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Autor: Mailin Witt

DSGVO im Arbeitsverhältnis

DSGVO im Arbeitsverhältnis:

Datenschutzverstöße und ihre Konsequenzen

13.06.2025

DSGVO im Arbeitsverhältnis:

Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf

Schadensersatzklagen zu DSGVO-Verstößen im Arbeitsverhältnis häufen sich und machen deutlich, dass die Nichteinhaltung der DSGVO- Datenschutzbestimmungen weitreichende Folgen haben kann. Die Aufsichtsbehörden verhängen bei DSGVO-Verstößen mitunter Bußgelder in Millionenhöhe.

Besonders im Berufsleben kommt dem Datenschutz eine besondere Bedeutung zu, weil eine Vielzahl von personenbezogenen Daten eine Rolle spielen: Krankheitstage, Fehlzeiten, Abmahnungen, Zeugnisse und Lebensläufe beispielsweise enthalten allesamt Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen und stellen damit personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar.

Sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer treffen die Pflicht, äußerst sorgsam mit den ihnen anvertrauten Daten umzugehen. Für den Fall der Zuwiderhandlung sieht Art. 82 DSGVO unter bestimmten Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch für materiellen oder immateriellen Schaden vor.

Rechtsgrundlage für den Datenschutz

Im Arbeitsverhältnis spielen im Umgang mit personenbezogenen Daten zwei Gesetz eine zentrale Rolle: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

 Datenschutzverstoß: Definition

Ein Verstoß gegen den Datenschutz liegt vor, wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig oder nicht bestimmungsgemäß verarbeitet werden. Dabei sind verschiedene Arten von Datenschutzverstößen zu unterscheiden, die unterschiedliche Auswirkungen haben können. Dazu zählen:

  1. Verstoß gegen die Privatsphäre: Der Arbeitgeber verstößt hiergegen beispielsweise, wenn er Daten ohne Einwilligung des Betroffenen erhebt, speichert oder verwendet.
  2. Verstoß gegen Sicherheitsmaßnahmen: Der unautorisierte Zugriff oder die unbefugte Weitergabe von personenbezogenen Daten. Schaut beispielsweise ein Polizeibeamter aus reinem Eigeninteresse zur Abfrage privater Daten in die Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes, dessen Zugang ihm für seine dienstlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt wurde, liegt ein Verstoß vor.
  3. Verstoß gegen Informationspflichten: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Beschäftigten Auskünfte darüber zu erteilen, welche personenbezogenen Daten von ihm verarbeitet werden.
  4. Verstoß gegen die Rechte der Betroffenen: Als Betroffener haben Sie das Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung ihrer Daten.
Konsequenzen für Beschäftigte

Ein Verstoß gegen Datenschutzvorschriften kann für den Mitarbeiter erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zum einen können ihn Disziplinarmaßnahmen seines Arbeitgebers in Form einer Abmahnung oder sogar Kündigung treffen. Zum anderen sind bei grob fahrlässigem oder sogar vorsätzlichem Handeln Schadensersatzansprüche denkbar.  Neben der zivilrechtlichen Haftung kann der Arbeitnehmer zusätzlich auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe sind bei schwerwiegenden Verstößen möglich.

  1. Disziplinarmaßnahmen des Arbeitgebers:

Der Arbeitgeber kann auf einen arbeitnehmerseitigen Verstoß von Datenschutzvorschriften mit einer Abmahnung oder sogar verhaltensbedingten Kündigung des Beschäftigten reagieren. In schwerwiegenden Fällen kann sogar eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Ob der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften eines Arbeitnehmers dessen außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertigen, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. Dazu muss der Verstoß einen gewichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB darstellen. 

  1. Schadensersatzansprüche gegen den Mitarbeiter: Nur im Falle des Mitarbeiterexzesses

Grundsätzlich haftet das Unternehmen gegenüber Dritten für das Fehlverhalten seiner Angestellten. Kann der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer in Regress nehmen? Für Arbeitsverhältnisse gelten die besondere Haftungsgrundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die sich nach dem Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers richten. Demnach haftet der Arbeitnehmer je nach Vorwerfbarkeit seines Verhaltens gar nicht, nur anteilig oder in voller Höhe.

Leichte Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haftet nicht

Mittlere Fahrlässigkeit: Arbeitnehmer haftet hälftig neben dem Arbeitgeber

Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz: Der Arbeitnehmer haftet in voller Höhe.

Folglich haftet der Mitarbeiter lediglich, wenn er im Exzess gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt. Ein solcher liegt vor, wenn Beschäftigte personenbezogene Daten in einer Weise verarbeiten oder nutzen, die bei verständiger Würdigung nicht mehr dem Arbeitgeber als Verantwortlichem zugerechnet werden können. Häufig ist Eigennutz das Motiv für den Exzess.

