecht wird zwischen absoluten und relativen Schutzhindernissen unterschieden. Absolute Schutzhindernisse liegen vor, wenn die Marke wegen gesetzlicher Eintragungshindernisse nicht eintragungsfähig ist. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn es sich bei der Marke um eine geografische Herkunftsbezeichnung der um eine Bezeichnung mit rein beschreibender Wirkung handelt.

Relative Schutzhindernisse können hingegen in den Rechten anderer Marken- oder Kennzeicheninhabern liegen. Immer, wenn eine Verwechslungsgefahr gegenüber anderen Marken und Kennzeichen besteht, können relative Schutzhindernisse für eine Markenanmeldung und -nutzung hinderlich sein. Der Begriff der Verwechslungsgefahr unterliegt den Wertungen des Markenamtes und der Gerichte. Zur Feststellung oder Verneinung einer Verwechslungsgefahr wird – verkürzt dargestellt – geprüft, ob die angesprochenen Verkehrskreise die sich gegenüberstehenden Zeichen wegen Identität oder Ähnlichkeit gedanklich demselben Inhaber zuordnen oder wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen zwei Inhabern annehmen. Ob eine Verwechslungsgefahr im Einzelfall vorliegt, ist oft heftig umstritten und hängt von den Umständen des jeweiligen Konfliktes ab.

Was kostet eine Markenanmeldung?

Die Kosten einer Markenanmeldung hängen vom Umfang des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses und vom Schutzgebiet ab. Die Amtsgebühren einer Deutschen Marke mit drei Waren- und/oder Dienstleistungsklassen betragen EUR 300,00. Für eine europäische Marke mit drei Nizzaklassen werden demgegenüber Amtsgebühren in Höhe von EUR 1.150,00 erhoben. Für weitere Klassen werden in Deutschland je EUR 100,00 und auf europäischer Ebene je EUR 150,00 fällig.

Hinzu treten gegebenenfalls Anwaltskosten, wobei wir in der Regel ein Pauschalhonorar mit unseren Mandanten vereinbaren, dessen Höhe vom geschätzten Arbeitsaufwand und dem Umfang der Markenanmeldung abhängt.

Die Kosten nationaler Markenanmeldungen im inner- und außereuropäischen Ausland variieren stark und können auf Anfrage gern konkret benannt werden. In vielen Ländern (z.B. China und USA) arbeiten wir bei Bedarf mit dort niedergelassenen Korrespondenzanwälten zusammen.

Was passiert nach der Anmeldung?

Nach Einreichung der Anmeldung wird die Marke nach behördlicher Prüfung – sofern keine absoluten Eintragungshindernisse bestehen – in das Markenregister eingetragen und im Markenblatt veröffentlicht. Im Anschluss beginnt die sogenannte Widerspruchsfrist von drei Monaten zu laufen. Innerhalb dieser Frist können andere Markeninhaber im vereinfachten Verfahren Widerspruch gegen die Anmeldung erheben, wenn sie einen Konflikt mit ihren eigenen Rechten fürchten. Bei Widerspruchsverfahren handelt es sich um behördliche Verfahren, die im Vergleich mit gerichtlichen markenrechtlichen Auseinandersetzungen relativ kostengünstig sind.

Wie lange besteht markenrechtlicher Schutz?

Markenrechtlicher Schutz besteht sowohl in Deutschland als auch in Europa für zehn Jahre. Der Schutz kann beliebig oft verlängert werden. Mit der Verlängerung einer Marke fallen weitere Amtsgebühren an.

Zusammenfassung

Die Anmeldung einer Marke sollte gut durchdacht sein. Eine Marke einfach „blind“ zur Anmeldung zu bringen, funktioniert nur selten reibungslos. Zur Entwicklung einer Marke zählt die Gestaltung eines sinnvollen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ebenso wie eine Kollisionsrecherche zu identischen oder hochgradig ähnlichen Bezeichnungen. Dadurch können rechtliche Risiken weitestgehend im Voraus erkannt und spätere juristische Auseinandersetzungen oft vermieden werden. Eine anwaltliche Beratung ist dabei weder vorgeschrieben noch zwingend erforderlich. Gleichwohl können unsere erfahrenen Anwälte für Markenrecht mit Ihnen eine Markenstrategie entwickeln, Risiken einer Anmeldung analysieren und Ihre Ideen mit Ihnen in die richtigen „Bahnen“ lenken. Unsere Sozietät wird nach Anmeldung der Marke als Vertreter des Markeninhabers im öffentlichen Register geführt.

Anwaltskosten im Zusammenhang mit Markenanmeldungen erweisen sich in aller Regel als gute Investition. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an!

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LKW Maut seit 2005 zu hoch berechnet! Rückerstattungen für Speditionen möglich

Die deutsche LKW-Maut wurde laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Urt. v. 28.10.2020, Az. C-321/19, für in Teilen unzulässig befunden.

Hintergrund ist, dass die Mautgebühren nach europarechtlichen Vorgaben auf Grundlage der Infrastrukturkosten wie Instandhaltungs- und Betriebskosten für das betreffende Straßennetz berechnet werden dürfen. Bei der Mautberechnung in Deutschland wurden jedoch auch Kosten für die „Verkehrspolizei“ berücksichtigt. Diese Kosten seien aber nicht „Betriebskosten“ für das Straßennetz einzuordnen, sondern seien schlicht hoheitliche Tätigkeit der Bundesrepublik, die bei den Mautgebühren nicht eingerechnet werden dürfen, so der EuGH. Geklagt hatte eine Spedition aus Polen, die Mautgebühren zurückerstattet haben wollte. Das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster hat daraufhin die Frage nach der zulässigen Berechnungsgrundlage dem EuGH vorgelegt.

Die Vertreter der Bundesregierung hatten vor dem EuGH noch mit potentiell „schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen“ argumentiert, die durch die Mindereinnahmen entstehen könnten. Dem wollten der EuGH angesichts einer Einnahmen-Differenz von gut 200 Millionen Euro pro Jahr für die Kosten der Verkehrspolizei nicht folgen.

Speditionen sollten dringend – idealerweise noch im Dezember 2020 – ihre potentiellen Rückerstattungsansprüche prüfen oder prüfen lassen.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie gern im (internationalen) Handels- und Transportrecht.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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