Skip to main content

Autor: Mailin Witt

Das Gesellschafterdarlehen: Risiken, steuerrechtliche Stolperfallen und Gestaltungsoptionen

Das Gesellschafterdarlehen: 

Risiken, steuerrechtliche Stolperfallen und Gestaltungsoptionen

Gesellschafterdarlehen sind in der Praxis ein häufig genutztes Mittel zur Finanzierung der eigenen Gesellschaft – insbesondere in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Doch wer als Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft ein Darlehen gewährt, sollte die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen genau kennen.


Worauf ist bei einem Gesellschafterdarlehen zu achten?

Unser Steuerrechtsexperte Titus Wolf klärt auf:

1.Rangrücktritt

Ein Rangrücktritt ist insbesondere bei krisenbehafteten Gesellschaften wichtig. Der Gesellschafter erklärt hierbei, dass sein Rückzahlungsanspruch hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger zurücktritt. Das kann entscheidend sein, um eine bilanzielle Überschuldung zu vermeiden. Der Rangrücktritt muss dabei rechtssicher formuliert sein und sollte auch Zinsansprüche umfassen, um insolvenzrechtlich anerkannt zu werden. Im Gegensatz zu einem echten Forderungsverzicht führt ein Rangrücktritt grundsätzlich nicht zur Umqualifizierung der Darlehensforderung von Fremd- in Eigenkapital. Er bleibt daher steuerlich neutral. Damit diese Steuerneutralität gewährleistet ist, fordert der Bundesfinanzhof jedoch, dass die Rückzahlung des Darlehens nicht ausschließlich davon abhängig gemacht wird, ob die Gesellschaft künftig Gewinne erzielt oder bei einer Liquidation ein Überschuss verbleibt. Andernfalls sieht das Finanzamt keine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung mehr, wodurch die Verbindlichkeit in der Steuerbilanz gewinnwirksam aufzulösen wäre – ein steuerpflichtiger Ertrag entsteht, obwohl tatsächlich kein Geldzufluss erfolgt. Um dies zu vermeiden, muss der Rangrücktritt zusätzlich vorsehen, dass die Rückzahlung auch aus sonstigem freiem Vermögen der Gesellschaft erfolgen kann. Nur dann bleibt die Verbindlichkeit bilanziell bestehen, und die steuerliche Neutralität ist gesichert. Daher ist bei der Formulierung eines Rangrücktritts größte Sorgfalt geboten, um steuerliche Nachteile zu vermeiden.

2. Steuerliche Auswirkungen bei Unverzinslichkeit

Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein unverzinsliches Darlehen, hat dies steuerlich entscheidende Konsequenzen. Da keine Zinsen verlangt werden, fehlt in der Regel die Einkünfteerzielungsabsicht. Das bedeutet: Der Gesellschafter strebt mit dem Darlehen keinen steuerpflichtigen Ertrag an.

Kommt es später zum Ausfall des Darlehens – etwa durch Insolvenz der Gesellschaft –, kann der Verlust steuerlich nicht berücksichtigt werden. Denn ohne die Absicht, Einkünfte zu erzielen, fehlt die Grundlage für die Anerkennung eines steuerlich relevanten Verlusts im Bereich der Kapitaleinkünfte.

Aus steuerrechtlicher Sicht ist es daher empfehlenswert, bei Gesellschafterdarlehen zumindest eine marktübliche Verzinsung zu vereinbaren. Nur so besteht die Möglichkeit, spätere Verluste steuerlich geltend zu machen.


Was passiert bei einem Ausfall des Darlehens durch Insolvenz?

FG Düsseldorf Urteil vom 27.09.2024 (AZ: 3 K 3054/20 E) und BFH Urteil vom 27.10.2020 (AZ: X R 5/20)

Fällt ein Darlehen infolge der Insolvenz des Schuldners endgültig aus, kann der Darlehensgeber den Verlust grundsätzlich steuerlich geltend machen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Bundesfinanzhof (BFH) erkennt solche Verluste nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG an, sofern feststeht, dass keine Rückzahlungen mehr zu erwarten sind. Dies ist in der Regel erst der Fall, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen oder die Forderung als wertlos eingestuft wurde.

Entscheidend ist jedoch, ob das Darlehen mit der Absicht vergeben wurde, Einkünfte zu erzielen. Diese sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht wird bei verzinslichen Darlehen grundsätzlich vermutet, kann aber bei unverzinslichen oder eigenkapitalähnlichen Darlehen widerlegt werden. Besonders streng wird dies bei mittelbaren Beteiligungen gehandhabt, wie das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 27.09.2024 (3 K 3054/20 E) klarstellt: Dort wurde der Verlust aus einem unverzinslichen Gesellschafterdarlehen bei mittelbarer Beteiligung nicht anerkannt, da keine Einkünfteerzielungsabsicht erkennbar war. Auch ein Gesamtbetrachtungsansatz, der andere Einkunftsquellen wie Dividenden einbezieht, wurde abgelehnt.

Fazit: Bei einem Darlehensausfall infolge Insolvenz ist der steuerliche Abzug möglich, aber nur, wenn das Darlehen auf Gewinnerzielung angelegt war. Unverzinsliche Darlehen – insbesondere bei mittelbaren Beteiligungen – bergen hier ein hohes steuerliches Risiko.


Verzicht oder Debt-to-Equity Swap?

Ein einfacher Forderungsverzicht kann helfen, die Bilanz der Gesellschaft zu entlasten – steuerlich hat dies jedoch nur dann Vorteile, wenn er mit einem Rangrücktritt kombiniert wird oder im Einzelfall als Einlage gewertet wird.

Eine Alternative zum endgültigen Verzicht ist der sogenannte Dept-to-Equity Swap (Schuldenbeteiligungstausch): Dabei wird das Darlehen in Eigenkapital umgewandelt, also z.B. in eine Kapitalerhöhung eingebracht. Die Vorteile dessen sind die Stärkung der Eigenkapitalbasis sowie  bessere Außenwirkung gegenüber Kreditgebern. 


Fazit: Ohne rechtliche und steuerliche Beratung riskant

Gesellschafterdarlehen sind nicht per se problematisch – aber rechtlich und steuerlich sensibel. Ob Verzinsung, Rangrücktritt, steuerliche Behandlung oder Sanierungsinstrumente wie ein Debt-to-Equity Swap: Die Risiken sind vielfältig.

Unser Rat: Bevor ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen gewährt, sollte er sich unbedingt anwaltlich und steuerlich beraten lassen. Nur so lässt sich vermeiden, dass aus einer gut gemeinten Finanzierung ein steuerliches oder insolvenzrechtliches Risiko wird.

Hier Kontakt aufnehmen mit der Kanzlei von Allwörden

Titus Wolf, B. Sc.

Rechtsanwalt | Partner

Zum Profil

Weiterlesen

Hohe Anforderungen an Nichtzulassungsbeschwerden – BFH bestätigt konsequente Linie:

Hohe Anforderungen an Nichtzulassungsbeschwerden
BFH bestätigt konsequente Linie:

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Mai 2025 (Az. V B 60/23)

Titus Wolf, Partner der Kanzlei von Allwörden Rechtsanwälte, verfügt über langjährige Erfahrung und tiefgehendes Spezialwissen im Umgang mit Nichtzulassungsbeschwerden vor dem BFH.

