Podcast zum Markenrecht

Das Wirtschaftsmagazin Business & People hat unseren Partner Benjamin von Allwörden zum Thema Markenrecht interviewt. Dabei werden einige Grundregeln des Markenrechts erläutert und es wird erklärt, warum markenrechticher Schutz sehr wichtig und wertvoll sein kann.
Hören Sie hier gern in den Podcast rein:

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Marketing durch Influencer: Was ist Schleichwerbung?

Mit drei aktuellen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof eine jahrelange Diskussion über Kennzeichnungspflichten von Influencern vorerst beendet, nachdem die Vorinstanzen durchaus kontroverse Rechtsauffassungen vertreten haben. Es ging im Kern um eine Frage: Was muss als Werbung gekennzeichnet werden?

Postings mit Gegenleistung müssen gekennzeichnet werden

Im Grundsatz gilt nach den aktuellen Entscheidungen der letzten Instanz Folgendes: Erhält ein Influencer eine Gegenleistung für ein Posting, so muss er die Veröffentlichung immer hinreichend als werblichen Inhalt kennzeichnen. Denn es handelt sich um geschäftliche Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten der eigenen Person und des beworbenen Unternehmens. Der Begriff der Gegenleistung ist dabei weit zu verstehen; auch die kostenfreie Überlassung eines Produktes zum Zwecke der Bewerbung kann eine Gegenleistung darstellen. Fehlt es an einer hinreichenden Kennzeichnung, wird dadurch eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne des § 5a UWG verwirklicht.

Postings ohne Gegenleistung können auch einer Kennzeichnungspflicht unterliegen

Erhält ein Influencer demgegenüber keine Gegenleistung, soll es auf den Einzelfall ankommen. Eine Kennzeichnungspflicht besteht dann nämlich nur, wenn der Beitrag nach seinem Gesamteindruck „übertreiben werblich“ ist. Dies soll dem Bundesgerichtshof zufolge angenommen werden können, wenn ohne kritische Distanz allein die Vorteile eines Produkts lobend hervorgehoben werden und dadurch keine sachlich veranlasste Darstellung mehr gegeben ist. Verlinkungen zu den Produkten oder Unternehmen kommt in diesem Zusammenhang eine starke Indizwirkung zu, wodurch der Eindruck werblicher Inhalte bekräftigt wird.  

Gilt für Unternehmen dasselbe wie für Influencer?

Ob auch Unternehmen Ihre Inhalte in den Sozialen Medien als Werbung kennzeichnen müssen, kommt auf die Art der Darstellung an. In der Regel unterliegen solche Inhalte jedoch keiner Kennzeichnungspflicht. Denn für den Durchschnittsbetrachter ist bei Unternehmensseiten – im Gegensatz zu den Profilen von Influencern – sofort erkennbar, dass es sich um kommerzielle Inhalte handelt. Eine Verschleierung geschäftlicher Handlungen ist daher in den meisten Fällen fernliegend. 

Was bedeuten die neuen Entscheidungen für die Praxis?

Klar ist damit nun, dass durch die Art und Weise der Darstellung auch ohne Gegenleistung Inhalte einer Kennzeichnungspflicht unterliegen können. Die Frage nach einer Gegenleistung ist damit jedenfalls nicht alleiniges Kriterium zur Unterscheidung. Eine Bewertung im Einzelfall, ob eine „übertrieben werbliche“ Darstellung vorliegt, hängt von der richterlichen Würdigung ab. In Zweifelsfällen sollten Postings, auf denen Produkte nicht nur beiläufig zu erkennen sind, zur Vermeidung von Abmahnungen daher als Werbung gekennzeichnet werden. Klar geworden ist aber auch: Nicht jeder Beitrag, auf dem Markenprodukte zu erkennen sind, stellt eine Werbung oder Schleichwerbung dar.

Wann eine Kennzeichnung hinreichend ist, wurde nicht erneut thematisiert. Die Kennzeichnung sollte nach ständiger Rechtsprechung daher auf den ersten Blick ohne „analytische Betrachtung“ erkennbar sein.

Eine brauchbare Handlungsanweisung für Influencer hat der Bundesgerichtshof mit den neuen Entscheidungen leider nicht herbeigeführt.