Ein Beispiel für einen solchen Exzess stellt das Fehlverhalten eines Restaurant-Mitarbeiters dar, der während der Corona-Pandemie Daten aus der Kontaktnachverfolgung für private Zwecke nutze, um Kontakt zu einer Restaurant-Besucherin aufzunehmen. Darin ist ein Verstoß gegen den Zweckbindungsgrundsatz gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) DSGVO zu sehen, der nach Art. 83 Abs. 5 lit. a) DSGVO geahndet wird.

Datenschutzverstößen vorbeugen

Allerdings muss der Arbeitgeber selbst sicherstellen, dass er die Einhaltung des Datenschutzes ausreichend kontrolliert und angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, um eine Mitverantwortung aufgrund von Datenpannen auszuschließen. Dazu empfiehlt es sich beispielsweise, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten regelmäßig die Teilnahme an Schulungen zum Thema Datenschutz und IT-Sicherheit ermöglicht, wodurch bei seinen Mitarbeitern frühzeitig ein Risiko- und Sicherheitsbewusstsein entwickelt wird.

Konsequenzen für Arbeitgeber

Für den Arbeitgeber kann der Verstoß gegen Datenschutzvorschriften ernsthafte Konsequenzen haben, die zum Teil in teuren Geldbußen münden. Art. 83 DSGVO sieht Geldbußen bis zu 20 Mio. Euro oder in Höhe von 4% des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres eines Unternehmens vor – je nachdem welcher Wert höher ausfällt.

Nachfolgende Praxisbeispiele verdeutlichen, wie wichtig ein sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten ist:

BAG: Schadensersatz wegen DSGVO-Verstoßes durch heimliche Überwachung eines Arbeitnehmers durch vom Arbeitgeber beauftragte Detektei

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sprach einem Arbeitnehmer zuletzt in seinem Urteil vom 25.07.2024, 8 AZR 225/23 einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO gegen seinen Arbeitgeber zu, der die Gesundheitsdaten seines Angestellten rechtswidrig verarbeitete. Das den Schadensersatz begründende Verhalten des Arbeitgebers bestand darin, dass er eine Detektei beauftragte, die seinen Angestellten im Zeitraum einer Arbeitsunfähigkeit heimlich observierte, um den Verdacht vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen.

Über mehrere Tage observierte die Detektei den Angestellten und dokumentierte seinen sichtbaren Gesundheitszustand. Die erhobenen Daten nahm der Arbeitgeber sodann zum Anlass, die fristlose Kündigung des Mitarbeiters wegen des Verdachts vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit auszusprechen. Dagen wehrte sich der Arbeitnehmer erfolgreich mittels Kündigungsschutzklage und verlangte zudem Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die DSGVO durch unrechtmäßiges Erheben von Gesundheitsdaten. Die Erfurter Richter des BAG sprachen dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.500 Euro zu. Sie betonten, dass die Einschaltung einer Detektei nur gerechtfertigt sei, wenn dies im Sinne von Art. 9 Abs. 2 b DSGVO erforderlich ist. Die Erforderlichkeit sei lediglich in Ausnahmefällen zu bejahen, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch konkrete Zweifel erschüttert wurde und mildere Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Das Urteil macht deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Arbeitgeber an die Datenschutzbestimmungen halten, um sich vor der Gefahr von Schadensersatzansprüchen zu schützen. Das Urteil setzt klare Grenzen für die heimliche Überwachung von Angestellten.

BAG stellt konkrete Anforderungen an den Schadensnachweis

Mit Urteil vom 17. Oktober 2024 (Az. 8 AZR 215/23) betonte das BAG besonders die Notwendigkeit eines tatsächlich erlittenen Schadens für die Begründung des Schadensersatzanspruchs aus Art. 82 DSGVO und erhöht damit wiederum die Hürden des Anspruchs.

In dem hier zugrundeliegenden Fall verlangte der als Auszubildende angestellte Arbeitnehmer eines Fitnessstudiobetreibers (im Folgenden: Arbeitgeber) Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO, weil er sich in seinem Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO verletzt sah. Er verlangte von seinem Arbeitgeber die Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten, die sich auf einem vom Kläger privat genutzten USB- Stick befanden, den der Arbeitgeber aber zuvor an sich genommen hatte, weil er den Verdacht hegte, der Auszubildene habe darauf in unzulässiger Weise Mitgliederdaten gespeichert.

Der USB-Stick enthielt private Fotos, Videos und Bewerbungsunterlagen. Die Befürchtung der missbräuchlichen Verwendung dieser sensiblen Daten lösten bei dem Kläger eine nervliche Belastung und ein Gefühl des Unwohlseins aus.

Die Forderung von Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro wies das Arbeitsgericht zunächst ab, woraufhin das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgab. Das BAG versagte dem Kläger jedoch höchstrichterlich den Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens, weil der Kläger einen Schaden nicht hinreichend greifbar darlegen konnte, so die Erfurter Richter.