Hohe Anforderungen – niedrige Erfolgsquote: Die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof (BFH), dem höchsten deutschen Finanzgericht mit Sitz in München, stellt selbst für erfahrene Anwälte eine besondere argumentative Herausforderung dar. Unser Partner, Titus Wolf, ist Steuerrechtsexperte und spezialisiert auf Nichtzulassungsbeschwerden und Revisionsverfahren vor dem BFH. Aus Anlass des jüngsten BFH-Beschlusses vom 30. Mai 2025 (Az. V B 60/23) zu den hohen Anforderungen an die Begründung einer solchen Beschwerde, gibt Herr Wolf im Folgenden einen Überblick über die Hintergründe der Entscheidung, die konkreten Hürden gemäß § 115 Abs. 2 FGO und die Bedeutung für die Praxis.

Sachverhalt:

Dem Beschluss lag ein umsatzsteuerrechtlicher Fall zugrunde, den das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg vom 29.06.2023 12 K 1080/23, nv.) zuvor entschieden hatte. Die Klägerin machte im Streitjahr einen Vorsteuerabzug geltend, obwohl die ordnungsgemäße Rechnung erst im Folgejahr ausgestellt wurde. Sowohl sie als auch der leistende Unternehmer hatten irrtümlich angenommen, dass die Rechnung bereits korrekt vorlag. Das Finanzamt (im Folgenden: Beschwerdeführer) versagte den Vorsteuerabzug und setzte Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO fest.

Das Finanzgericht erkannte jedoch einen gemeinsamen Rechtsirrtum beider Unternehmer und erließ die Zinsen aus Billigkeitsgründen. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Das Finanzamt legte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH ein.

Die konkreten Hürden gemäß § 115 Abs. 2 FGO

Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurück und machte erneut deutlich, welch hohen Anforderungen an die Begründung einer solchen Beschwerde gestellt werden:

  1. Keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO):
    Die vom Finanzamt formulierte Rechtsfrage war nach Auffassung des BFH einzelfallabhängig und nicht verallgemeinerungsfähig. Sie sei daher nicht klärungsbedürftig im Allgemeininteresse und eigne sich nicht zur Zulassung der Revision.
  2. Keine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO):
    Der BFH sah keine inhaltliche Abweichung zu anderen höchstrichterlichen Entscheidungen. Es wurde kein tragender Rechtssatz aus einer Vergleichsentscheidung dargelegt, der im Widerspruch zur angegriffenen Entscheidung steht. Außerdem zog der Beschwerdeführer vergleichsweise Entscheidungen heran, die nach der Entscheidung des vorinstanzlichen Finanzgerichtes ergangen waren und fand damit kein rechtliches Gehör beim BFH.
  3. Formale Begründungsmängel:
    Die Argumentation des Finanzamts blieb unspezifisch und nicht hinreichend konkret, insbesondere in Bezug auf die Darlegung eines abstrakten, revisiblen Rechtsproblems. Die Beschwerde genügte somit nicht den Darlegungsanforderungen des § 115 FGO.

Bedeutung für die Praxis

Der BFH-Beschluss bestätigt die fortwährend strenge Linie der Rechtsprechung bei Nichtzulassungsbeschwerden. Die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe sind hoch und setzen juristische Argumentation auf höchstem Niveau voraus. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nur mit sorgfältig ausgearbeiteter, substanzreicher Begründung erfolgversprechend. Pauschale Hinweise auf Fehler im Ausgangsurteil oder vermeintliche Rechtsfragen genügen regelmäßig nicht. Das bedeutet: Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegt, muss genau aufzeigen, welche revisible Rechtsfrage im Streit steht, warum sie grundsätzlich klärungsbedürftig ist und inwiefern eine Abweichung zur höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht. Es geht dabei nur noch um Rechtsfragen, da der BFH keine Tatsacheninstanz ist und sich auf die tatsächlichen Feststellungen der vorinstanzlichen Gerichte verlässt.

Ausblick: Eine vielfach erhoffte Absenkung der Anforderungen oder eine Lockerung der Zulassungsvoraussetzungen ist auch mit dieser Entscheidung nicht erkennbar.

Von Allwörden Rechtsanwälte – Ihr erfahrender Berater für Nichtzulassungsbeschwerden vor dem BFH

Während Sie vor dem Finanzgericht noch selbständig auftreten konnten, herrscht vor dem Bundesfinanzhof Anwaltszwang, was bedeutet, dass Sie für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde immer anwaltlich vertreten werden müssen.

Titus Wolf, Partner der Kanzlei von Allwörden Rechtsanwälte, verfügt über langjährige Erfahrung und tiefgehendes Spezialwissen im Steuerrecht. Er weiß aus Praxis und Prozessführung: Die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde hängen maßgeblich von der Qualität und Präzision der juristischen Argumentation ab.

Sprechen Sie uns gerne an, damit wir für Sie realistisch die Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde prüfen und Ihre Interessen mit Nachdruck und fachlicher Tiefe vor dem Bundesfinanzhof vertreten.

Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BFH: Kontakt mit Titus Wolf aufnehmen

Weiterlesen

Ersetzt KI bald die anwaltliche Beratung?

Ersetzt KI bald die anwaltliche Beratung?

ChatGPT in der Rechtsberatung:

Vor den Amtsgerichten sowie Arbeits- und Finanzgerichten herrscht kein Anwaltszwang, was bedeutet, dass jede Person eigenständig vor Gericht auftreten und ihre Interessen ohne anwaltliche Vertretung wahrnehmen kann. In Zeiten von künstlicher Intelligenz ersetzen immer mehr Menschen die professionelle anwaltliche Beratung durch Tools wie Chat GPT und Co. Mittlerweile bietet das Unternehmen Open AI mit dem Tool Anwalt GPT sogar explizite juristische Beratung für deutsches Recht an. Dessen Benutzung kann fatale Folgen haben, weiß unser Rechtsanwalt Enno von Helldorff aus der Beratungspraxis und dem Arbeitsalltag vor Gericht: „Immer öfter entstehen skurrile Situationen, wenn Parteien ohne fachkundige juristische Begleitung versuchen, ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen und sich dabei lieber auf künstliche Intelligenz verlassen als auf einen Anwalt.“

Fragt man ChatGPT, ob künstliche Intelligenz die individuelle Rechtsberatung beim Anwalt ersetzen kann, erhält man folgende erstaunlich selbstreflektierte Antwort:

„Was KI (noch) nicht ersetzen kann:

  1. Individuelle Rechtsberatung:
    Jeder Fall ist anders. Eine fundierte juristische Einschätzung erfordert Kontext, strategisches Denken und das Abwägen von Risiken – das kann derzeit nur ein Mensch leisten.
  2. Verhandlungsführung & Strategie:
    Ob im Strafrecht, Familienrecht oder Wirtschaftsrecht: Taktik, Menschenkenntnis und Erfahrung sind entscheidend – das ist keine rein datenbasierte Aufgabe.
  3. Empathie & Vertrauensverhältnis:
    Besonders in sensiblen Bereichen (z. B. Sorgerecht, Strafverteidigung) ist die menschliche Komponente zentral.
  4. Haftung & Verantwortung:
    Ein Anwalt haftet für seine Beratung – eine KI nicht. Bei falscher Beratung durch KI ist die Rechtsdurchsetzung problematisch.“


Gefahr von Halluzinationen: Das Erfinden von Fakten, die in Wahrheit nicht existieren

Fragt ein juristischer Laie Chat GPT nach der Lösung für ein rechtliches Problem, erhält der Anwender komplexe Antworten und die dazugehörigen Quellen in Sekundenschnelle. Eine Leistung, für die ein Anwalt einige Zeit benötigt, weil er Vergleichsrechtsprechung recherchiert, Gerichtsurteile liest und Parallelen ausmacht. Auf den ersten Blick eine großartige Leistung, die Chat GPT in einem Bruchteil der Zeit vollbringt und mit der Angabe von Quellen vermeintliche Sicherheit bietet. Wenn die KI quellenbasierte Antworten gibt, wird wohl stimmen, was als Lösung präsentiert wird – könnte man meinen. Aber genau dort liegt ein großes Problem. Chat GPT erfindet juristische Quellen und bezieht sich auf Gerichtsurteile, die es gar nicht gibt. Dieses Vorgehen nennt man im Kontext von KI Halluzination. Ein juristischer Laie kann diese täuschend echte Zitierung nur schwer erkennen, weil er den zur Verifizierung notwendigen Zugriff auf die oftmals dazu erforderlichen juristischen Datenbanken nicht besitzt.