Die Pressemitteilung des BGH finden Sie hier:

Pressemitteilung des BGH

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E-Commerce: Zur Haftung von Onlinehändlern

Die Betreiber eines Onlineshops sind einer Vielzahl von Haftungsrisiken ausgesetzt. Insbesondere Markenrechte Dritter und wettbewerbsrechtliche Vorschriften können den Verantwortlichen schnell zum Verhängnis werden. Ob Rechtsverletzungen wissentlich verübt wurden, spielt dabei meistens keine Rolle.

Auf Marktplätzen und Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay haften die Inhaber eines Shops im Grundsatz vorrangig für Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit ihren Verkaufsangeboten. Die Betreiber der Marktplätze gelten insofern medienrechtlich als Hostprovider – sie haften nur unter engen Voraussetzungen direkt für Rechtsverletzungen und in der Regel erst, nachdem sie von einer Rechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurden.

Wann haftet ein Shop für eigene Inhalte?

Für eigene Inhalte haftet stets der Betreiber eines Shops. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 TMG (Telemediengesetz). Diese nach außen gerichtete Haftung besteht unabhängig davon, ob Rechte Dritter oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften wissentlich oder gar mit Absicht verletzt wurden. Handlungen der eigenen Mitarbeiter, engagierter Freiberufler oder beauftragter Agenturen stehen dieser „Außenhaftung“ in aller Regel nicht entgegen. Anwaltliche Abmahnschreiben wegen Rechtsverletzungen lösen vor diesem Hintergrund oft einen „Aha-Moment“ bei den Verantwortlichen aus, die zuvor oft keine Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung hatten.

Wann haftet ein Onlinehändler als Störer?

Bei einer Verletzung absoluter Rechte – wie beispielsweise fremder Markenrechte – kann als Störer in Anspruch genommen werden, wer in irgendeiner Weise willentlich und kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht zu stark auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die Rechtsverletzung vorgenommen haben, setzt die Störerhaftung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Verletzung von Prüfpflichten voraus (siehe dazu beispielhaft BGH, Urteil v. 15.08.2013 – I ZR 80/12 und BGH, Urteil v. 26.11.2015 – I ZR 174/14).

Bietet ein Marktplatz die Möglichkeit, dass andere Händler und Verkäufer die Beschreibung eines Produktes nachträglich verändern oder ergänzen, besteht wegen der gefahrerhöhenden Wirkung durch diese Möglichkeit eine besondere Überwachungs- und Prüfpflicht der eigens eingestellten Beschreibung. Denn Händler müssen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in diesem Fall damit rechnen, dass die eigenen Texte durch Dritte manipuliert werden (BGH, Urteil v. 03.03.2016 – I ZR 140/14).

Dieser Verpflichtung zur Prüfung und Überwachung der Händler steht es nicht entgegen, dass Nutzungsbedingungen des Betreibers der Plattform eine nachträgliche Veränderung untersagen, solange faktisch eine technische Möglichkeit der Veränderung besteht (so OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 05.12.2019 – 6 U 182/18). Welche konkreten Überwachungs- und Prüfungsmaßnahmen erforderlich und zumutbar sind, hängt vom Einzelfall ab. Der Bundesgerichthof befand eine Prüfung erst fünf Wochen nach Einstellung eines Verkaufsangebots für unzureichend (BGH, Urteil v. 03.03.2016 – I ZR 140/14). Die Prüfungen und Überwachungsmaßnahmen müssen nachweisbar sein.

Haftet ein Händler für Algorithmen einer Verkaufsplattform?

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat die Grundsätze der Störerhaftung mit einer aktuellen Entscheidung weiterentwickelt (Beschluss v. 18.03.2021 – 6 W 8/18). Danach sollen Betreiber eines Onlineshops bei einer Verletzung von Prüfpflichten haften, wenn ein Algorithmus der Verkaufsplattform einem angebotenen Produkt ein anderes Produktfoto zuweist. Das Angebot einer Händlerin wurde für wettbewerbswidrig befunden, da das eigens verwendete Produktfoto durch einen Algorithmus der Plattform gegen ein anderes Bild ausgetauscht wurde. Auf dem neuen Foto war ein originalverpackter Artikel zu sehen, obwohl unverpackte Ware angeboten wurde. Darin lag ein wettbewerbswidriges Verhalten, was wegen einer Verletzung der Prüfungs- und Überwachungspflichten nach den Grundsätzen der Störerhaftung zu verantworten war.