Die Angst vor dem Datenmissbrauch in Verbindung mit einem Gefühl des Unwohlseins reichen nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Zwar könne der erlittene Schaden noch so klein sein, allerdings genüge das bloße Berufen auf eine Gefühlslage nicht. Vielmehr muss sich der Schaden nachweisbar in einem tatsächlich erlittenen, spürbaren Unwohlsein manifestieren, um der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzanspruchs zu entsprechen.

Dieses Artikel soll erste Hinweise und einen Überblick zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis geben, erhebt dabei jedoch nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Für weitergehende Informationen melden Sie sich gerne bei uns! 

Die Kanzlei VON ALLWÖRDEN in Stade und Hamburg erbringt rechtliche Leistungen für Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Unternehmer

  • Prozessführung vor Arbeitsgerichten.
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Neuzugang in unserer Kanzlei: Rechtsanwalt Enno von Helldorff verstärkt unser Team

Neuzugang in unserer Kanzlei: 

Rechtsanwalt Enno von Helldorff verstärkt unser Team



Wir freuen uns sehr, Rechtsanwalt Enno von Helldorff als neuen Kollegen begrüßen zu dürfen.

Herr von Helldorff berät sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen in komplexen vertrags-, gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen und ist spezialisiert auf die strategische Prozessführung vor Gericht.

Vor seinem Eintritt in unsere Kanzlei war Herr von Helldorff in renommierten internationalen Wirtschaftskanzleien tätig und sammelte dort umfassende Erfahrungen in der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung sowie Abwehr wirtschaftsrechtlicher Ansprüche.

Sein juristisches Handwerkszeug erwarb er an der Bucerius Law School in Hamburg sowie am Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen, ergänzt durch Stationen in namhaften Kanzleien und dem Bundeswirtschaftsministerium. Zusätzlich verfügt er über einen Bachelorabschluss in Wirtschaftspsychologie.

Wir heißen ihn herzlich willkommen und freuen uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit!

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Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

Sexuelle Belästigung einer Kollegin während Betriebsfeier: Außerordentliche Kündigung gerechtfertigt?

ArbG Siegburg: Urt. v. 24.07.2024, Az. 3 Ca 387/24

09.05.2025

Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung während Betriebsfeier

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Eine außerordentliche Kündigung stellet ein besonders scharfes arbeitsrechtliches Mittel dar, mit dem ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden kann. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist sie nur dann zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei muss das Verhalten oder der Umstand, der die Kündigung rechtfertigt, „an sich“ geeignet sein, eine solche Maßnahme zu tragen, und es bedarf zusätzlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Bemerkenswert an dem nachfolgend besprochenen Urteil ist, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers, das seine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, während einer Betriebsfeier stattfand, also nicht während der regulären Arbeitszeit. Das Arbeitsgericht erachtete diesen Umstand als unerheblich:

Zum Sachverhalt:


Der gekündigte Mitarbeiter arbeitete seit einem Jahr bei dem beklagten Arbeitgeber und war während dieser Anstellung bereits wiederholt negativ aufgefallen, woraufhin er in der Vergangenheit abgemahnt wurde. Auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre fasste er einer Kollegin sodann an den Hintern. Als sie signalisierte, dies nicht zu wollen, hielt er sie am Arm fest und äußerte ihr gegenüber, sie solle dies als Kompliment verstehen. Der Arbeitgeber kündigte dem Mitarbeiter daraufhin außerordentlich fristlos, wogegen er sich per Kündigungsschutzklage wehrte, die im Ergebnis jedoch erfolglos blieb.

Die Entscheidung des ArbG Siegburg:


Das Arbeitsgericht Siegburg bestätigt in seinem Urteil die Wirksamkeit der Kündigung. Der Umstand, dass das sexuell belästigende Verhalten während einer Betriebsfeier stattfand und nicht während der regulären Arbeitszeit, erachtete das Gericht als unerheblich. Der Schlag auf den Po und das Festhalten gegen ihren Willen seien sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und stellen damit nach § 7 Absatz 3 AGG eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die das Vertrauen des Arbeitgebers in seinen Mitarbeiter nachhaltig erschüttere und es ihm unzumutbar mache, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Die Interessenabwägung fällt insbesondere deshalb so eindeutig zugunsten des Arbeitgebers aus, weil er nach § 2 Abs. 1 BeschSchG gesetzlich verpflichtet war, wirksame Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter – auch vorbeugend – zu treffen. Weil die arbeitnehmerseitige Pflichtverletzung derart schwerwiegend war, bedurfte es einer vorherigen Abmahnung nicht. Die Kammer betont dabei, dass der Arbeitnehmer damit rechnen musste, dass sein Arbeitgeber ein derartiges Verhalten nicht dulden würde.

Praxishinweis:


Außerordentlich fristlose Kündigungen sind immer Einzelfallabwägungen. Die Entscheidung, auch wenn sie im vorliegenden Fall naheliegend ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Immer ist zu erwägen, ob vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel in Betracht kommt. Dazu sollte der Arbeitgeber den Sachverhalt sorgfältig ergründen, Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern führen, Zeugen zum Hergang des Geschehens befragen und alles sorgfältig dokumentieren. Sexuelle Belästigung stellt regelmäßig eine schwere Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers dar, die in vielen Fällen eine Abmahnung entbehrlich macht – auch wenn dieses Fehlverhalten auf einer Betriebsfeier in lockerer Atmosphäre und unter Alkoholeinfluss stattfindet.

