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Der Auskunftsanspruch vor dem Bundesarbeitsgericht

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ging es um die Reichweite des Auskunftsanspruchs eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach Art. 15 DSGVO (BAG, Urteil v. 27. April 2021 – 2 AZR 342/20). Der Arbeitnehmer verlangte u.a. die Erteilung von Datenkopien der ihn betreffenden E-Mails, in denen sein Name vorkam. Zuvor verlangte der aus dem Angestelltenverhältnis ausscheidende Wirtschaftsjurist Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Arbeitgeberin. Diese Auskunft wurde ihm erteilt.

Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht wies die auf Erteilung von Datenkopien gerichtete Klage des ehemaligen Arbeitnehmers wegen mangelnder Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO zurück. Aus Sicht des Gerichtes war es der Klage nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen, von welchen E-Mails der Kläger Datenkopien herausverlangte. Eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist daher nicht ergangen.

In der Vorinstanz gab das niedersächsische Landesarbeitsgericht der Klage zwar teilweise statt, lehnte den geltend gemachten Herausgabeanspruch hinsichtlich der E-Mails jedoch ab (LAG Hannover, Urt. v. 09.06.2020 – 9 Sa 608/19). Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind durchaus wegweisend: Der Anspruch nach § 15 Abs. 3 DSGVO soll auf die Erteilung einer Kopie der Daten beschränkt sein, die auch Gegenstand der nach § 15 Abs. 1 DSGVO begehrten Auskunft sein können. Der Schutzzweck der Norm sei gerade darauf ausgerichtet, dass der Auskunftsersuchende eine Überprüfung der ihn betreffenden Datenverarbeitungen vornehmen könne. E-Mails, die der Auskunftsersuchende selbst empfangen oder versendet hat, seien ihm ohnehin schon bekannt und daher nicht vom Anspruch umfasst. 

Zur Pressemitteilung des BAG – Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Die Entscheidung des LAG Hannover im Volltext

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Kündigung eines Arbeitnehmers bei verspäteter Anzeige fortdauernder Arbeitsunfähigkeit

Kündigungsrecht: Verspätete Anzeige einer Fortsetzungserkrankung durch Arbeitnehmer kann verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen

Nach neuer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsrecht kann die verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers nach nicht unverzüglich erfolgter Mitteilung über eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 07.05.2020 – 2 AZR 619/19).

Ein klagender Arbeitnehmer unterlag in letzter Instanz in einem Kündigungsschutzprozess. Er meldete die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit (also die Verlängerung seiner Krankschreibung) wiederholt erst nach Beginn der Kernarbeitszeit. Nach erfolgter Abmahnung wegen einer einschlägigen Pflichtverletzung erhielt er eine verhaltensbedingte Kündigung.

Woraus ergibt sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung?

Das Bundesarbeitsgericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung einer Arbeitsunfähigkeit aus § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes ergibt. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – mitzuteilen. Die Regelung soll bezwecken, dass sich der Arbeitgeber auf das Fehlen des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers möglichst früh einstellen und erforderliche Maßnahmen ergreifen kann. Dies Grundsatz soll allgemein gelten und nicht in Abhängigkeit zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung stehen. Auf arbeitsvertragliche oder betriebsverfassungsrechtliche Regelungen kam es in diesem Fall daher nicht an.

Gibt es einen Unterschied zwischen Erstbescheinigung und Folgebescheinigung?

Das Bundesarbeitsgericht nimmt bei der Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen, keine Differenzierung zwischen der ersten Arbeitsunfähigkeit und daran anschließenden Fortsetzungserkrankungen vor. Es könne aus Sicht des Arbeitgebers nicht angenommen werden, dass eine Arbeitsunfähigkeit wahrscheinlich über die genannte voraussichtliche Dauer hinaus fortbestehen wird.

Wann rechtfertigt eine Pflichtverletzung eine Kündigung?

Ob die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten oder Nebenpflichten eine verhaltensbedingte Kündigung begründen kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Es ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Die Pflichtverletzung muss dazu führen, dass eine auf Dauer störungsfreie Erfüllung des Arbeitsvertrages in Zukunft nicht mehr erwartet werden kann. Oft wird es daher aus Arbeitgebersicht angezeigt sein, das Fehlverhalten zunächst abzumahnen.

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Verdachtskündigung im Arbeitsrecht – neue Entwicklungen in der Rechtsprechung

Entwicklungen zur Verdachtskündigung

Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen unterliegt stetigen Entwicklungen. Dieser Beitrag behandelt eine aktuelle Rechtsfortbildung im Zusammenhang mit Verdachtskündigungen.

Verdachtskündigung oder Tatkündigung?