Muss ich meinen Shop überwachen?

Ob Überwachungspflichten bestehen, hängt von den technischen Funktionen der genutzten Verkaufsplattform und von der Frage ab, ob Dritte (z.B. andere Händler) Einwirkungsmöglichkeiten auf einzelne Angebote haben. Die technischen Funktionen von Verkaufsplattformen sollten jedem dort tätigen Onlinehändler bekannt sein. Auch sollten die Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers bekannt sein. Erforderlichenfalls können Haftungsrisiken durch standardisierte und dokumentierte Überwachungsmaßnahmen verringert werden.

Infos zur bevorstehenden Reform des Kaufrechts

Infos zum Thema AGB

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Das neue Kaufrecht ab 2022: Ein Überblick

Das Kaufrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird digitaler. Was wird sich alles ändern? Und was gilt ab 2022?

Das deutsche Kaufrecht wird mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 reformiert. Wegen der neuen EU-Richtlinie 2019/771 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Mai 2019 hat die Bundesregierung das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags verabschiedet.

Im Folgenden sind die wesentlichen Änderungen dargestellt:

Anwalt Kaufrecht: Der neue Sachmangelbegriff

Der Mangelbegriff aus § 434 BGB wird neu gefasst.

Bislang war eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit aufwies oder sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine übliche Beschaffenheit aufweist.

Die Neufassung des § 434 BGB erweitert nun die Voraussetzungen einer Mangelfreiheit. Eine Sache ist nach § 434 BGB n.F. nun mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven und den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen der neuen Vorschrift entspricht.

Die subjektiven Anforderungen sind in § 434 Abs. 2 BGB n.F normiert. Den subjektiven Anforderungen entspricht der Kaufgegenstand, soweit er die vereinbarte Beschaffenheit hat und sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen übergeben wird. Es wird damit gesetzlich klargestellt, dass auch Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität Teil der Beschaffenheit sind.

Die objektiven Anforderungen sind im neuem § 434 Abs. 3 BGB geregelt. Den objektiven Anforderungen entspricht die Sache, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist. Die Art der Sache und die öffentlichen Äußerungen des Verkäufers und anderen Gliedern der Vertragskette, insbesondere in Form von Werbung oder Etiketten, sollen Berücksichtigung finden.

Objektive Anforderungen muss laut Kaufrecht der Kaufsache entsprechen

Hat der Verkäufer eine Probe oder ein Muster bereitgestellt, so muss die Kaufsache diesem entsprechen, um den objektiven Anforderungen zu entsprechen. Den objektiven Anforderungen entspricht die Kaufsache zudem nur, wenn sie mit Zubehör einschließlich der Verpackung sowie den Anleitungen übergeben wird.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören nun auch Menge, Qualität und sonstige Merkmale, wie etwa die Haltbarkeit, Kompatibilität, Funktionalität und Sicherheit.

Erstmals wird im neuen § 434 Abs. 5 BGB auch normiert, dass die Lieferung einer anderen als der vertraglich geschuldeten Sache einem Sachmangel gleichsteht.

Mangelbegriff wird erweitert und konkretisiert

Der neue Mangelbegriff aus § 434 BGB wird somit gegenüber der alten Fassung erheblich erweitert und konkretisiert. Die Kaufsache muss nun der individuellen Beschaffenheitsvereinbarung entsprechen und zudem auch objektiv für die Verwendung geeignet sein bzw. eine Beschaffenheit aufweisen, die für Sachen der gleichen Art üblich ist. Bemerkenswert ist, dass ein Kaufgegenstand nunmehr auch mangelhaft sein kann, auch wenn er der vereinbarten Beschaffenheit vollständig entspricht. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Beschaffenheit dem Vereinbarten entspricht, die Sache sich jedoch nicht für eine gewöhnliche Verwendung eignet.