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Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

Arbeitsrecht: Die Änderungskündigung

BAG Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)

18.04.2025

Was ist eine Änderungskündigung?


Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf:

Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, separate Teile eines Arbeitsvertrages einseitig zu ändern. Möchte dieser unvorteilhafte Vertragsteile neu gestalten, aber an dem übrigen Vertrag festhalten, braucht er das Einverständnis des Vertragspartners. Kann zwischen den beiden Vertragsparteien keine Einigung erzielt werden, besteht für den Arbeitgeber eine weitere Möglichkeit: Er kündigt den bestehenden Vertrag und bietet dem Arbeitnehmer einen ­– nach den Vorstellungen des Arbeitgebers angepassten ­­­­­­– Vertrag an. Eine solche Vorgehensweise nennt sich Änderungskündigung. Wird dieser neue Vertrag mit den abgeänderten Bedingungen durch den Arbeitnehmer nicht angenommen, bleibt es bei der Kündigung des vorigen Arbeitsverhältnisses.

Änderungskündigung erhalten?  Das ist jetzt zu tun:


Ist der Arbeitnehmer mit der Änderung der Vertragsbedingungen einverstanden, kann er die Änderungskündigung annehmen.

Alternativ besteht die Möglichkeit, das Angebot auf eine Änderungskündigung vollumfänglich abzulehnen. Dann bleibt die Kündigung zurück, das Arbeitsverhältnis endet. Mit Hilfe einer Kündigungsschutzklage kann sodann die Kündigung auf ihre Wirksamkeit hin rechtlich überprüft werden. Stellt sich dabei heraus, dass die Kündigung unwirksam war, besteht das Arbeitsverhältnis fort. Dieses Vorgehen ist aber riskant:  Hat die Kündigungsschutzklage nämlich keinen Erfolg, sodass die Kündigung wirksam ist, besteht oftmals nicht mehr die Möglichkeit, das zuvor abgelehnte Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages nachträglich doch noch anzunehmen, da dieses nicht mehr rechtlich bindend ist. Damit stünde der Arbeitnehmer im schlimmsten Fall nun nicht nur mit einem nachteilig abgeänderten, sondern ohne jeglichen Arbeitsvertrag da.

Dem Arbeitnehmer ist stattdessen zu empfehlen, eine Änderungskündigung unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen „sozial ungerechtfertigt“ im Sinne des KSchG ist. Dadurch bleibt der Arbeitnehmer zunächst weiter beschäftigt, allerdings zu den neuen Vertragskonditionen, kann aber parallel vom Arbeitsgericht im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüfen lassen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Kommt das Gericht zu dem Entschluss, dass die Kündigung unwirksam ist, besteht das Arbeitsverhältnis zu den alten Konditionen fort. Sofern das Gericht die Kündigung für wirksam hält, besteht das Arbeitsverhältnis zu den neuen Arbeitsbedingungen fort. In vie­len Fällen bietet die Kündigungsschutzklage die Chan­ce, die Ver­schlech­te­rung von Ver­trags­be­din­gun­gen ab­zu­weh­ren.  

Zu beachten ist, dass die Annahme unter Vorbehalt innerhalb der Kündigungsfrist, also spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, geschehen muss, vgl. § 2 S. 2 KSchG.

PRAXISTIPP: Die An­nah­me un­ter Vor­be­halt soll­ten Sie in Text­form, z.B. per E-Mail, erklären und wie folgt for­mu­lie­ren:

„[Da­tum, An­re­de]

hier­mit neh­me ich Ihr / Eu­er / Dein Ände­rungs­an­ge­bot, das mit der Kündi­gung vom TT.MM.JJJJ ver­bun­den war, un­ter dem Vor­be­halt an, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist.

Bit­te bestäti­gen Sie / bestätigt mir / bestäti­ge mir den Er­halt die­ses Schrei­bens.

[Grußfor­mel]“

Welche Kündigungsgründe rechtfertigen eine Änderungskündigung?