KI: Kein Zugriff auf juristische Datenbanken oder die anhängige Akte bei Gericht

Anwalt GPT soll was die Halluzination von Gerichtsurteilen und Quellen angeht optimiert sein und keine falschen Zitierungen mehr auswerfen. Verifiziert ist diese Verbesserung allerdings bisher noch nicht vollumfänglich. Genauso wie der juristische Laie hat aber auch Anwalt GPT keinen Zugriff auf die juristischen Datenbanken wie beck-online und juris, die der Anwalt für die Recherche von vergleichsweise heranzuziehender Rechtsprechung verwendet. Anwalt GPT kann lediglich öffentlich zugängliche Gerichtsurteile auswerten, die nur einen Bruchteil der ergangenen Urteile darstellen. Damit tun sich eklatante Wissenslücken für die künstliche Intelligenz auf, die weitreichende Folgen haben kann: Der Anwalt GPT-Verwender vertraut der ungenauen Einschätzung der künstlichen Intelligenz und kann mitunter mit unerwarteten Konsequenzen konfrontiert werden, weil die AI nicht alle Folgen im Blick hat. Ebenso ist es der AI nicht möglich, Akteneinsicht bei Gericht zu verlangen. Dies ist dem Anwalt vorbehalten und kann auch nicht durch den Mandanten selbst geschehen. Alleine dafür lohnt sich der Gang zum juristischen Experten.  


Datenschutzrechtliche Herausforderungen: Vorsicht beim Teilen sensibler Informationen

Jegliche Informationen, die Chat GPT zugeführt werden, landen automatisch auf Servern in den USA, die von Open AI, der Firma hinter Chat GPT, mitgelesen werden können und dort enthaltene Informationen zur Weiterentwicklung ihrer Dienste nutzen darf. Das birgt die Gefahr, dass sich die vom Verwender eingespeisten Informationen in den Antworten anderer Nutzer wiederfinden. Denn genau so funktioniert die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz: Chat GPT wird fortwährend auf der Basis der eingeführten umfangreichen Datenmengen trainiert, sodass es in seinen Antworten die Informationen anderer Nutzer potenziell reproduziert. Das wird dann problematisch, wenn Chat GPT sensible personenbezogene Informationen zugeführt oder Geschäftsgeheimnisse geteilt werden.

Unser Tipp: Personenbezug vermeiden

Nutzen Sie Chat GPT für die Bewertung eines tatsächlichen Sachverhaltes, sollten Sie unbedingt darauf achten, keine sensiblen Daten, wie beispielsweise vollständige Namen, mit einzuführen.


Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Zwar kann es dem Mandanten einen ersten hilfreichen Überblick bieten, wenn er sein juristisches Anliegen zunächst mit der künstlichen Intelligenz bespricht und darüber Informationen einholt. Gleichzeitig bietet dieses Vorgehen die Gefahr, das Vertrauensverhältnis zum später konsultierten Anwalt zu belasten, wenn der Mandant auf die Lösungsansätze der künstlichen Intelligenz vertraut und von ihrer juristischen Korrektheit überzeugt ist. Dabei ist das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aber besonders sensibel. Der Anwalt muss sich darauf verlassen können, dass der Mandant offen über alle relevanten Informationen eines Sachverhaltes spricht, während der Mandant darauf vertrauen muss, dass sein Anliegen mit fachlicher Kompetenz, Diskretion und in seinem besten Interesse vertreten wird. Wird dieses Verhältnis durch vorgefasste Meinungen oder falsche Erwartungen gestört, kann dies nicht nur die Qualität der anwaltlichen Beratung beeinträchtigen, sondern auch die Effizienz und Effektivität der Mandatsbearbeitung negativ beeinflussen. Es ist daher von großer Bedeutung, dass Mandanten frühzeitig erkennen, dass künstliche Intelligenz zwar unterstützend wirken kann, jedoch keine individuelle, verantwortungsbewusste Rechtsberatung durch einen qualifizierten Volljuristen ersetzen kann.


Unser Fazit:

Schnell wird deutlich, dass Künstliche Intelligenz ein Hilfsmittel sein kann, den Gang zum Anwalt jedoch keinesfalls ersetzt. Die von KI generierten Ergebnisse bedürfen stets einer kritischen Prüfung, was für juristische Laien ohne Fachkenntnisse kaum zu leisten ist. Insbesondere die Kombination aus rechtlicher Expertise, strategischem Urteilsvermögen und persönlicher Verantwortung bleibt unersetzbar. Der Anwaltsberuf ist, zumindest gegenwärtig, nicht durch KI ersetzbar. Wie sich die Technologie künftig entwickelt, bleibt mit Spannung zu beobachten. Bis dahin bleibt es bei dem altbekannten und bewährten Vorgehen: Check, re-check, double-check.

Vertrauen Sie lieber unserer langjährigen Expertise im Umgang mit rechtlichen Fragestellungen. Wir unterstützen Sie fundiert, persönlich und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl für die individuelle Situation Ihres Anliegens. Unsere anwaltliche Beratung basiert nicht auf Algorithmen, sondern auf Erfahrung, juristischer Präzision und dem Anspruch, Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten und durchzusetzen.

Kontakt aufnehmen mit der Kanzlei von Allwörden

Rechtsanwalt Enno von Helldorff

Enno von Helldorff

Rechtsanwalt | Associate

Zum Profil

Weiterlesen

Wir gratulieren unserer Mandantin der Deutsche Beteiligungs AG (DBAG) zu ihrem Investment in die FinMatch AG

Im Rahmen ihrer Long-Term Investment-Strategie hat DBAG erfolgreich eine neue Investition aus eigenen Bilanzmitteln getätigt und eine bedeutende Minderheitsbeteiligung an der in Stuttgart ansässigen FinMatch AG erworben. Das Unternehmen betreibt eine digitale Plattform, die mittelständische Unternehmen mit einem Netzwerk von über 1.000 Finanzierungspartnern verbindet, ​womit bereits Finanzierungsprojekte mit einem Gesamtvolumen im zweistelligen Milliardenbereich erfolgreich begleitet wurden.

Wir freuen uns, mit unserer Expertise in der Tax Due Diligence zum Erfolg dieser Transaktion beigetragen zu haben und bedanken uns bei allen Beteiligten für die angenehme Zusammenarbeit.

Niedrig verzinstes Darlehen für Familienmitglieder: Achtung Schenkungssteuer

Niedrig verzinstes Darlehen für Familienmitglieder: Achtung Schenkungssteuer

Der BFH konkretisiert die Bewertung von Zinsvorteilen als freigiebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

BFH, Urt. vom 31. Juli 2024 (Az. II R 20/22)

Ihr Experte für Steuerrecht klärt auf: 

Darlehen, die Familienmitgliedern gewährt werden, kommen in der steuerlichen Gestaltungspraxis regelmäßig vor. Oftmals werden dabei Zinssätze vereinbart, die deutlich unter dem marktüblichen Niveau liegen, beispielsweise 1 % pro Jahr. Achtung, das birgt schenkungssteuerrechtliche Risiken, wie der BFH in seinem Urteil vom 31. Juli 2024 (Az. II R 20/22) nun klarstellt:

Sachverhalt:

In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Schwester ihrem Bruder ein Darlehen über 1,875 Mio. € zu einem Zinssatz von 1 % p.a. gewährt. Nach den damaligen Statistiken der Deutschen Bundesbank lag der marktübliche Zinssatz für vergleichbare Darlehen bei 2,81 %. Das Finanzamt sah darin eine gemischte Schenkung in Höhe der eingesparten Zinsen. Dieser Einschätzung schloss sich der BFH an.