Neue Beweislast: Verlängerte Beweislastregelung

Darüber hinaus ändern sich die Regelungen zur Beweislastkehr. Bisher wird gemäß § 477 BGB vermutet, dass die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt.  Für Kaufgegenstände verlängert sich die Beweislastumkehr auf nunmehr ein Jahr anstelle von bisher sechs Monaten. Zeigt sich somit ein Sachmangel binnen eines Jahres nach Gefahrübergang, so wird zugunsten des Käufers und zulasten des Verkäufers vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.

Der neue § 477 Abs. 1 BGB bezieht sich nun sowohl auf den Sachmangel nach § 434 BGB als auch auf den Sachmangel nach § 475b n.F., also auch auf digitale Sachmängel.

Mängelgewährleistungsansprüche trotz Kenntnis

442 Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Mängelgewährleistungsrechte des Käufers ausgeschlossen sind, wenn dieser bei Vertragsschluss den Mangel kennt oder im Falle fahrlässiger Unkenntnis, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen hat. Gemäß der neuen Regelung im Verbrauchsgüterkaufrecht aus § 475 Abs. 3 S. 2 BGB hat der Gesetzgeber die Vorschrift nun für Verbraucher als nicht anwendbar befunden. Dies ist folgerichtig, da angesichts des neuen Mangelbegriffes sowohl die subjektiven als auch die objektiven Anforderungen an die Mängelfreiheit gewährleistet sein müssen. Wenn eine individuelle Vereinbarung für die Mangelfreiheit nicht ausreicht, gilt dies folgerichtig auch für die Kenntnis eines Verbrauchers über einen Sachmangel.

Gleichwohl kann gemäß § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. der § 434 Abs. 3 BGB n.F. abbedungen werden. Dafür muss der Unternehmer dem Verbraucher vor Abgabe der Willenserklärung mitteilen, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von den objektiven Anforderungen abweicht. Zusätzlich muss dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart werden.

Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung gegenüber Verbrauchern

Beachtlich ist auch die Neufassung von § 475 BGB. So hat der Gesetzgeber § 475 Abs. 4 BGB aufgehoben. Bisher konnte sich ein Unternehmer gegenüber Verbrauchern nicht auf eine absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung berufen. Dies ändert sich nun. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. erstreckt sich nun auch auf § 442 BGB. Dies ist die notwendige Konsequenz aus der Neufassung des Mangelbegriffes. Entspricht der Kaufgegenstand in subjektiver Hinsicht zwar den Anforderungen, nicht aber in objektiver Hinsicht, so gilt die Sache dennoch als mangelhaft, soweit § 434 Abs. 3 BGB n.F. nicht gilt, also gemäß § 476 Abs. 1 BGB n.F. wirksam abbedungen wurde.

Aktualisierungspflicht: Neuer digitaler Sachmangel  

Der Gesetzgeber hat für Kaufsachen mit digitalen Elementen die §§ 475b bis 475e BGB neu geschaffen. Anzuwenden sind die Vorschriften auf Sachen, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten, dass sie ihre Funktionen ohne die digitale Komponente nicht erfüllen können. Unter die Vorschrift fallen beispielsweise Smartwatches oder Smart-TVs, wohl aber auch Smartphones, Laptops, Heimcomputer und vieles mehr. Bei den vorgenannten Produkten bestimmt sich der Sachmangelbegriff weiterhin nach § 434 BGB, die Vorschrift des § 475b BGB ist jedoch ergänzend anzuwenden.

Die Sache ist gemäß § 475b Abs. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den objektiven und subjektiven Anforderungen entspricht und zusätzlich während eines später definierten Zeitraumes die Aktualisierungspflicht gewahrt wird. Erstmals kommt es also für das Vorliegen eines Sachmangels nicht ausschließlich auf den Zeitpunkt des Gefahrüberganges an.

Kaufrecht wird um digitale Elemente der Kaufsache ergänzt

Die subjektive Komponente des neuen § 434 Abs. 2 BGB wird dahingehend ergänzt, dass gemäß § 475b Abs. 3 Nr. 2 BGB n.F. für die digitalen Elemente der Kaufsache die vereinbarten Aktualisierungen bereitgestellt werden.