Die Verdachtskündigung durch einen Arbeitgeber unterscheidet sich grundlegend von der Tatkündigung: Während die arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen bei einer Tatkündigung erwiesen und aus Sicht des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess nachweisbar sein müssen, erfolgt eine Verdachtskündigung auf eine bloße Vermutung, also auf den „Verdacht“ hin, der Arbeitnehmer habe sich ein erhebliches Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen. Denn schon der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung kann unter Umständen einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen, wenn dadurch die Vertrauenswürdigkeit und die persönliche Eignung eines Arbeitsnehmers derart beeinträchtigt werden, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfristen zu beenden.

Welche Voraussetzungen hat eine Verdachtskündigung?

Eine wirksame Verdachtskündigung setzt zunächst voraus, dass ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht besteht. Dieser Verdacht muss „dringend“ sein, es muss also eine große Wahrscheinlichkeit dafürsprechen, dass der Verdacht zutrifft. Dies wird zumindest dann nicht der Fall sein, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung alternative Erklärungen für das Geschehen in Betracht kommen. In der Praxis ist es daher regelmäßig erforderlich, dass Arbeitgeber so gut wie möglich eine Sachverhaltsaufklärung betreiben.

Weiterhin muss der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu dem Tatverdacht angehört werden. Es muss eine Gelegenheit geboten werden, sich – im Sinne einer Unschuldsvermutung – zu den konkreten Vorwürfen zu äußern und entlastende Umstände vorzutragen. Eine ordnungsgemäße Anhörung setzt eine Darstellung des aufklärungsbedürftigen Sachverhaltes gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer voraus.

Der Verdacht muss sich zudem auf eine erhebliche Pflichtverletzung beziehen. Es stellt sich daher die Frage, ob eine fristlose Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt wäre, wenn der zugrundeliegende Verdacht der Wahrheit entspräche und beweisbar wäre.

Was wurde zur Verdachtskündigung entschieden?

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu dieser Thematik positioniert (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.12.2019 – 7 Sa 557/19). Dabei ging es um die außerordentliche Kündigung eines Mitarbeiters der Parkraumbewirtschaftung, der verdächtigt wurde, rechtswidrige Vorteile durch unberechtigtes Erschleichen von Anwohnerparkausweisen erlangt zu haben.

In ausdrücklicher Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 31.01.2019 – 2 AZR 426/18) wurde die Verdachtskündigung als personenbedingte und nicht als verhaltensbedingte Kündigung qualifiziert. Denn wie auch bei einer personenbedingten Kündigung wegen einer Langzeiterkrankung handelt es sich um einen Grund, der in der Person des Arbeitnehmers liegt, da als Begründung ein mutmaßliches und nicht ein erwiesenen Verhalten dient. Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass sich die Dringlichkeit eines Verdachts aus dem Vorliegen mehrerer ähnlich gelagerter Unregelmäßigkeiten ergeben kann.

Darüber hinaus nahm das Landesarbeitsgericht eine datenschutzrechtliche Abwägung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen vor. Der gekündigte Arbeitnehmer verteidigte sich im Kündigungsschutzprozess unter Berufung auf § 26 Bundesdatenschutzgesetz mit dem Argument, dass seine personenbezogenen Daten nicht im Rahmen der Sachverhaltsermittlung hätten ausgewertet werden dürfen. Das Landesarbeitsgericht sprach dem Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung zu, da Tatsachen vorlagen, die einen Anfangsverdacht begründeten. Dadurch wird klargestellt, dass die erforderliche Sachverhaltsermittlung und -auswertung durch den Arbeitgeber nicht ohne Weiteres unter Berufung auf Persönlichkeits- und Datenschutzrechte des Arbeitnehmers untergraben werden kann.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts können Sie hier im Volltext lesen (openJur-Urteilsdatenbank).

Hier finden Sie weitere Informationen zum Arbeitsrecht und hier weitere Beiträge zu aktuellen Entscheidungen im Arbeitsrecht.

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Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern – Kündigungsschutz: ja oder nein?

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einer aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20) festgestellt, dass Crowdworker bei einer arbeitnehmertypischen Steuerung durch den Auftraggeber den Status eines Arbeitnehmers haben können. Ein Crowdworker hatte, nachdem er aus dem System eines Anbieters wegen Unstimmigkeiten ausgeschlossen wurde, eine Kündigungsschutzklage erhoben.

Was ist Crowdworking?

Unter dem Begriff „Crowdworking“ (auch „Crowdsourcing“ genannt) ist die Auslagerung einzelner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger Nutzer zu verstehen. Aufgaben eines Unternehmens werden – zumeist mittels einer App, über die man sich registrieren kann – zur Verfügung gestellt. Nutzer, also Crowdworker, können diese Aufgaben ausführen und erhalten nach dem jeweiligen vertraglichen Vergütungsmodell eine Entlohnung.