Kernaussagen des BFH in seinem Urteil:

  1. Die Darlehensgewährung zu Zinskonditionen, die unter dem marktüblichen Niveau liegen, stellt eine gemischte Schenkung dar (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der entgeltliche Teil sei das tatsächlich gezahlte Entgelt (1 % Zinsen), der unentgeltliche Teil bestehe im Verzicht auf den marktüblichen Zins – hier konkret die Differenz von 1,81 % p.a.
  2. Der Zinsvorteil sei jährlich zu ermitteln und als laufende freigebige Zuwendung zu behandeln. Die Berechnung habe auf Basis eines konkreten, objektiv nachweisbaren Marktzinses zu erfolgen.
  3. Der pauschale Zinssatz von 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG sei nicht heranzuziehen, wenn ein individueller Marktzins feststellbar Die pauschale Bewertungsmethode sei auf den Fall nicht anwendbar, da sie für andere Bewertungszwecke konzipiert sei.

Beratungs- und Gestaltungshinweise für Darlehen zu Sonderkonditionen:

Das aktuelle Urteil des BFH macht deutlich, dass die steuerliche Behandlung von niedrig verzinsten Darlehen innerhalb der Familie besondere Sorgfalt erfordert. Um schenkungssteuerliche Risiken zu vermeiden, sollten Darlehensverträge so gestaltet sein, dass sie einem Fremdvergleich standhalten.

  1. Marktzins dokumentieren:
    Um der Schenkungsteuer zu entgehen, sollte der vereinbarte Zinssatz dem Marktniveau entsprechen. Der Marktzins kann beispielsweise durch statistische Angaben der Deutschen Bundesbank oder durch die Konditionen marktüblicher Bankdarlehen belegt werden.
  2. Vertraglich klar regeln:
    Darüber hinaus sollte der Darlehensvertrag sämtliche wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten – insbesondere Zinsvereinbarung, Laufzeit, Tilgungsmodalitäten sowie gegebenenfalls Besicherungen. Nur so kann im Falle einer steuerlichen Überprüfung nachgewiesen werden, dass das Darlehen fremdüblich ausgestaltet wurde.
  3. Zinsvorteil im Blick haben:
    Kommt es dennoch zu einem Zinsvorteil, ist dieser als Schenkung anzusehen und kann Freibeträge gemäß § 16 ErbStG belasten. Beispielsweise steht Kindern ein Freibetrag von 400.000 € alle zehn Jahre zu.
  4. Anzeige ans Finanzamt nicht vergessen (§ 30 ErbStG):
    Auch bei (vermeintlich) geringfügigen Zinsvorteilen ist die Schenkung dem Finanzamt anzuzeigen. Eine Mitteilung ist selbst dann erforderlich, wenn die Zuwendung innerhalb der Freibeträge liegt und keine Steuer festgesetzt wird!

Fazit unseres Experten für Steuerrecht:

Der BFH konkretisiert mit seinem Urteil die schenkungssteuerliche Behandlung niedrig verzinster Darlehen innerhalb der Familie. Eine sorgfältige Gestaltung und Dokumentation der Darlehenskonditionen ist unerlässlich. Bereits geringfügige Zinsdifferenzen können insbesondere bei hohen Beträgen erhebliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Titus Wolf, B. Sc.

Rechtsanwalt | Partner

Zum Profil

Weiterlesen

Der Geschäftsführeranstellungsvertrag (GAV):

Die Kündigung eines angestellten Geschäftsführers 

Außerordentlicher Kündigungsgrund: Die Liquidation der GmbH


Welche Kündigungsfristen sind auf Dienstverhältnisse von Geschäftsführern, die keine Mehrheitsgesellschafter sind, anzuwenden?

Das aktuelle BGH-Urteil vom 05.11.2024 (AZ: II ZR 35/23) beantwortet zentrale Fragen rund um die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages aus vertraglich vereinbartem außerordentlichem Grund und stärkt dabei den Schutz von Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die keine Mehrheitsgesellschafter sind. Wir erläutern Ihnen im Rahmen dessen, was die Liquidation der GmbH bedeutet und wann eine Gesellschaft rechtlich beendet ist.

Diese Antworten gibt der BGH:


Bei einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Auf den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, sind die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren, in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen entsprechend anzuwenden, so der Bundesgerichtshof. Dies gilt auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44).

Ist ein Geschäftsführeranstellungsvertrag ein Arbeitsvertrag?


Diese umstrittene Frage beantwortet der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil zwar nicht in der Deutlichkeit, spricht sich aber für die auf Arbeitsverträge anwendbare Vorschrift des § 622 BGB in entsprechender Anwendung für Geschäftsführerdienstverträge aus. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hingegen sieht das anders und wendet stattdessen § 621 BGB an, vgl. Urt. vom 11. Juni 2020 – 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44. Die arbeitsrechtliche Einordnung des angestellten Geschäftsführers ohne Mehrheitsbeteiligung neben seiner Organstellung bleibt damit weiterhin zwischen dem BGH und dem BAG umstritten.

Jedenfalls ergänzt der GAV aber die formelle Bestellung zur Geschäftsführung. Neben den Regelungen im GmbH-Gesetz, das bereits bestimmte Rechte und Pflichten des Geschäftsführers als Organ der Gesellschaft enthält, tritt der Geschäftsführervertrag, der die persönlichen Arbeitsbedingungen wie Gehalt, Urlaub, Krankenzeiten oder die Altersversorgung regelt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Geschäftsführer allerdings, unabhängig davon, ob es sich um einen Gesellschafter-Geschäftsführer oder um einen sogenannten Fremdgeschäftsführer handelt, gerade kein Arbeitnehmer im klassischen Sinn. Vielmehr vertritt der Geschäftsführer die GmbH als Organ und steht nicht in einem klassischen Abhängigkeitsverhältnis mit ihr. Diese Rechtsprechung ist allerdings im Wandel, wie sich zuletzt durch das zuvor benannte Urteil des BGH zeigt: Der BGH bejaht zunehmend die Arbeitnehmereigenschaft von Fremdgeschäftsführern bzw. Geschäftsführern mit nur geringem Gesellschaftsanteil vereinzelt, sofern sie ihrer Arbeit nicht selbstbestimmt nachgehen, sondern inhaltliche, zeitliche und örtliche Vorgaben von übergeordneten Führungskräften erhalten. So auch im nachfolgend besprochenen Urteil des BGH, das die Rechte von angestellten Geschäftsführern im Kontext der Kündigung stärkt. Zwischen dem Bundesgerichtshof und dem Bundesarbeitsgericht besteht damit fortwährend Uneinigkeit darüber, ob für Geschäftsführerdienstverträge § 622 oder § 621 BGB Anwendung findet.