Die objektive Komponente des neuen § 434 Abs. 3 BGB wird dahingehend ergänzt, dass die Sache den objektiven Anforderungen entspricht, wenn sie während eines Zeitraums, den der Verbraucher bei der jeweiligen Sache erwarten darf, Aktualisierungen erhält, die für den Erhalt einer vertragsgemäßen Nutzung erforderlich sind. Es besteht damit eine kodifizierte Aktualisierungspflicht.

Dies dürfte insbesondere Updates von Endgeräten wie Smartphones und Computern betreffen. Problematisch ist der nicht konkret definierte Zeitraum, in dem Updates tatsächlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Die fehlende gesetzgeberische Definition wird von der Rechtsprechung auszufüllen sein.

Neu ist der Umstand, dass eine Sache „nachträglich“ mangelhaft wird, soweit der Hersteller bzw. Verkäufer nicht für den zu erwartenden Zeitraum Updates bereitstellt. Der Mindestzeitraum für die Bereitstellung von Updates beträgt gemäß § 475c Abs. 3 BGB n.F. zwei Jahre ab Gefahrübergang.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass § 445b Abs. 2 S. 2 BGB aufgehoben wurde. Bisher unterlag der Lieferantenregress einer absoluten Verjährungsdauer von fünf Jahren. Diese absolute Verjährungsfrist wurde nun aufgehoben. Der Verkäufer der Ware kann sich daher auch nach Ablauf dieses Zeitraums an den Hersteller wenden und Regress fordern, wenn er sich etwa Mängelgewährleistungsansprüchen des Verbrauchers wegen fehlender Updates ausgesetzt sieht.

Neuer Vertragstyp für digitale Inhalte in den §§ 327 ff. BGB

Im Zuge der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie hat der Gesetzgeber in den neuen §§ 327 ff. BGB ergänzende Vorschriften für Verbraucherverträge über digitale Produkte geschaffen, welche die Vorschriften etwa des Kauf- oder Mietrechts ergänzen. Die Vorschriften erstrecken sich auf Verbraucherverträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen gegen Zahlung eines Entgelts zum Gegenstand haben. Erfasst sind gemäß § 327 Abs. 3 BGB jedoch auch Verbraucherverträge, bei denen der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zur Bereitstellung verpflichtet, ohne einen weitergehenden „Preis“ für die digitalen Inhalte zu zahlen.

Der neue § 327b BGB regelt die Erfüllung der Leistungspflicht hinsichtlich der Bereitstellung. Die Vorschriften regeln in § 327c BGB auch selbst die Rechte des Käufers bei unterbliebener Bereitstellung. Gewährleistungsrechte sind in §§ 327i – 327m BGB normiert.

Was ändert sich durch das neue Kaufrecht?

Unternehmer sollten Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf die Reform des Kaufrechts anpassen. Insbesondere bedeutsam dürfte hier die Beachtung der §§ 476 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 BGB n.F. sein. Unternehmer können das Erfordernis der objektiven Anforderungen an die Kaufsache abbedingen, soweit der Verbraucher hierüber vor Abgabe seiner Willenserklärung in Kenntnis gesetzt wird und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Andernfalls haften sie für Sachmängel, selbst wenn das Produkt die vereinbarte Beschaffenheit aufweist.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Individualvertraglich könnten zudem Regelungen zur Aktualisierungspflicht nach Ablauf des zweijährigen Mindestzeitraums getroffen werden.

Bedeutsam wird ebenfalls die Beachtung des § 475b BGB sein. Schuldner des Mängelgewährleistungsanspruches ist der Verkäufer. Er haftet daher bei fehlenden Updates gegenüber dem Verbraucher. Zu beachten ist jedoch, dass der Verkäufer beim Hersteller Regress nehmen kann und zwar zukünftig ohne die absolute Verjährungsfrist von fünf Jahren. In jedem Fall sollten Verkäufer und Hersteller jedoch vorab sicherstellen, dass Mängelgewährleistungsansprüche gar nicht erst entstehen. Dies wird nicht ohne eine längerfristige Zurverfügungstellung von Updates möglich sein.