Verbreitet ist das Crowdworking beispielsweise im Zusammenhang mit der Vermietung von Fortbewegungsmitteln in Großstädten. So müssen E-Scooter in Sharing-Angeboten geladen und deren Standorte unter Umständen zur Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit verändert werden. Eine klassische Aufgabe für Crowdworker – ebenso wie die Kontrolle und Dokumentation einzelner Werbemaßnahmen im Einzelhandel.

Wann ist man Arbeitnehmer?

Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB sind Personen, die zur Erbringung weisungsgebundener und fremdbestimmter Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit durch einen Arbeitsvertrag verpflichtet sind.

Zu welcher Entscheidung ist das Bundesarbeitsgericht gekommen?

Das Landesarbeitsgericht München hatte den Arbeitnehmerstatus in der Vorinstanz zunächst verneint. Der Rahmenvertrag über die Nutzung einer App stelle keine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Crowdworkers zum Tätigwerden dar. Eine persönliche Abhängigkeit des Crowdworkers bestehe nicht, da er die App jederzeit löschen und das Vertragsverhältnis beenden könne.

Das Bundesarbeitsgericht sprach dem Crowdworker hingegen den Status eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers zu. Er habe – wie ein Arbeitnehmer – weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Eine Verpflichtung zur Annahme der angebotenen Aufgaben habe zwar nicht bestanden, die Organisationsstruktur des Portals sei aber – was für die Annahme eines Arbeitnehmerstatus ausreichen soll – auf eine kontinuierliche und persönliche Erledigung der Aufgaben durch eingearbeitete registrierte Crowdworker ausgerichtet.

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Zum Auskunftsanspruch des Arbeitgebers nach Kündigung

Mit neuerem Urteil vom 27. Mai 2020, welches kürzlich veröffentlicht wurde, hat das Bundesarbeitsgericht einem Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch gegenüber einem gekündigten Arbeitnehmer zugesprochen (BAG Az. 5 AZR 387/19). Dem Auskunftsbegehren lag die Frage zugrunde, ob der Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Bemühungen angestellt hat, einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen. Konkret wurde Auskunft über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit verlangt.

Zum Hintergrund: Steht am Ende eines Kündigungsschutzprozesses ein rechtskräftiges Urteil, mit dem die Kündigung für unwirksam erklärt wird, so befindet sich der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung für den Zeitraum zwischen dem Ende der Kündigungsfrist (oder bei einer fristlosen Kündigung dem Tag der Kündigung) und dem Urteilsspruch in Verzug. Nach allgemeinem Dienstvertragsrecht ist im Falle eines Annahmeverzugs des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer der vereinbarte Lohn zu zahlen, obwohl keine Dienste erbracht wurden. Nach § 11 des Kündigungsschutzgesetzes muss sich allerdings der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm für die Zeit nach der Entlassung geschuldet wird, anrechnen lassen, was er durch eine anderweitige Tätigkeit in diesem Zeitraum verdient hat. Einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers in Bezug auf tatsächlich durch anderweitige Tätigkeiten erzielte Einkünfte des Arbeitnehmers haben die Gerichte bisher in aller Regel zugesprochen.

Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer sich auch das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Bei Arbeitnehmern, die im oben genannten Zeitraum tatsächlich keiner anderweitigen Beschäftigung nachgegangen sind, stellt sich daher regelmäßig die Frage, ob sie denn einer Beschäftigung hätten nachgehen können und dies böswillig unterlassen haben. Meistens wird es Arbeitgebern schwerfallen, Anhaltspunkte dafür zu finden, dass der entlassene Arbeitnehmer es böswillig unterlassen hat, einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte vor diesem Hintergrund einen Fall zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber Auskunft darüber forderte, welche Vermittlungsangebote der entlassene Arbeitnehmer in der Zwischenzeit von der Agentur für Arbeit erhalten hat. Der Auskunftsanspruch wurde dem Arbeitgeber mit der Begründung zugesprochen, dass die Agentur für Arbeit gesetzlich zur Vermittlung Arbeitssuchender verpflichtet sei und Arbeitssuchende ebenso verpflichtet seien, Vermittlungsangeboten nachzugehen. Eine Auskunft der Agentur für Arbeit könne der Arbeitgeber wegen des Sozialgeheimnisschutzes nicht einholen. Die Einschaltung eines Detektivs sei unverhältnismäßig. Der Arbeitnehmer müsse daher über Vermittlungsangebote unter Darlegung der angebotenen Tätigkeit, Arbeitszeit und Vergütung eine Auskunft erteilen.

Ob der arbeitgeberseitige Auskunftsanspruch sich neben unterbreiteten Vermittlungsvorschlägen der Agentur für Arbeit auch auf Bewerbungen des Arbeitnehmers erstreckt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls könnten zahlreiche der Qualifikation des Arbeitnehmers entsprechende öffentliche Stellenangebote indizieren, dass der Arbeitnehmer sich hätte bewerben können.