BGH-Urteil vom 5. November 2024 – II ZR 35/23:


Sachverhalt:

Ein Geschäftsführer war seit 2001 bei einer GmbH & Co. KG tätig und schloss im Rahmen dessen mit der Kommanditgesellschaft einen Anstellungsvertrag (GAV) ab. § 4 Abs. 2 des GAV regelte die Kündigung aus wichtigem Grund, der u.a. die „Liquidation“ der Gesellschaft aufführte. Am 8. März 2016 bestimmte die Gesellschafterversammlung einstimmig die Liquidation. Gegen die Stimme des Klägers wird zudem die sofortige außerordentliche (hilfsweise ordentliche) Kündigung seines GAV beschlossen. Am 23. März 2016 ging dem Geschäftsführer die außerordentliche Kündigung mit Verweis auf die Liquidation zu. Am 7. Juni 2016 erhielt er eine weitere „vorsorgliche“ außerordentliche und ordentliche Kündigung. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit der Kündigungen des GAV.

Entscheidung des BGH:

Nach Ansicht des BGH waren beide Kündigungen unwirksam:

Die erste wegen Nichtbeachtung der 2-Wochen Frist nach § 626 Abs. 2 BGB. Die Kündigung konnte nur innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis vom Vorliegen des Kündigungsgrundes (Gesellschafterbeschluss zur Liquidation) erfolgen. Die Frist verstrich am 22.03.2016, sodass die Kündigung am 23.03.2016 zu spät erfolgte.

Und die zweite Kündigung vom 07.06.2016 war mangels wichtigen Grundes unwirksam.

Der Geschäftsführer blieb in der Folge aus § 622 BGB entsprechend (ordentliche Kündigungsfristen) geschützt, der auch grundsätzlich nicht zum Nachteil des Geschäftsführers abdingbar sei.  Dies gelte auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (hierbei grenzt sich der BGH zum BAG (Urteil v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19) ab.

Die Liquidation der GmbH als vertraglich vereinbarter außerordentlicher Kündigungsgrund?

In dem Sachverhalt, der dem hier besprochenen Urteil des BGH zugrunde lag, definierte der GAV die Liquidation der Gesellschaft als wichtigen Kündigungsgrund. Eine weitere zentrale Aussage des BGH in seinem Urteil dazu lautete, dass vertragliche Abreden den gesetzlichen Begriff des wichtigen Grundes nicht aufheben können und folgt damit seiner ständigen Rechtsprechung, wonach vertraglich vereinbarte Klauseln den gesetzlichen Schutz des Geschäftsführers nicht unterlaufen dürfen. Die Liquidation allein genüge demnach nicht, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr kommt es zusätzlich auch darauf an, ob die Fortführung des Anstellungsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

Das bedeutet die Liquidation der GmbH:


Die Liquidation einer GmbH ist ein komplexer Vorgang, der das Ziel verfolgt, die Gesellschaft zu beenden. Viele Schritte sind zu durchlaufen, bis es zur endgültigen Löschung der GmbH im Handelsregister kommt. Durch den Verkauf aller unternehmerischen Vermögenswerte wird versucht, alle Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen und das verbleibende Vermögen zur Verteilung an die Gesellschafter in liquide Mittel umzuwandeln.

Der Abwicklungsprozess lässt sich im Wesentlichen in 3 Handlungsabschnitte unterteilen.

  1. Die Auflösung
  2. Die Abwicklung
  3. Die Löschung

Phase 1: Einleitung der Liquidation: Auflösung


Die Abwicklung der GmbH beginnt mit einer Gesellschafterversammlung, bei der die Liquidation auf die Tagesordnung kommt und ein ordnungsgemäßer Auflösungsbeschluss die Entscheidung der Gesellschafter widerspiegelt, die GmbH abwickeln zu wollen. Dieser Auflösungsbeschluss bedarf der notariellen Beglaubigung und muss beim zuständigen Registergericht am Sitz der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, wodurch das Sperrjahr beginnt. Damit wird der Gesellschaftszweck von der aktiv werbenden Tätigkeit zur Abwicklung der laufenden Geschäfte geändert.

Phase 2: Liquidationsphase: Abwicklung


Sodann erfolgt die eigentliche Durchführung des Liquidationsvorhabens. An die Stelle der Geschäftsführer tritt der Liquidator, der den Abwicklungsprozess vollzieht. Die laufenden Geschäfte der GmbH werden eingestellt. Innerhalb des Sperrjahres sind alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen, Forderungen der GmbH einzuziehen und sämtliche Aktivposten zu liquidieren, sog. Versilberung des Vermögens. Anschließend erstellt der Liquidator eine Liquidationsüberschussbilanz, die Aufschluss über das an die Gesellschafter zu verteilende Vermögen ergibt. Die Verteilung darf jedoch erst erfolgen, wenn das Sperrjahr abgelaufen ist, damit die Gläubiger der GmbH ausreichende Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche erhalten.

Phase 3: Beendigung und Löschung:


Mit Ablauf des Sperrjahres im Sinne von § 73 GmbHG tritt die Beendigung der GmbH ein, sofern kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist oder sonstige Liquidationsmaßnahmen zu ergreifen sind. Der Abschluss der Liquidation muss ebenfalls ins Handelsregister aufgenommen werden. Daraufhin kann die Löschung der GmbH im Handelsregister vorgenommen werden, wodurch die GmbH ihre rechtliche Existenz verliert.

Ihre rechtssichere Beratung im Handels-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht

Die Liquidation einer GmbH stellt Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsführer vor erhebliche rechtliche und strategische Herausforderungen. Wir stehen Ihnen dabei mit unserem Full-Service-Ansatz beratend zur Seite und bieten Ihnen zuverlässig Unterstützung durch alle Phasen des Liquidationsprozesses. Darüber hinaus vertreten wir Sie kompetent in allen Fragen rund um das Arbeitsrecht, sowohl auf der Seite des Unternehmers, Geschäftsführers oder auch Arbeitnehmers. Wir unterstützen Sie rechtlich im Umgang mit Geschäftsführeranstellungsverträgen, Kündigungen jedweder Art und bieten dabei maßgeschneiderte Lösungen, die Ihre Interessen wirksam schützen.

Vereinbaren Sie jetzt einen Termin für eine persönliche und lösungsorientierte Beratung.

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Zum Profil

Dr. Sebastian von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Titus Wolf, B. Sc.

Rechtsanwalt | Partner

Weiterlesen

DSGVO im Arbeitsverhältnis

DSGVO im Arbeitsverhältnis:

Datenschutzverstöße und ihre Konsequenzen

13.06.2025

DSGVO im Arbeitsverhältnis:

Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf

Schadensersatzklagen zu DSGVO-Verstößen im Arbeitsverhältnis häufen sich und machen deutlich, dass die Nichteinhaltung der DSGVO- Datenschutzbestimmungen weitreichende Folgen haben kann. Die Aufsichtsbehörden verhängen bei DSGVO-Verstößen mitunter Bußgelder in Millionenhöhe.

Besonders im Berufsleben kommt dem Datenschutz eine besondere Bedeutung zu, weil eine Vielzahl von personenbezogenen Daten eine Rolle spielen: Krankheitstage, Fehlzeiten, Abmahnungen, Zeugnisse und Lebensläufe beispielsweise enthalten allesamt Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen und stellen damit personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar.

Sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer treffen die Pflicht, äußerst sorgsam mit den ihnen anvertrauten Daten umzugehen. Für den Fall der Zuwiderhandlung sieht Art. 82 DSGVO unter bestimmten Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch für materiellen oder immateriellen Schaden vor.