Verbraucher hingegen können sich auf größtenteils erweiterten Verbraucherschutz einstellen. Insbesondere die Verlängerung der Beweislastkehr auf ein Jahr ab Gefahrübergang sorgt für eine deutliche Stärkung des Verbraucherschutzes.

Anwaltliche Leistungen der VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte in Hamburg und Stade

  • Überprüfung und Erstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
  • Erstellung und Verhandlung von Verträgen im Bereich Handel und Vertrieb.
  • Kooperationsverträge und Handelsverträge.
  • Beratung zum Recht der Handelsvertreter.

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Gericht kippt Löschfristen der SCHUFA

Das Oberlandesgericht Schleswig erklärte mit einer aktuellen Entscheidung eine weit verbreitete Praxis der Bonitäts-Auskunfteien für rechtswidrig (Urteil v. 02.07.2021 – 17 U 15/21). Geklagt hatte ein Unternehmer, dem nach einer Privatinsolvenz eine amtsgerichtliche Restschuldbefreiung erteilt wurde. Die SCHUFA Holding AG hielt die Information der Restschuldbefreiung unter Nennung des Datums in Ihrer Datenbank zum Zwecke eines Abrufes durch Dritte vor. Der Kläger berief sich darauf, dass ihm wegen der Datenverbreitung durch die SCHUFA eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben nicht möglich sei. Als der Löschungsanspruch geltend gemacht wurde, lag die Rechtskraft des Beschlusses über die Restschuldbefreiung bereits mehr als sechs Monate zurück. Dem Löschungsanspruch wurde stattgegeben, da das Gericht keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung erkennen konnte.

Warum wurde dem Löschungsanspruch stattgegeben?

Das Oberlandesgericht prüfte alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung, die dem geltend gemachten Löschungsanspruch des Klägers hätten entgegenstehen können. Die potentiellen Rechtfertigungsgründe wurden insgesamt verneint.

Welche Rechtsgrundlagen kommen für die Datenverarbeitung in Betracht?

Eine Einwilligung des Klägers in die Datenverarbeitung lag nicht vor. Als Rechtsgrundlage konnte auch kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien herangezogen werden. Die Ausübung „öffentlicher Gewalt“ wurde dem privatrechtlichen Unternehmen erneut abgesprochen (so auch LG Frankfurt, Urteil v. 20.12.2018 – 2-05 O 151/18). Darüber hinaus verneinte das Gericht auch eine Datenverarbeitung „im öffentlichen Interesse“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO. Zwar komme Auskunfteien im Grundsatz eine Funktion im Wirtschaftsleben zu, die öffentliche Interessen befriedigt. Gleichwohl sei diese spezifische Datenverarbeitung und die Dauer der Verarbeitung kein „Erfordernis“, um die Funktion der Auskunfteien zu erfüllen.

Wann liegt ein berechtigtes Interesse vor?

Interessen, die eine Datenverarbeitung legitimieren, können zudem nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e) DSGVO in den berechtigten Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder in den Interessen Dritter liegen. Beides verneinte das Oberlandesgericht nach umfassender Prüfung.

Die Interessen der Auskunftei selbst können nach überzeugender Auffassung des Gerichts nicht zu einer Berechtigung der Datenverarbeitung führen, da sie im Widerspruch zu den Wertungen des Gesetzgebers stehen. In § 3 InsoBekV (Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren) ist geregelt, dass spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft eines Beschlusses über eine Restschuldbefreiung die veröffentlichten Daten gelöscht werden. Nach Ablauf dieses Zeitraumes besteht kein berechtigtes Interesse mehr von Auskunfteien, die veröffentlichten Daten zu verbreiten.

Zudem wurde mit der Entscheidung auch klargestellt, dass keine Interessen Dritter zu einer Berechtigung der Datenverarbeitung führen können, da es sich bloß um abstrakte Interessen möglicher künftiger Vertragspartner des Betroffenen handelt. Eine Befriedigung dieser abstrakten Interessen stünde ebenfalls im Widerspruch zu § 3 InsoBekV.