Unsere Anwälte in Stade beraten ständig zu arbeitsrechtlichen Themen. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an.

Kurzarbeit – Ein Überblick

Neben vielen weiteren arbeitsrechtlichen Themen kommt der Kurzarbeit eine ganz besondere Relevanz während der Corona-Pandemie zu. Der folgende Beitrag informiert über die wichtigsten Fakten im Zusammenhang mit Kurzarbeit.

Hintergrund

Kurzarbeit ist ein Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen in konjunkturschwachen Wirtschaftsphasen. Entfallen in Betrieben Aufträge oder Absatzmöglichkeiten, geht damit ein Einbruch der benötigten Arbeitsleistung einher. Bei angeordneter Kurzarbeit wird der Arbeitnehmer zeitweise von seiner Arbeitspflicht ganz oder teilweise befreit. Dafür entfällt im Gegenzug ganz oder teilweise die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Lohnes. Der Arbeitnehmer erhält – über seinen Arbeitgeber – eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit. Arbeitnehmer ohne Kinder erhalten 60%, Arbeitnehmer mit Kindern 67% des entgangenen Nettolohnes. Der Sozialversicherungsschutz bleibt bestehen.

Um Arbeitsplätze vorerst zu sichern, kann Kurzarbeit unter Umständen eine sehr sinnvolle Alternative zum betriebsbedingten Stellenabbau sein. Betroffene Arbeitnehmer behalten ihren Job und die Arbeitgeber können, wenn die Auftragslage sich verbessert, sofort wieder auf die bewährten Arbeitskräfte zugreifen. Kurzarbeit kann für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten beantragt werden.

Wer ist antragsberechtigt?

Grundsätzlich haben nach den §§ 95 ff. SGB III alle sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist deshalb unabhängig von Betriebsgröße oder Branche jedem Arbeitgeber mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten möglich. Allerdings darf das monatliche Bruttoeinkommen des betroffenen Arbeitnehmers nach Verkürzung der Arbeitszeit und des Entgelts EUR 6.900,00 (West) bzw. EUR 6.450,00 (Ost) nicht überschreiten.

Welche Voraussetzungen müssen für Kurzarbeit erfüllt sein?

Die Beantragung von Kurzarbeitergeld bei der Bundesagentur für Arbeit setzt voraus, dass der Arbeitsausfall im betroffenen Unternehmen unvermeidbar ist. Daraus folgt, dass Überstunden, Zeitguthaben und Resturlaub in der Regel zunächst „abgebaut“ werden müssen, bevor ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld entstehen kann.

Der Arbeitsausfall mit Entgeltausfall beim Arbeitnehmer muss zudem „erheblich“ sein und auf wirtschaftlichen Gründen beruhen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn eine vorübergehende und nicht vermeidbare „Veränderung der betrieblichen Strukturen“ vorliegt, die durch die „allgemeine wirtschaftliche Entwicklung“ bedingt ist. Sind bestimmte Industriezweige durch einen Einbruch der Wirtschaft und einen dadurch bedingten Rückgang der Auftragslage betroffen, dürften diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sein. Gleiches gilt für einen Wirtschaftseinbruch infolge von Pandemien. Die wirtschaftlichen Gründe sind im Antrag glaubhaft darzulegen.

Es besteht grundsätzlich kein Recht des Arbeitgebers, Kurzarbeit einseitig anzuordnen. Dazu bedarf es vielmehr einer Rechtsgrundlage, die sich aus Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben kann. Wurde kein Anordnungsrecht des Arbeitgebers vereinbart, bedarf es einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, so bestimmt dieser bei der Anordnung von Kurzarbeit grundsätzlich mit.

Durch das im März 2020 in Kraft getretene Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld soll es Unternehmen vereinfacht werden, Zugang zum Kurzarbeitergeld zu erhalten. Ist mindestens ein Zehntel der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen, soll dies ausreichen. In „normalen Zeiten“ müsste mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein. Arbeitgeber erhalten Sozialversicherungsbeiträge nun vollumfänglich erstattet. Außerdem soll es nicht erforderlich sein, dass die betroffenen Arbeitnehmer zuvor Minusstunden angesammelt haben. Kurzarbeitergeld kann nun außerdem auch für Leiharbeitnehmer beantragt werden.

Was passiert mit Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers während der Kurzarbeit?

Seitens der Bundesagentur für Arbeit wird nicht verlangt, dass der Jahresurlaub aus dem laufenden Kalenderjahr bis zum 31. Dezember 2020 zur Vermeidung oder Reduzierung von Kurzarbeit „eingesetzt“ wird. Gleichwohl kann der Jahresurlaub im Verhältnis zur Kürzung der Arbeitszeit reduziert werden.