Zunächst einmal kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nicht grundlos kündigen. Dabei gelten für die Änderungskündigung die gleichen Grundsätze wie für eine „normale“ Kündigung: Fällt das Arbeitsverhältnis unter die Kündigungsschutzvorschriften im KschG, braucht der Arbeitgeber einen gewichtigen Grund zur Kündigung seines Angestellten. Damit das Arbeitsverhältnis dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, müssen in dem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sein und der gekündigte Mitarbeiter muss länger als 6 Monate in Beschäftigung stehen. Liegen diese zwei Voraussetzungen vor, findet das KSchG Anwendung und die Kündigung bedarf eines der drei Kündigungsgründe, die das KSchG vorsieht. Eine Kündigung kann entweder aus verhaltensbedingten, aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen „sozial gerechtfertigt“ sein (§ 1 KSchG). Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, nach erfolgter (Änderungs-) Kündigung im Rahmen der Kündigungsschutzklage überprüfen zu lassen, ob ein solcher Grund vorgelegen hat. Er lässt damit rechtlich klären, ob die Kündigung wirksam war, oder nicht. Da eine Änderungskündigung nichts anderes ist, als eine Kündigung mit einem darauffolgenden Arbeitsangebot, gelten hier dieselben Grundsätze. Eine Ver­tragsände­rung ist im Ver­gleich zu ei­ner Be­en­di­gung des Arbeitsverhältnisses aber im­mer das mil­de­re Mit­tel, daher las­sen sich Ände­rungskündi­gun­gen ten­den­zi­ell leich­ter be­gründen als „normale“ Kündigungen.

BAG: Eine betriebsbedingte Änderungskündigung muss sozial gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16)


Trotzdem betonte das BAG in seinem Urteil vom 18.05.2017 (BAG – 2 AZR 606/16, Rn. 11) erneut, wie wichtig eine über die reine Sozialauswahl hinausgehende Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei Änderungskündigungen ist: „Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.“

Außerordentlich (fristlose) Änderungskündigung: Stets eine Einzelfallabwägung


Besondere Begründung bedarf das Aussprechen einer außerordentlichen (fristlosen) Änderungskündigung, die dann aber nicht mehr auf das KSchG, sondern auf den § 626 I BGB gestützt wird. Für eine außerordentliche Kündigung muss folglich ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 626 I BGB vorliegen, der so gewichtig sein muss, dass er die Einhaltung der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.

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Wir unterstützen Sie nach dem Erhalt einer (Änderungs-) Kündigung und prüfen die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage für Sie. Melden Sie sich dazu schnellstmöglich bei Ihrem Fachanwalt für Arbeitsrecht, um die Frist zur Klageerhebung, die drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung beträgt, nicht zu verpassen!

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Wel­che Fris­ten muss ich als Ar­beit­neh­mer bei Er­halt ei­ner Ände­rungskündi­gung im Blick haben?


1. Frist von drei Wo­chen ab Erhalt des Kündigungsschreibens zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge bzw. Ände­rungs­schutz­kla­ge

Für die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen eine Ände­rungskündi­gung hat der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 4 Satz 1 KSchG drei Wo­chen Zeit, ge­rech­net ab dem Zu­gang der Kündi­gung. Die Drei­wo­chen­frist wird ausschließlich durch Ein­gang der Kla­ge­schrift bei Ge­richt gewahrt.

2. Frist von drei Wo­chen für die Erklärung des Vor­be­halts gemäß § 2 KSchG

Auch die Annahme unter Vorbehalt muss fristgerecht erfolgen. Die Erklärung des Vor­be­halts muss gemäß § 2 Satz 2 KSchG in­ner­halb der Kündi­gungs­frist, spätes­tens aber drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung erklärt werden.

3. Vom Ar­beit­ge­ber ge­setz­te Frist für die An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots

Viele Arbeitgeber setzen selbst eine Annahmefrist im Ände­rungs­an­ge­bot, die meist im Text der Ände­rungskündi­gung ent­hal­ten ist. Dieses Vorgehen ist zwar grundsätzlich zulässig, allerdings darf die An­nah­me­frist nicht kürzer als die dreiwöchi­ge ge­setz­li­che Frist für die Erklärung des Vor­be­halts sein. Legt der Ar­beit­ge­ber dennoch ei­ne kürze­re An­nah­me­frist für sein An­ge­bot fest, wird trotz­dem (recht­lich ge­se­hen) ei­ne dreiwöchi­ge An­nah­me­frist (BAG, Ur­teil vom 18.05.2006, 2 AZR 230/05BAG, Ur­teil vom 01.02.2007, 2 AZR 44/06) fingiert.

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Annahmeverzugslohn im Kündigungsschutzverfahren: Die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes

Annahmeverzugslohn im Kündigungsschutzverfahren: Die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes

BAG, Urt. V. 07.02.2024 (5 AZR 177/23):

11.04.2025

Annahmeverzugslohn

Ihr Fachanwalt informiert Sie über den Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach unwirksamer Kündigung

Stellt sich eine Kündigung im Nachhinein vor dem Arbeitsgericht als unwirksam dar, sodass das Arbeitsverhältnis ununterbrochen fortbestand, so kann dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Zahlung des im Streitzeitraum entgangenen Lohns zustehen, sog. Annahmeverzugslohn (geregelt in § 615 BGB und § 11 KSchG). Zu Streit unter den Parteien und auch zu Schwierigkeiten in der Rechtsprechung führt regelmäßig, dass nicht immer klar ist, was der Arbeitnehmer sich auf seinen Anspruch anrechnen lassen muss, besonders wenn es sich dabei um fiktiven Erwerb handelt.