Rechtsgrundlage für den Datenschutz

Im Arbeitsverhältnis spielen im Umgang mit personenbezogenen Daten zwei Gesetz eine zentrale Rolle: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

 Datenschutzverstoß: Definition

Ein Verstoß gegen den Datenschutz liegt vor, wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig oder nicht bestimmungsgemäß verarbeitet werden. Dabei sind verschiedene Arten von Datenschutzverstößen zu unterscheiden, die unterschiedliche Auswirkungen haben können. Dazu zählen:

  1. Verstoß gegen die Privatsphäre: Der Arbeitgeber verstößt hiergegen beispielsweise, wenn er Daten ohne Einwilligung des Betroffenen erhebt, speichert oder verwendet.
  2. Verstoß gegen Sicherheitsmaßnahmen: Der unautorisierte Zugriff oder die unbefugte Weitergabe von personenbezogenen Daten. Schaut beispielsweise ein Polizeibeamter aus reinem Eigeninteresse zur Abfrage privater Daten in die Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes, dessen Zugang ihm für seine dienstlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt wurde, liegt ein Verstoß vor.
  3. Verstoß gegen Informationspflichten: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Beschäftigten Auskünfte darüber zu erteilen, welche personenbezogenen Daten von ihm verarbeitet werden.
  4. Verstoß gegen die Rechte der Betroffenen: Als Betroffener haben Sie das Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung ihrer Daten.
Konsequenzen für Beschäftigte

Ein Verstoß gegen Datenschutzvorschriften kann für den Mitarbeiter erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zum einen können ihn Disziplinarmaßnahmen seines Arbeitgebers in Form einer Abmahnung oder sogar Kündigung treffen. Zum anderen sind bei grob fahrlässigem oder sogar vorsätzlichem Handeln Schadensersatzansprüche denkbar.  Neben der zivilrechtlichen Haftung kann der Arbeitnehmer zusätzlich auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe sind bei schwerwiegenden Verstößen möglich.

  1. Disziplinarmaßnahmen des Arbeitgebers:

Der Arbeitgeber kann auf einen arbeitnehmerseitigen Verstoß von Datenschutzvorschriften mit einer Abmahnung oder sogar verhaltensbedingten Kündigung des Beschäftigten reagieren. In schwerwiegenden Fällen kann sogar eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Ob der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften eines Arbeitnehmers dessen außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. Dazu muss der Verstoß einen gewichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB darstellen. 

  1. Schadensersatzansprüche gegen den Mitarbeiter: Nur im Falle des Mitarbeiterexzesses

Grundsätzlich haftet das Unternehmen gegenüber Dritten für das Fehlverhalten seiner Angestellten. Kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer in Regress nehmen? Für Arbeitsverhältnisse gelten die besondere Haftungsgrundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die sich nach dem Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers richten. Demnach haftet der Arbeitnehmer je nach Vorwerfbarkeit seines Verhaltens gar nicht, nur anteilig oder in voller Höhe.

Leichte Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haftet nicht

Mittlere Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haftet hälftig neben dem Arbeitgeber

Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Der Arbeitnehmer haftet in voller Höhe.

Folglich haftet der Mitarbeiter lediglich, wenn er im Exzess gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Ein solcher liegt vor, wenn Beschäftigte personenbezogene Daten in einer Weise verarbeiten oder nutzen, die bei verständiger Würdigung nicht mehr dem Arbeitgeber als Verantwortlichem zugerechnet werden können. Häufig ist Eigennutz das Motiv für den Exzess.

Ein Beispiel für einen solchen Exzess stellt das Fehlverhalten eines Restaurant-Mitarbeiters dar, der während der Corona-Pandemie Daten aus der Kontaktnachverfolgung für private Zwecke nutze, um Kontakt zu einer Restaurant-Besucherin aufzunehmen. Darin ist ein Verstoß gegen den Zweckbindungsgrundsatz gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) DSGVO zu sehen, der nach Art. 83 Abs. 5 lit. a) DSGVO geahndet wird.

Datenschutzverstößen vorbeugen

Allerdings muss der Arbeitgeber selbst sicherstellen, dass er die Einhaltung des Datenschutzes ausreichend kontrolliert und angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, um eine Mitverantwortung aufgrund von Datenpannen auszuschließen. Dazu empfiehlt es sich beispielsweise, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten regelmäßig die Teilnahme an Schulungen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit ermöglicht, wodurch bei seinen Mitarbeitern frühzeitig ein Risiko- und Sicherheitsbewusstsein entwickelt wird.

Konsequenzen für Arbeitgeber

Für den Arbeitgeber kann der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften ernsthafte Konsequenzen haben, die zum Teil in teuren Geldbußen münden. Art. 83 DSGVO sieht Geldbußen bis zu 20 Mio. Euro oder in Höhe von 4% des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres eines Unternehmens vor – je nachdem welcher Wert höher ausfällt.

Nachfolgende Praxisbeispiele verdeutlichen, wie wichtig ein sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten ist:

BAG: Schadensersatz wegen DSGVO-Verstoßes durch heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers durch vom Arbeitgeber beauftragte Detektei

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sprach einem Arbeitnehmer zuletzt in seinem Urteil vom 25.07.2024, 8 AZR 225/23 einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO gegen seinen Arbeitgeber zu, der die Gesundheitsdaten seines Angestellten rechtswidrig verarbeitete. Das den Schadensersatz begründende Verhalten des Arbeitgebers bestand darin, dass er eine Detektei beauftragte, die seinen Angestellten im Zeitraum einer Arbeitsunfähigkeit heimlich observierte, um den Verdacht vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen.

Über mehrere Tage observierte die Detektei den Angestellten und dokumentierte seinen sichtbaren Gesundheitszustand. Die erhobenen Daten nahm der Arbeitgeber sodann zum Anlass, die fristlose Kündigung des Mitarbeiters wegen des Verdachts vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit auszusprechen. Dagen wehrte sich der Arbeitnehmer erfolgreich mittels Kündigungsschutzklage und verlangte zudem Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die DSGVO durch unrechtmäßiges Erheben von Gesundheitsdaten. Die Erfurter Richter des BAG sprachen dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.500 Euro zu. Sie betonten, dass die Einschaltung einer Detektei nur gerechtfertigt sei, wenn dies im Sinne von Art. 9 Abs. 2 b DSGVO erforderlich ist. Die Erforderlichkeit sei lediglich in Ausnahmefällen zu bejahen, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch konkrete Zweifel erschüttert wurde und mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Das Urteil macht deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Arbeitgeber an die Datenschutzbestimmungen halten, um sich vor der Gefahr von Schadensersatzansprüchen zu schützen. Das Urteil setzt klare Grenzen für die heimliche Überwachung von Angestellten.

BAG stellt konkrete Anforderungen an den Schadensnachweis

Mit Urteil vom 17. Oktober 2024 (Az. 8 AZR 215/23) betonte das BAG besonders die Notwendigkeit eines tatsächlich erlittenen Schadens für die Begründung des Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 DSGVO und erhöht damit wiederum die Hürden des Anspruchs.

In dem hier zugrundeliegenden Fall verlangte der als Auszubildende angestellte Arbeitnehmer eines Fitnessstudiobetreibers (im Folgenden: Arbeitgeber) Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO, weil er sich in seinem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO verletzt sah. Er verlangte von seinem Arbeitgeber die Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten, die sich auf einem vom Kläger privat genutzten USB- Stick befanden, den der Arbeitgeber aber zuvor an sich genommen hatte, weil er den Verdacht hegte, der Auszubildene habe darauf in unzulässiger Weise Mitgliederdaten gespeichert.

Der USB-Stick enthielt private Fotos, Videos und Bewerbungsunterlagen. Die Befürchtung der missbräuchlichen Verwendung dieser sensiblen Daten lösten bei dem Kläger eine nervliche Belastung und ein Gefühl des Unwohlseins aus.