Wird während angeordneter Kurzarbeit Urlaub genommen, haben Arbeitnehmer ihren normalen Anspruch auf volles Urlaubsentgelt. Eine Kürzung des Urlaubsentgelts im Verhältnis zur Kürzung des Arbeitsentgelts findet nicht statt. Möglich ist hingegen eine Kürzung der Anzahl der Urlaubstage. Ob eine Verringerung des Anspruchs auf Erholungsurlaub automatisch eintritt oder eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung erforderlich ist, wurde bis dato nicht abschließend gerichtlich geklärt.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten von Kurzarbeit betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gern in arbeitsrechtlichen Fragen.

Arbeitsrecht in der „Corona-Krise“

Arbeitsrecht in der Corona-Krise

Die aktuelle Krise durch die Corona-Pandemie wirft vielfältige juristische Fragestellungen auf. Einen besonders stark betroffenen Bereich stellt das Arbeitsrecht dar. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen in dieser Ausnahmezeit vor großen Herausforderungen. Im Folgenden informieren wir über einige grundlegende arbeitsrechtliche Fragen, wobei wir uns auf das aus unserer Sicht momentan Relevanteste konzentriert haben.

Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Die grundsätzlichen Pflichten des Arbeitgebers zur Lohnzahlung und des Arbeitnehmers zur Verrichtung der ihm übertragenen Tätigkeiten bleiben von der Corona-Krise zunächst vollkommen unberührt. Weder kann ein Arbeitgeber seine Beschäftigten unter Berufung auf die Epidemie ohne Lohnzahlung „nach Hause“ schicken noch können Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung verweigern und gleichzeitig Lohnzahlung verlangen. Die bloße Befürchtung, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, begründet kein Recht der Arbeitnehmer, von der Betriebsstätte fern zu bleiben. Bleiben Arbeitnehmer gleichwohl fern, könnte dieses Verhalten Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bewegen.

Die Befolgung einer Weisung des Arbeitgebers, eine bestimmte Tätigkeit an einem bestimmten Ort zu verrichten oder sich auf eine Geschäftsreise zu begeben, kann nur bei konkreter Gesundheitsgefährdung verweigert werden. Ob eine solche Gesundheitsgefährdung gegeben ist, muss im Einzelfall bewertet werden. Allein der Umstand, dass bestimmte Orte oder Tätigkeiten mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden sind, begründet wohl noch keine konkrete Gesundheitsgefährdung. Anders mag dies im Einzelfall zu beurteilen sein, wenn Arbeitnehmer z.B. unter einer Vorerkrankung leiden, die sie als Risikoperson qualifizieren.

Sind bestimmte Tätigkeiten mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden, greift die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber. Arbeitsort und -tätigkeit sind nach Möglichkeit so zu gestalten, dass Risiken minimiert werden. Pauschale Definitionen, was ein Arbeitgeber in welcher Situation tun muss, sind jedoch nicht möglich, da die denkbaren Sachverhalte hier zu vielgestaltig sind.

Kommt der Verdacht auf, dass einzelne Arbeitnehmer mit dem Virus infiziert sind, können Arbeitgeber diese Beschäftigten unter Lohnfortzahlung freistellen, wenn andernfalls eine mutmaßliche Gesundheitsgefährdung anderer Mitarbeiter oder der Kunden besteht.

Es gilt die auch von Seiten der Politik kommunizierte Devise, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Krisenzeit gemeinsam nach einvernehmlichen Lösungen suchen sollten.

Heimarbeit und Kinderbetreuung

Ein Anspruch auf Heimarbeit besteht auch in Zeiten der Corona-Epidemie grundsätzlich nicht, wenn nicht arbeits- oder tarifvertraglich etwas Abweichendes vereinbart ist. Dies gilt sowohl aus Perspektive des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann Home-Office nicht einseitig anordnen, da er sonst die Privatwohnung seiner Beschäftigten zur Betriebsstätte „umwandeln“ würde. Arbeitnehmer haben demgegenüber keinen gesetzlichen Anspruch darauf, von zu Hause aus arbeiten zu dürfen. Heimarbeit muss folglich im Einvernehmen erfolgen.

Für erwerbstätige Eltern stellen die mit der Corona-Epidemie zusammenhängenden Schließungen von Schulen und Kindergärten eine ganz besondere Herausforderung dar. Kinderbetreuung ist grundsätzlich Sache der Eltern. Ist die persönliche Kinderbetreuung erforderlich, kann darin ein Grund für eine unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers liegen. Das Gesetz sieht für diesen Fall vor, dass der Vergütungsanspruch bestehen bleibt. Allerdings greift die Regelung aus § 616 BGB nur, wenn es sich um eine „nicht erhebliche Zeit“ handelt. Die Gerichte gehen in der Regel von höchstens einer Woche aus. Jedenfalls muss dem Arbeitgeber die Verhinderung sofort mitgeteilt werden.