In der Abwägungsfrage darum, was vom Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess bezüglich der Bemühungen um anderweitige Beschäftigungen gefordert wird, gab es in den letzten Jahren einige Bewegung in der Rechtsprechung.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zuletzt mit Entscheidung vom 07.02.2024 (5 AZR 177/23 – Das Bundesarbeitsgericht) detailliert neue Kriterien für die entscheidende Gesamtabwägung ausformuliert. Das Urteil gehört zu einer Reihe von Urteilen, welche der Anrechnung von böswillig unterlassenem Verdienst eine erhöhte Praxisrelevanz verleiht und für Arbeitgeber tendenziell Hürden abgebaut hat.

Dieser Beitrag unseres Fachanwalts für Arbeitsrecht erläutert den  Annahmeverzugslohnanspruch im Kündigungsschutzprozess. Er stellt kurz die Voraussetzungen des Anspruchs dar und beschäftigt sich danach mit der Anrechnung böswillig unterlassenen Erwerbs. Dazu erläutern wir das aktuelle Urteil des BAG und welche Praxishinweise sich daraus für Arbeitgeber und Arbeitnehmer herleiten lassen.

Wann kommt Annahmeverzugslohn in Betracht?


Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich dann zu, wenn dieser seinem Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis seine Leistung anbietet, dieser sie jedoch nicht annimmt (§ 615 BGB und § 11 KSchG). In solchen Fällen gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB). Das tatsächliche Anbieten der Arbeitsleistung ist dafür nicht einmal erforderlich, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen hat (BAG 29.03.2023 – 5 AZR 255/22).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen in Fällen von Kündigungen, die sich später als unwirksam darstellen, ist meistens offensichtlich und führt somit selten zum Streit.

Was muss sich der Arbeitnehmer anrechnen lassen?


Der Anspruch steht stets unter der Einschränkung, dass sich der Arbeitnehmer das anrechnen lassen muss,

  • „was er durch anderweitige Arbeit verdient hat“ (§ 11 Nr. 1 KSchG) und
  • „was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen“ (§ 11 Nr. 2 KSchG).

„Böswilligkeit“ und „Zumutbarkeit“ führen als unbestimmte Rechtsbegriffe in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Schwierigkeiten. In der Vergangenheit war die Praxisrelevanz einer Anrechnung nach § 11 Nr. 2 KSchG gering; die Hürden für die Geltendmachung böswilligen Unterlassens sehr hoch. Das sich das mittlerweile geändert hat, zeigt unter anderem das nachfolgende Urteil.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 07.02.2024 – 5 AZR 177/23)


Im hier zugrundeliegenden Fall, ging es um die Klage eines Beschäftigten, mit welcher er Annahmeverzugslohn in Höhe von 103.200,35 Euro brutto geltend machte. Der Kläger war zuvor nach über 25 Jahren Beschäftigung gekündigt worden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg stellte später die Unwirksamkeit der Kündigung fest. Der Forderung nach Annahmeverzugslohn gab das LAG statt.

Diese Entscheidung hielt der Revision des BAG nicht stand. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe seien wesentliche Umstände im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht berücksichtigt worden. Das Urteil wurde aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. In Frage stand, ob böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs in Betracht komme.

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs (§ 11 Nr. 2 KSchG)


Wenn sich der Arbeitnehmer nach seiner Kündigung arbeitssuchend meldet und den Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit nachgeht, hat er sich regelmäßig keine Untätigkeit vorwerfen zu lassen. Was gilt aber, wenn es gar keine Vermittlungsangebote gibt?

Der Kläger meldete sich zeitnah nach seiner Kündigung als arbeitssuchend. In der Zeit, in der er Arbeitslosengeld I bezog, unterbreitete die Agentur für Arbeit ihm jedoch keine Stellenangebote. Denn: Der Kläger teilte zuvor per E-Mail mit, er wünsche erstens keine Stellenangebote und werde zweitens, in dem Fall, dass er zur Bewerbung gezwungen ist, dem potenziellen Arbeitgeber sofort mitteilen, dass er sich noch im Rechtsstreit mit seinem bisherigen Arbeitgeber befinde und dort unbedingt weiterarbeiten möchte. Er unternahm auch keine eigenständigen Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung.

In der Tatsache, dass der Kläger mit seinen Aussagen gegenüber der Agentur für Arbeit selbst die Ursache dafür geschaffen hat, dass er keine Stellenangebote vermittelt bekam, sieht das BAG einen klaren Anhaltspunkt für böswilliges Unterlassen seitens des Arbeitnehmers. Solches Handeln entspreche nicht dem einer „tatsächlich um eine Beschäftigung bemühten Person“. Dieser Umstand wäre bei der Gesamtabwägung der Vorinstanz zu berücksichtigen gewesen.