Bemerkenswert an der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist die deutliche Absage an die Verhaltensregeln der Auskunfteien, die von dem Verband „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erstellt wurden und eine Löschung von Informationen über Restschuldbefreiungen nach drei Jahren vorgesehen haben. In diversen von unserer Sozietät geführten Verfahren haben sich verschiedene Auskunfteien stets darauf berufen, im Einklang mit diesen Verhaltensregeln zu handeln, die von der Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen sogar für rechtmäßig befunden wurde. Den Verhaltensregeln und damit der Datenschutzaufsichtsbehörde stellte sich das Oberlandesgericht nun ausdrücklich entgegen.

Wann sind SCHUFA-Einträge rechtswidrig?

Ob und unter welchen Voraussetzungen negative Einträge in Auskunfteien rechtswidrig sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Von Vertragspartnern der Auskunfteien (z.B. Banken oder Mobilfunkanbietern) mitgeteilte Informationen werden rechtlich anders bewertet als Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Vollstreckungsportalen.

Gern überprüfen wir für Sie, ob Sie betreffende Einträge in Bonitäts-Auskunfteien rechtmäßig sind.

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PODCAST: Benjamin von Allwörden über 3 Jahre Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Das Wirtschaftsmagazin Business & People hat unseren Partner Benjamin von Allwörden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, zum Thema Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) interviewt. Dabei geht es unter anderem um Datenschutz im Arbeitsrecht und Auswirkungen des Datenschutzes auf das Homeoffice.

Hören Sie sich den Podcast in voller Länge hier an:

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Zum Recht auf Vergessenwerden

Habe ich ein Recht auf „Vergessenwerden“ im Internet?

Im Zeitalter der Internetsuchmaschinen kommt den Online-Archiven von Presseorganen eine hohe Bedeutung zu. So können durch die Eingabe eines Namens, etwa bei Google, Berichterstattungen auf einfachem Wege weltweit aufgefunden werden, die der Betroffene schon längst vergessen glaubte.

Mit einer vielbeachteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2014 wurde das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ geschaffen (EuGH, Urteil v. 13.05.2014 – C-131/12). Das Gericht entschied seinerzeit, dass als besonderer Ausfluss des Persönlichkeitsrechts ein Anspruch darauf bestehen kann, nicht mehr dauerhaft öffentlich mit Vorgängen konfrontiert zu werden, die längst abgeschlossen sind. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen im Internet auffindbaren Artikel über eine private Pfändung, die mehr als 15 Jahre zurücklag.

Durch die im Mai 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wurde dieses Recht erstmals normiert. Nach Art. 17 der DSGVO besteht ein „Recht auf Löschung“ personenbezogener Daten. Wie genau diese ausdifferenzierte Regelung unter Art. 17 DSGVO auszulegen ist, insbesondere die Frage, wann „vorrangige berechtigte Gründe“ für die Datenverarbeitung vorliegen und dem Recht auf Löschung entgegenstehen, beschäftigt seither die deutschen Gerichte.

Wie ist dieses Recht ausgestaltet und welche Kriterien gelten?

Zum Recht auf Vergessenwerden wurden in Deutschland bereits in verschiedenen Zusammenhängen zahlreiche Urteile gefällt. In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun das Bundesverfassungsgericht erneut zu der Reichweite dieses Rechts positioniert (BVerfG, Beschluss v. 23. Juni 2020, Az. 1 BvR 1240/14). Der Entscheidung ging eine Pressberichterstattung über einen in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmer voraus. In der Berichterstattung wurden eine aktuelle strafrechtliche Verurteilung sowie laufende Strafprozesse beleuchtet. In diesem Zusammenhang erwähnte das Magazin auch einen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch des Unternehmers im juristischen Staatsexamen. Die Instanzgerichte bejahten einen diesbezüglichen Unterlassungsanspruch des Unternehmers. Das Bundesverfassungsgericht hingegen gab der Verfassungsbeschwerde des Verlages statt. Dabei stellte das Gericht klar, dass allein die Komponente des Zeitablaufs in der vorzunehmenden Abwägung nicht automatisch zu einer höheren Gewichtung des Rechts auf Vergessenwerden gegenüber der Pressefreiheit und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit führt. Vielmehr können aktuelle Anknüpfungspunkte dazu führen, dass wahrheitsgemäß über längst vergangene Umstände aus dem sozialen und beruflichen Leben bekannter Personen berichtet werden kann. Im wiederholt unredlichen Verhalten des Unternehmers, der bewusst regelmäßig öffentlich in Erscheinung tritt, sollen solche Anknüpfungspunkte liegen.