Insbesondere bei angestellten Eltern betreuungsbedürftiger Kinder setzt die Politik deshalb auf einvernehmliche und konstruktive Lösungen, beispielsweise durch die Schaffung flexibler Arbeitszeitmodelle oder die Einführung von Heimarbeit.

Urlaubssperre, Zwangsurlaub und Urlaubsstornierung

Arbeitgeber können nach dem Bundesurlaubsgesetz Urlaubssperren verhängen, wenn dies wegen „dringlicher betrieblicher Belange“ erforderlich ist. Sind beispielsweise viele der Beschäftigten arbeitsunfähig oder in Quarantäne, könnte dies eine Urlaubssperre für die gesunden Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung des Betriebs rechtfertigen. Gibt es einen Betriebsrat, so muss dieser einer Urlaubssperre zustimmen.

Verlangsamt sich der Betrieb – etwa, weil Aufträge ausbleiben – trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko, keine Beschäftigung mehr für seine Arbeitnehmer zu haben. Die Anordnung von „Zwangsurlaub“ ohne Lohnzahlung ist vor diesem Hintergrund nicht ohne weiteres möglich.

Arbeitnehmer, die ihren bereits gebuchten Urlaub nun infolge der Reisebeschränkungen nicht mehr antreten können, haben hingegen dieses Risiko zu tragen. Erholung im Sinne des Bundesurlaubsgesetztes ist auch in der privaten Wohnung möglich. Genommener Urlaub kann nicht einseitig durch einen Arbeitnehmer „storniert“ werden.

Verordnete Quarantäne und Arbeitsunfähigkeit

Es gilt der einfache Satz: Arbeitsunfähigkeit ist Arbeitsunfähigkeit. Daran und an der möglicherweise im Arbeitsvertrag konkretisierten Verpflichtung, sich arbeitsunfähig zu melden und ein ärztliches Attest vorzulegen, hat die Corona-Krise nichts geändert. Die Attestpflicht könnte durch die Belastungen des Gesundheitssystems jedoch praktisch aufgehoben werden, wenn es Arbeitnehmern nicht mehr möglich ist, eine Krankschreibung einzuholen.

Nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer, die sich in behördlich verordneter Quarantäne befinden, eine staatliche Entschädigung. Arbeitgeber zahlen – wie auch bei anderen Formen der Arbeitsunfähigkeit – sechs Woche den Lohn fort. Eine Entschädigung in Höhe der ausgezahlten Beträge kann im Nachgang von der zuständigen Behörde (in der Regel das örtlich zuständige Versorgungs- oder Gesundheitsamt) verlangt werden.

Entschädigungen für eine verordnete Quarantäne erhalten nach dem Infektionsschutzgesetz im Übrigen auch Selbstständige.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten ständig zu arbeitsrechtlichen Themen. Bei Fragen stehen wir Ihnen auch telefonisch (04141 80 299 20) und per E-Mail (office@va-ra.com) gern zur Verfügung.

Zur Vergütungshöhe bei nachträglichem Arbeitnehmerstatus (Scheinselbstständigkeit)

Es kommt nicht selten vor, dass freie Mitarbeiter oder die Rentenversicherung den arbeits- oder sozialgerichtlich den Status eines Arbeitnehmers bzw. eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten feststellen lassen. Für den Dienstherrn hat eine solche Feststellung empfindliche Folgen: In aller Regel hat der Dienstherr, der nun wider Willen Arbeitgeber ist, nachträglich Sozialabgaben und Lohnsteuern für den vermeintlich selbstständigen (also „scheinselbstständigen“) Mitarbeiter in beträchtlicher Höhe zu entrichten.

Die neue Entscheidung
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun entschieden hat, gehen für den freien Mitarbeiter, dem eine Arbeitnehmereigenschaft zugesprochen wird, nicht nur positive Wirkungen einher (vgl. BAG Urteil vom 26.06.2019 – 5 AZR 178/18). Denn der übliche Lohn eines Arbeitnehmers wird in aller Regel deutlich unterhalb der Entlohnung eines freien Mitarbeiters liegen. In Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BAG wurde nun klargestellt, dass die für das freie Dienstverhältnis individuell vereinbarte Vergütungshöhe nicht als maßgeblich für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis angesehen werden kann, wenn keine von dem Arbeitnehmer darzulegenden Anhaltspunkte für eine Vergütung in gleicher Höhe sprechen.