Zumutbarkeit anderweitiger Beschäftigungen


Weiter stellte das BAG in seiner Entscheidung erneut klar, dass die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung sich nicht allein daraus ergibt, dass der Verdienst im Verhältnis zur bisherigen Anstellung geringer wäre. Im Einzelfall müsse immer abgewogen werden, in welchem Ausmaß der Beschäftigte eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (auch bezüglich anderer Faktoren wie Ort und Arbeitszeit) hinnehmen müsse. „Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer jedoch nicht hinnehmen.“, so die Richter des Bundesarbeitsgerichts.

Im vorliegenden Fall stellt das Gericht klar, dass für den Kläger „eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I läge, während des Bezugszeitraums dieser Leistung“ nicht zumutbar sei.

Darlegungs- und Beweislast


Bezüglich der Einwendung nach § 11 Nr. 2 KSchG hat grundsätzlich der Arbeitgeber im Prozess darzulegen, dass im Zeitraum des Annahmeverzugs Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer bestanden, die auch zumutbar und zu verwirklichen wären. Dem Arbeitgeber steht dazu ein Anspruch auf Auskunft bei der Agentur für Arbeit zu. Den Arbeitnehmer trifft folgend nur die Pflicht, sich zu diesen Behauptungen wahrheitsgemäß zu äußern und zu erklären, welche Bemühungen er angestellt hat („sekundäre Darlegungspflicht“).

Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn nicht die Agentur für Arbeit, sondern der Arbeitgeber selbst dem Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung passende Stellenangebote übermittelt. Dies traf auf den vorliegenden Fall zwar nicht zu, das Gericht legte damit aber erneut die Möglichkeit für Arbeitgeber dar, mit solchem Verhalten den Arbeitnehmer zu veranlassen, weiteren Erwerbsmöglichkeiten nachzugehen.

Ihre Pflichten als Arbeitnehmer: Was Sie (nicht) tun müssen


Die Urteile jüngster Vergangenheit zeigen: Als Arbeitnehmer müssen Sie sich um anderweitigen Erwerb bemühen, auch wenn Sie davon ausgehen, dass die Kündigung für unwirksam erklärt werden wird. Mit dem reinen Abwarten im Vertrauen auf Annahmeverzugslohn könnten Sie Ihren Anspruch riskieren.

Es ist mithin zu empfehlen, sich nach der Kündigung bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend zu melden und Stellenangeboten sachgerecht nachzugehen (auch wenn ihr ehemaliger Arbeitgeber Ihnen diese zusendet). Im Regelfall kann Ihnen dann kein Fehlverhalten vorgeworfen werden. Zu Ihren Bemühungen werden Sie sich im Prozess äußern müssen, wenn diese infrage stehen. Im Einzelfall können Sie als Arbeitnehmer in der Pflicht stehen, selbst die Initiative zu ergreifen, anstatt auf zumutbare Jobangebote zu warten. Dazu müsste sich Ihnen aber stets eine realistisch zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit auftun.

Hingegen sind Sie als Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, sich „unermüdlich“ um anderweitigen Erwerb zu bemühen. Sie müssen sich auch nicht auf das erstmögliche Stellenangebot bewerben, sondern nur solchen nachgehen, die Ihnen zumutbar sind. Erheblich schlechtere Arbeitsbedingungen im Vergleich zur vorherigen Anstellung müssen Sie nicht in Kauf nehmen.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch das kaum ältere Urteil des BAG vom 24.01.2024 (5 AZR 331/22). Das Gericht gab einem Dienstherrn Recht und stellte fest: Wer sich vorsätzlich mit einem zu geringen Gehalt in einem neuen Arbeitsverhältnis während des Kündigungsschutzprozesses zufriedengibt, muss sich böswilliges Unterlassen vorwerfen und fiktiven Verdienst anrechnen lassen.

Praxistipp des Fachanwalts: Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber


Mit Blick auf die Rechtsprechung ist Arbeitgebern zu raten, gekündigten Arbeitnehmern selbst zumutbare Stellenangebote zu übermitteln. Darüber hinaus sollte nicht versäumt werden, die Pflicht zur Arbeitsuchendmeldung immer in das Kündigungsschreiben mitaufzunehmen.

Das Risiko, Annahmeverzugslohn zahlen zu müssen, lässt sich so mittlerweile deutlich verringern. Dennoch ist es ratsam, Beschäftigten nicht vorschnell aufgrund des vermeintlich geringen finanziellen Risikos zu kündigen: Die neueste Rechtsprechung hat sich zwar zugunsten der Arbeitgeber entwickelt, eine genaue Vorhersehbarkeit ergibt sich daraus aber nicht. Am Ende wägt das Gericht immer die jeweiligen Interessen im konkreten Einzelfall ab. Außerdem ist ein Rechtsstreit über den Anspruch auf Annahmeverzugslohn weiterhin mit einem nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

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  • Prozessführung vor Arbeitsgerichten.
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Verfällt mein Resturlaub aus dem letzten Jahr?

Verfällt mein Resturlaub aus dem letzten Jahr?