Die Forderung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro wies das Arbeitsgericht zunächst ab, woraufhin das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgab. Das BAG versagte dem Kläger jedoch höchstrichterlich den Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens, weil der Kläger einen Schaden nicht hinreichend greifbar darlegen konnte, so die Erfurter Richter.

Die Angst vor dem Datenmissbrauch in Verbindung mit einem Gefühl des Unwohlseins reichen nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Zwar könne der erlittene Schaden noch so klein sein, allerdings genüge das bloße Berufen auf eine Gefühlslage nicht. Vielmehr muss sich der Schaden nachweisbar in einem tatsächlich erlittenen, spürbaren Unwohlsein manifestieren, um der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzanspruchs zu entsprechen.

Dieses Artikel soll erste Hinweise und einen Überblick zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis geben, erhebt dabei jedoch nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Für weitergehende Informationen melden Sie sich gerne bei uns! 

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer

  • Prozessführung vor Arbeitsgerichten.
  • Abwehr und Verteidigung von Kündigungen.
  • Verhandlung von Abfindungen.
  • Erstellung und Prüfung von Arbeitsverträgen.
  • Verhandlung und Gestaltung von Aufhebungsverträgen.

Kontakt mit Fachanwalt für Arbeitsrecht aufnehmen

VON ALLWÖRDEN Rechtanwälte – Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Stade und Hamburg

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwalt für Arbeitsrecht Benjamin von Allwörden

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Neuzugang in unserer Kanzlei: Rechtsanwalt Enno von Helldorff verstärkt unser Team

Neuzugang in unserer Kanzlei: 

Rechtsanwalt Enno von Helldorff verstärkt unser Team



Wir freuen uns sehr, Rechtsanwalt Enno von Helldorff als neuen Kollegen begrüßen zu dürfen.

Herr von Helldorff berät sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen in komplexen vertrags-, gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen und ist spezialisiert auf die strategische Prozessführung vor Gericht.

Vor seinem Eintritt in unsere Kanzlei war Herr von Helldorff in renommierten internationalen Wirtschaftskanzleien tätig und sammelte dort umfassende Erfahrungen in der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung sowie Abwehr wirtschaftsrechtlicher Ansprüche.

Sein juristisches Handwerkszeug erwarb er an der Bucerius Law School in Hamburg sowie am Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen, ergänzt durch Stationen in namhaften Kanzleien und dem Bundeswirtschaftsministerium. Zusätzlich verfügt er über einen Bachelorabschluss in Wirtschaftspsychologie.

Wir heißen ihn herzlich willkommen und freuen uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit!

Kontakt mit Rechtsanwalt Enno von Helldorff aufnehmen

Weiterlesen

Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

ArbG Siegburg: Urt. v. 24.07.2024, Az. 3 Ca 387/24

09.05.2025

Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung während Betriebsfeier

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Eine außerordentliche Kündigung stellet ein besonders scharfes arbeitsrechtliches Mittel dar, mit dem ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist sie nur dann zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei muss das Verhalten oder der Umstand, der die Kündigung rechtfertigt, „an sich“ geeignet sein, eine solche Maßnahme zu tragen, und es bedarf zusätzlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Bemerkenswert an dem nachfolgend besprochenen Urteil ist, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das seine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, während einer Betriebsfeier stattfand, also nicht während der regulären Arbeitszeit. Das Arbeitsgericht erachtete diesen Umstand als unerheblich:

Zum Sachverhalt:


Der gekündigte Mitarbeiter arbeitete seit einem Jahr bei dem beklagten Arbeitgeber und war während dieser Anstellung bereits wiederholt negativ aufgefallen, woraufhin er in der Vergangenheit abgemahnt wurde. Auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre fasste er einer Kollegin sodann an den Hintern. Als sie signalisierte, dies nicht zu wollen, hielt er sie am Arm fest und äußerte ihr gegenüber, sie solle dies als Kompliment verstehen. Der Arbeitgeber kündigte dem Mitarbeiter daraufhin außerordentlich fristlos, wogegen er sich per Kündigungsschutzklage wehrte, die im Ergebnis jedoch erfolglos blieb.

Die Entscheidung des ArbG Siegburg:


Das Arbeitsgericht Siegburg bestätigt in seinem Urteil die Wirksamkeit der Kündigung. Der Umstand, dass das sexuell belästigende Verhalten während einer Betriebsfeier stattfand und nicht während der regulären Arbeitszeit, erachtete das Gericht als unerheblich. Der Schlag auf den Po und das Festhalten gegen ihren Willen seien sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und stellen damit nach § 7 Absatz 3 AGG eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die das Vertrauen des Arbeitgebers in seinen Mitarbeiter nachhaltig erschüttere und es ihm unzumutbar mache, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Die Interessenabwägung fällt insbesondere deshalb so eindeutig zugunsten des Arbeitgebers aus, weil er nach § 2 Abs. 1 BeschSchG gesetzlich verpflichtet war, wirksame Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter – auch vorbeugend – zu treffen. Weil die arbeitnehmerseitige Pflichtverletzung derart schwerwiegend war, bedurfte es einer vorherigen Abmahnung nicht. Die Kammer betont dabei, dass der Arbeitnehmer damit rechnen musste, dass sein Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht dulden würde.

Praxishinweis:


Außerordentlich fristlose Kündigungen sind immer Einzelfallabwägungen. Die Entscheidung, auch wenn sie im vorliegenden Fall naheliegend ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Immer ist zu erwägen, ob vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht kommt. Dazu sollte der Arbeitgeber den Sachverhalt sorgfältig ergründen, Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern führen, Zeugen zum Hergang des Geschehens befragen und alles sorgfältig dokumentieren. Sexuelle Belästigung stellt regelmäßig eine schwere Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers dar, die in vielen Fällen eine Abmahnung entbehrlich macht – auch wenn dieses Fehlverhalten auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre und unter Alkoholeinfluss stattfindet.

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer

  • Prozessführung vor Arbeitsgerichten.
  • Abwehr und Verteidigung von Kündigungen.
  • Verhandlung von Abfindungen.
  • Erstellung und Prüfung von Arbeitsverträgen.
  • Verhandlung und Gestaltung von Aufhebungsverträgen.

Kontakt mit Fachanwalt für Arbeitsrecht aufnehmen

VON ALLWÖRDEN Rechtanwälte – Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Stade und Hamburg

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwalt für Arbeitsrecht Benjamin von Allwörden

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zum Profil

Weiterlesen

Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

BAG Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)

18.04.2025

Was ist eine Änderungskündigung?


Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf:

Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, separate Teile eines Arbeitsvertrages einseitig zu ändern. Möchte dieser unvorteilhafte Vertragsteile neu gestalten, aber an dem übrigen Vertrag festhalten, braucht er das Einverständnis des Vertragspartners. Kann zwischen den beiden Vertragsparteien keine Einigung erzielt werden, besteht für den Arbeitgeber eine weitere Möglichkeit: Er kündigt den bestehenden Vertrag und bietet dem Arbeitnehmer einen ­– nach den Vorstellungen des Arbeitgebers angepassten ­­­­­­– Vertrag an. Eine solche Vorgehensweise nennt sich Änderungskündigung. Wird dieser neue Vertrag mit den abgeänderten Bedingungen durch den Arbeitnehmer nicht angenommen, bleibt es bei der Kündigung des vorigen Arbeitsverhältnisses.

Änderungskündigung erhalten?  Das ist jetzt zu tun:


Ist der Arbeitnehmer mit der Änderung der Vertragsbedingungen einverstanden, kann er die Änderungskündigung annehmen.