Geklagt hatte die Arbeitgeberin eines IT-Mitarbeiters. Die Deutsche Rentenversicherung ließ auf Initiative des Mitarbeiters nach über acht Jahren „freier Mitarbeit“ nachträglich die Beschäftigteneigenschaft des Mitarbeiters feststellen. Anschließend verlangte die Arbeitgeberin teilweise Rückzahlung der geleisteten Vergütung. Im Ergebnis wurde ihr ein Rückzahlungsanspruch wegen zu viel entrichteten Entgelts in Höhe von über EUR 100.000 zugesprochen. Denn nach Dienstvertragsrecht wird eine „übliche Vergütung“ geschuldet, die bei Arbeitnehmern wegen der mit einem Arbeitsverhältnis einhergehenden Sicherheiten (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Anspruch auf Erholungsurlaub, Kranken- und Sozialversicherung) in aller Regel deutlich geringer ausfällt als bei freien (selbstständigen) Mitarbeitern.

Dass die auf Rückzahlung gerichtete Klage der Arbeitgeberin mehr als fünf Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben wurde, sollte dem Anspruch nicht entgegenstehen. Das BAG wies die Einrede der Verjährung mit der Begründung zurück, dass die Arbeitgeberin zunächst die sozialgerichtliche Feststellung des Beschäftigtenstatus, die sich über mehrere Instanzen erstreckte, abwarten konnte. Denn die Erhebung einer verjährungshemmenden Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht war der Arbeitgeberin vor rechtskräftiger (sozialgerichtlicher) Feststellung des Beschäftigtenstatus nicht zumutbar. Sie hätte ihrer eigenen Rechtsauffassung zuwider in einem Parallelverfahren argumentieren müssen.

Bedeutung für die Praxis
Insbesondere in der IT-Branche und bei Unternehmensgründern ist der Zugriff auf freie und selbstständige Mitarbeiter sehr beliebt. Freie Mitarbeiter können deutlich flexibler und projektbezogen eingesetzt werden. Zudem kommt ihnen kein Kündigungsschutz zu und sie können meistens fristlos jederzeit entlassen werden. Die Vergütung freier Mitarbeiter wird zwar häufig höher sein als bei Arbeitnehmern. Mangels Lohnnebenkosten ist der tatsächliche finanzielle Aufwand für den Dienstherrn aber meistens nicht höher als bei der abhängigen Beschäftigung von Arbeitnehmern.

Der Dienstleistende hat zwar keine sozialversicherungsrechtliche Absicherung, wird aber im Regelfall einen deutlich höheren Anteil seiner Vergütung auch tatsächlich zu seiner Verfügung haben.

Die Entscheidung des BAG zeigt einmal mehr, dass die nachträgliche Feststellung des Status eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gut überlegt sein sollte. Wer nachträglich den Schutz des Sozialversicherungssystems in Anspruch nehmen möchte, muss mit Lohnrückforderungen seines früheren Dienstherrn rechnen.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten zu allen Fragen des Dienstvertrags- und Arbeitsrechts. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an.

Arbeitnehmererfindervergütung: Offenlegung von Unternehmenskaufvertrag kann verlangt werden

Ein mittlerweile verrenteter Arbeitnehmer, der bei seinem ehemaligen Arbeitgeber ein Getriebe für Windkraftanlagen erfunden hat, war vor dem LG Mannheim (Urteil vom 19.11.2019 – 2 O 2/19, rechtskräftig) mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Offenlegung eines Unternehmenskaufvertrags erfolgreich.

Die maßgebliche Getriebe-Sparte des Arbeitgebers wurde im Jahr 2015 an ein anderes Unternehmen veräußert. Der Erfinder verlangte vor dem Landgericht nun Offenlegung des damals geschlossenen Unternehmenskaufvertrags, da er nur so die Angemessenheit seiner Arbeitnehmererfindervergütung (§ 9 Abs. 1 Arbeitnehmererfindungsgesetz) beurteilen könne.

Das Landgericht Mannheim verurteilte den Getriebehersteller daraufhin zu einer umfassenden Offen- und Rechnungslegung hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Werte des erfundenen Getriebes. Dazu gehört auch die Offenlegung des Unternehmenskaufvertrags aus dem Jahr 2015.

Der Getriebehersteller setzte sich mit Geheimhaltungsinteressen zur Wehr, die unter anderem aus vertraglichen Geheimhaltungspflichten (NDA) in dem Unternehmenskaufvertrag selbst resultieren sollten. Dieses Vorbringen des ehemaligen Arbeitgebers erfolgte jedoch erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Mannheim und war damit prozessual verspätet.

Selbst bei rechtzeitigem Vorbringen wäre jedoch fraglich, ob eine solche Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer in einem Unternehmenskaufvertrag ausreicht, um den Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch des Arbeitnehmererfinders abzuwehren – grundsätzlich sind vertragliche Regelungen, die Benachteiligungen Dritter bewirken, welche nicht selbst Vertragspartei sind, nämlich gegenüber diesen Dritten unwirksam („keine Verträge zulasten Dritter“).