14.02.2025

Resturlaub

Das passiert mit Ihrem Urlaubsanspruch zum Jahresende:

Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht klärt auf

Ein Blick ins Gesetz gibt einen ersten Anhaltspunkt: § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) besagt, dass ein jeder Arbeitnehmer grundsätzlich einen Mindestanspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 4 Wochen hat. Dieser verfällt bei Nichtinanspruchnahme mit dem laufenden Kalenderjahr.

Hinweispflicht des Arbeitgebers

Zum Schutz des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit gelte dies allerdings nicht, so der EuGH, wenn der Arbeitgeber seinen Angestellten nicht auf den verbleibenden Urlaub hingewiesen habe. Bei fehlendem Hinweis auf den bestehenden Resturlaub bleibe der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Vorjahr bestehen und verjähre auch nicht nach § 195 BGB, so der EuGH in seinem Urteil (v. 22.09.2022, C-120/21).

Urlaubsansprüche können sich bei wiederholter Versäumnis der Aufforderung durch den Arbeitgeber sogar von Jahr zu Jahr anhäufen.

Praxishinweise zum Aufforderungsgebot des Arbeitgebers und weiterführende Informationen rund um das Thema Resturlaub erhalten Sie hier.

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BAG: Elektronische Gehaltsabrechnungen ausreichend

BAG: Elektronische Gehaltsabrechnungen ausreichend

30.01.2025

Entscheidung des Monats Januar 2025:


Mit Urteil vom 28.01.2025 (Az. 9 AZR 487/24) stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass Gehaltsabrechnungen, die lediglich digital über das betriebsinterne Intranet zur Verfügung gestellt werden ausreichen, wenn es den Beschäftigten möglich ist, die Dokumente im Unternehmen auszudrucken.

Eine Edeka-Verkäuferin aus Niedersachsen bestand im hier zugrunde liegenden Fall auf eine Gehaltsabrechnung aus Papier. Das BAG macht jedoch deutlich, dass die elektronische Breitstellung dem Formerfordernis der Textform des § 108 Abs. 1 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) genüge.

Lesen Sie hier mehr zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

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Änderungen im Arbeitsrecht 2025: Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns

Mindestlohn gestiegen auf 12,82 Euro brutto pro Stunde

29.01.25

Anhebung Mindestlohn auf 12,83 Euro brutto pro Stunde

Ihr Anwalt und Fachanwalt informiert Sie über Gesetzesänderungen im Arbeitsrecht

Mit der Anhebung des Mindestlohns zum Jahreswechsel 2025 verdienen Beschäftigte nunmehr mindestens 12,82 Euro brutto die Stunde. Der gesetzliche Mindestlohn wurde damit um 41 Cent angehoben.

Weitere Informationen

Erfahren Sie hier, für wen der Mindestlohn gilt, wie hoch die angehobene Geringfügigkeitsgrenze für Minijobs ist, welche Erhöhungen es bei der Mindestvergütung für Auszubildende gibt und wie wir Ihnen als kompetenter Partner zur Seite stehen. Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an!

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Arbeitsrecht: Die betriebsbedingte Kündigung (KSchG)

Arbeitsrecht: Betriebsbedingte Kündigung (KSchG)

29. Januar 2025

Ihr Anwalt und Fachanwalt informiert Sie über die betriebsbedingte Kündigung gem. KSchG im Arbeitsrecht

Beschäftigt ein Unternehmen mehr als 10 Mitarbeiter, fallen diese ab einer Beschäftigungsdauer von 6 Monaten unter das Kündigungsschutzgesetz, dessen besonderen Schutz den Arbeitnehmern zu Gute kommt. Für Kündigungen kommen dann nur drei Kategorien von Gründen in Betracht, die einer sozialen Rechtfertigung bedürfen. Der Arbeitgeber kann aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen kündigen und muss stets eine Einzelfallabwägung vornehmen. Im Folgenden erfahren Sie mehr über die Anforderungen, die an eine wirksame betriebsbedingte Kündigung gestellt werden.

Betriebsbedingte Kündigung: Fachanwalt für Arbeitsrecht hilft (KSchG)

Definition: Das ist eine betriebsbedingte Kündigung:


Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, die beispielsweise sinkende Umsätze oder eine Umstrukturierung nach sich zieht, kommt die betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist aufgrund eines verringerten Beschäftigungsbedarfs des Unternehmens aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Zur Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Ein betriebliches Erfordernis steht der Weiterbeschäftigung entgegen,
  2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers (auch an einem anderen Arbeitsplatz) ist unmöglich (sog. Dringlichkeit) und
  3. der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl treffen

Weitergehende Informationen:


Hier informieren wir Sie vertieft über die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung und ihrer Abgrenzung zu anderen Kündigungsarten. Außerdem erfahren Sie, wie Sie sich bestmöglich gegen eine solche wehren können und wie wir Ihnen dabei kompetent und zuverlässig zur Seite stehen. Sprechen Sie uns gerne an!

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