Alternativ besteht die Möglichkeit, das Angebot auf eine Änderungskündigung vollumfänglich abzulehnen. Dann bleibt die Kündigung zurück, das Arbeitsverhältnis endet. Mit Hilfe einer Kündigungsschutzklage kann sodann die Kündigung auf ihre Wirksamkeit hin rechtlich überprüft werden. Stellt sich dabei heraus, dass die Kündigung unwirksam war, besteht das Arbeitsverhältnis fort. Dieses Vorgehen ist aber riskant:  Hat die Kündigungsschutzklage nämlich keinen Erfolg, sodass die Kündigung wirksam ist, besteht oftmals nicht mehr die Möglichkeit, das zuvor abgelehnte Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages nachträglich doch noch anzunehmen, da dieses nicht mehr rechtlich bindend ist. Damit stünde der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall nun nicht nur mit einem nachteilig abgeänderten, sondern ohne jeglichen Arbeitsvertrag da.

Dem Arbeitnehmer ist stattdessen zu empfehlen, eine Änderungskündigung unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen „sozial ungerechtfertigt“ im Sinne des KSchG ist. Dadurch bleibt der Arbeitnehmer zunächst weiter beschäftigt, allerdings zu den neuen Vertragskonditionen, kann aber parallel vom Arbeitsgericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüfen lassen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Kommt das Gericht zu dem Entschluss, dass die Kündigung unwirksam ist, besteht das Arbeitsverhältnis zu den alten Konditionen fort. Sofern das Gericht die Kündigung für wirksam hält, besteht das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fort. In vie­len Fällen bietet die Kündigungsschutzklage die Chan­ce, die Ver­schlech­te­rung von Ver­trags­be­din­gun­gen ab­zu­weh­ren.  

Zu beachten ist, dass die Annahme unter Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist, also spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, geschehen muss, vgl. § 2 S. 2 KSchG.

PRAXISTIPP: Die An­nah­me un­ter Vor­be­halt soll­ten Sie in Text­form, z.B. per E-Mail, erklären und wie folgt for­mu­lie­ren:

„[Da­tum, An­re­de]

hier­mit neh­me ich Ihr / Eu­er / Dein Ände­rungs­an­ge­bot, das mit der Kündi­gung vom TT.MM.JJJJ ver­bun­den war, un­ter dem Vor­be­halt an, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

Bit­te bestäti­gen Sie / bestätigt mir / bestäti­ge mir den Er­halt die­ses Schrei­bens.

[Grußfor­mel]“

Welche Kündigungsgründe rechtfertigen eine Änderungskündigung?


Zunächst einmal kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nicht grundlos kündigen. Dabei gelten für die Änderungskündigung die gleichen Grundsätze wie für eine „normale“ Kündigung: Fällt das Arbeitsverhältnis unter die Kündigungsschutzvorschriften im KschG, braucht der Arbeitgeber einen gewichtigen Grund zur Kündigung seines Angestellten. Damit das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, müssen in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sein und der gekündigte Mitarbeiter muss länger als 6 Monate in Beschäftigung stehen. Liegen diese zwei Voraussetzungen vor, findet das KSchG Anwendung und die Kündigung bedarf eines der drei Kündigungsgründe, die das KSchG vorsieht. Eine Kündigung kann entweder aus verhaltensbedingten, aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen „sozial gerechtfertigt“ sein (§ 1 KSchG). Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, nach erfolgter (Änderungs-) Kündigung im Rahmen der Kündigungsschutzklage überprüfen zu lassen, ob ein solcher Grund vorgelegen hat. Er lässt damit rechtlich klären, ob die Kündigung wirksam war, oder nicht. Da eine Änderungskündigung nichts anderes ist, als eine Kündigung mit einem darauffolgenden Arbeitsangebot, gelten hier dieselben Grundsätze. Eine Ver­tragsände­rung ist im Ver­gleich zu ei­ner Be­en­di­gung des Arbeitsverhältnisses aber im­mer das mil­de­re Mit­tel, daher las­sen sich Ände­rungskündi­gun­gen ten­den­zi­ell leich­ter be­gründen als „normale“ Kündigungen.

BAG: Eine betriebsbedingte Änderungskündigung muss sozial gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)


Trotzdem betonte das BAG in seinem Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16, Rn. 11) erneut, wie wichtig eine über die reine Sozialauswahl hinausgehende Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei Änderungskündigungen ist: „Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.“

Außerordentlich (fristlose) Änderungskündigung: Stets eine Einzelfallabwägung


Besondere Begründung bedarf das Aussprechen einer außerordentlichen (fristlosen) Änderungskündigung, die dann aber nicht mehr auf das KSchG, sondern auf den § 626 I BGB gestützt wird. Für eine außerordentliche Kündigung muss folglich ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 626 I BGB vorliegen, der so gewichtig sein muss, dass er die Einhaltung der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.

Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht – kompetente Unterstützung in allen arbeitsrechtlichen Fragen.

Wir unterstützen Sie nach dem Erhalt einer (Änderungs-) Kündigung und prüfen die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage für Sie. Melden Sie sich dazu schnellstmöglich bei Ihrem Fachanwalt für Arbeitsrecht, um die Frist zur Klageerhebung, die drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung beträgt, nicht zu verpassen!

Änderungskündigung erhalten: Kontakt mit Fachanwalt für Arbeitsrecht aufnehmen

Wel­che Fris­ten muss ich als Ar­beit­neh­mer bei Er­halt ei­ner Ände­rungskündi­gung im Blick haben?


1. Frist von drei Wo­chen ab Erhalt des Kündigungsschreibens zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge bzw. Ände­rungs­schutz­kla­ge

Für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen eine Ände­rungskündi­gung hat der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 4 Satz 1 KSchG drei Wo­chen Zeit, ge­rech­net ab dem Zu­gang der Kündi­gung. Die Drei­wo­chen­frist wird ausschließlich durch Ein­gang der Kla­ge­schrift bei Ge­richt gewahrt.

2. Frist von drei Wo­chen für die Erklärung des Vor­be­halts gemäß § 2 KSchG

Auch die Annahme unter Vorbehalt muss fristgerecht erfolgen. Die Erklärung des Vor­be­halts muss gemäß § 2 Satz 2 KSchG in­ner­halb der Kündi­gungs­frist, spätes­tens aber drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung erklärt werden.

3. Vom Ar­beit­ge­ber ge­setz­te Frist für die An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots

Viele Arbeitgeber setzen selbst eine Annahmefrist im Ände­rungs­an­ge­bot, die meist im Text der Ände­rungskündi­gung ent­hal­ten ist. Dieses Vorgehen ist zwar grundsätzlich zulässig, allerdings darf die An­nah­me­frist nicht kürzer als die dreiwöchi­ge ge­setz­li­che Frist für die Erklärung des Vor­be­halts sein. Legt der Ar­beit­ge­ber dennoch ei­ne kürze­re An­nah­me­frist für sein An­ge­bot fest, wird trotz­dem (recht­lich ge­se­hen) ei­ne dreiwöchi­ge An­nah­me­frist (BAG, Ur­teil vom 18.05.2006, 2 AZR 230/05BAG, Ur­teil vom 01.02.2007, 2 AZR 44/06) fingiert.

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer


  • Prozessführung vor Arbeitsgerichten.
  • Abwehr und Verteidigung von Kündigungen.
  • Verhandlung von Abfindungen.
  • Erstellung und Prüfung von Arbeitsverträgen.
  • Verhandlung und Gestaltung von Aufhebungsverträgen.

Kontakt mit Fachanwalt für Arbeitsrecht aufnehmen

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwalt für Arbeitsrecht Benjamin von Allwörden

Benjamin von Allwörden

Rechtsanwalt | Partner | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zum Profil

Weiterlesen

  • 1
  • 2
Call Now Button