Diese aktuelle Entscheidung zeigt erneut, wie wichtig eine fundierte rechtliche Beratung im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmererfinderrecht – gerade bei Unternehmen, die selbst im Bereich der Entwicklung tätig sind – ist.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten Sie gern zu Fragen rund um das Arbeitnehmererfinderrecht sowie Themen im Bereich Forschung und Entwicklung (Research & Development).

Direktionsrecht des Arbeitgebers: Welche Weisungen dürfen erteilt werden?

Was bedeutet „Direktionsrecht“ des Arbeitgebers und wo ist es geregelt?

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers – auch Weisungsrecht genannt – ergibt sich aus der Gewerbeordnung (GewO). Nach § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die genaue Reichweite dieses Direktionsrechts des Arbeitgebers beschäftigt ständig die Arbeitsgerichte.

Was darf der Arbeitgeber alles bestimmen? Auch Äußerlichkeiten wie Kleidung, Frisur oder das Tragen von Kopftüchern?

Im Bereich des Pflegepersonals hat eine neuere Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen für etwas Klarheit gesorgt (Urteil v. 21.02.2019 – Az. 1 Ca 1909/18). Mit der Untersagung, während der Arbeitszeit künstliche Fingernägel, lackierte Fingernägel oder lange Fingernägel zu tragen, sei das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen des billigen Ermessens ausgeübt worden. Denn das Interesse der Bewohner eines Pflegeheims am Schutz des körperlichen Wohlbefindens und der Gesundheit überwiege gegenüber den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer. Dass eine effektive Handhygiene durch Desinfektionen nur bei natürlichen, unlackierten und kurzen Fingernägeln gewährleistet werden kann, gelte aufgrund verschiedener Untersuchungen als erwiesen.

Wenn es keine Dienstkleidung gibt, obliegt die Wahl der privaten Bekleidung aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen grundsätzlich den Arbeitnehmern. Missfällt einem Arbeitgeber die private Kleidung seiner Arbeitnehmer während der Arbeitszeit, kann er unter Umständen das Tragen bestimmter Kleidung untersagen. Dabei muss allerdings ein notwendiger Zusammenhang zwischen der auszuübenden Tätigkeit und dem Erscheinungsbild des Arbeitnehmers bestehen. Eine rechtmäßige Direktion hinsichtlich privater Kleidung setzt daher regelmäßig voraus, dass die Tätigkeit ein bestimmtes Erscheinungsbild aus triftigen Gründen erfordert.

Ein solches Erfordernis liegt nach früherer Rechtsprechung nicht vor, wenn eine Verkäuferin in einem Kaufhaus ein islamisches Kopftuch trägt (BAG, Urteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 472/01). Der Europäische Gerichtshof hat hingegen einen Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie für den Fall verneint, dass ein privater Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mit direktem Kundenkontakt das Tragen weltanschaulicher Zeichen verboten hat (EuGH, Urteil vom 14.03.2017 – C-157/15). Das Bundesarbeitsgericht hat aktuell einen ähnlichen Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt (BAG, Vorlagebeschluss v. 30.1.2019 – 10 AZR 299/18). Einer Angestellten in einem Drogeriemarkt wurde das Tragen eines Kopftuches untersagt. Es muss u.a. die Frage geklärt werden, ob ein Verbot eines Arbeitsgebers, auffällige und großflächige weltanschauliche, religiöse oder politische Zeichen zu tragen, bei europarechtskonformer Auslegung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zulässig ist. Dem Recht der Religionsausübungsfreiheit steht das Recht auf eine unternehmerische Politik der Neutralität gegenüber.

Über die Gestaltung von Haaren und Bärten können – solange keine Vorschriften des Arbeitsschutzes entgegenstehen – Arbeitnehmer im Hinblick auf Ihre Persönlichkeitsrechte grundsätzlich selber entscheiden.

Wie wird die Rechtmäßigkeit der Weisung des Arbeitgebers geklärt?

Die Rechtmäßigkeit einer Weisung ist im Streitfall regelmäßig durch den Arbeitgeber darzulegen. Eine unrechtmäßige Direktion des Arbeitgebers, z.B. durch eine unbillige Versetzung des Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort, muss nach neuerer Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr befolgt werden (BAG, Beschluss v. 14.09.2017 – 5 AS 7/17).

Insofern weicht das höchste Arbeitsgericht von seiner früheren Rechtsauffassung ab, nach der ein Arbeitnehmer eine unbillige Weisung, wenn diese nicht aus anderen Gründen unwirksam war, zunächst bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über deren Unbilligkeit befolgen musste. Die neue Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat zur Folge, dass Abmahnungen und Kündigungen, die der Arbeitgeber wegen der Nichtbeachtung einer unbilligen Weisung ausspricht, unberechtigt sind.

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte berät Sie gern in sämtlichen Fragen des Arbeitsrechts.

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