Im Grundsatz gilt nach dem Bundesverfassungsgericht: Je mehr das zwischenzeitliche Verhalten der betroffenen Person von dem Willen getragen wird, tatsächlich in Vergessenheit zu geraten, desto eher besteht ein Anspruch auf Löschung alter (Archiv-)Berichterstattungen. Und: Je mehr die verbreiteten Informationen der beruflichen und sozialen Sphäre der betroffenen Person zuzuordnen sind, desto eher ist die Verbreitung alter Berichterstattungen hinzunehmen. Wenn es um strafrechtliche Verurteilungen aus der Vergangenheit geht, ist dem Resozialisierungsgedanken zudem ein hohes Gewicht beizumessen. Ist eine Strafe verbüßt, so besteht häufig ein Anspruch des Verurteilten, nicht mehr öffentlich mit der früheren Straftat in Verbindung gesetzt zu werden.

VON ALLWÖRDEN Rechtsanwälte beraten ständig zu medien- und internetrechtlichen Fragestellungen und übernehmen bei Bedarf die Prozessführung für Sie. Sprechen Sie gern unseren Partner Benjamin von Allwörden, der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht ist, an.

DSGVO: Eine Zwischenbilanz

Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) trat am 25.05.2018 nach Ablauf einer zweijährigen Übergangsfrist endgültig in Kraft. Die DSGVO regelt innerhalb der Europäischen Union die Verarbeitung, Speicherung und Weitergabe von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen. Sie dient dem Schutz natürlicher Personen und enthält eine ganze Reihe an neuen Regelungen. Insbesondere gelten für öffentliche Stellen und Unternehmen verschärfte Regeln für die Erhebung und den Umgang mit personenbezogenen Daten. Von einer Datenverarbeitung betroffenen Personen stehen durch die DSGVO erheblich weitreichendere Rechte zu.

Das einjährige Jubiläum des neuen Datenschutzrechts wurde vielseits zum Anlass genommen, Bilanz zu ziehen. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Während Konzernriesen wie Amazon, Facebook und Google mit hohen Budgets die Umstellungen – zumindest dem Anschein nach – ordentlich bewältigen konnten, sind mittelständische und kleinere Unternehmen sowie Vereine nach wie vor vielen offenen Fragen und Unsicherheiten ausgesetzt.

Staatliche Sanktionen
Da der Bußgeldkatalog aus Art. 83 der DSGVO in bestimmten Fällen „Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder von bis zu 4% des gesamten Jahresumsatzes“ vorsieht, wurden drakonische Strafgelder befürchtet. Behördliche Bußgelder in Millionenhöhe sind in Deutschland bislang zwar ausgeblieben. Die französische Datenschutzbehörde verhängte jedoch gegen den Google-Konzern ein Bußgeld in Höhe von EUR 50 Millionen. Dem Internetkonzern wurde vorgeworfen, datenschutzrelevante Informationen auf zu kompliziertem Wege zugänglich gemacht und auf zu viele Unterseiten und Erklärungen aufgeteilt zu haben. Einige Formulierungen in den Informationen seien überdies unklar. Google geht aktuell gegen das Bußgeld vor. Der Verfahrensausgang ist ungewiss.

In Deutschland wurden im ersten Geltungsjahr der DSGVO insgesamt Bußgelder in Höhe von „nur“ knapp einer halben Million Euro verhängt. Niedersachsen befindet sich nicht unter den sechs Bundesländern, die Strafgelder festsetzten. Das höchste Bußgeld wurde von der Baden-Württembergischen Datenschutzbehörde verhängt. Ein Unternehmen musste EUR 80.000 zahlen, weil es die Veröffentlichung von Gesundheitsdaten im Internet zu verantworten hatte. In einigen Bundesländern wurden einzelne Verstöße gegen die DSGVO mit deutlich unter EUR 1.000 geahndet.

Die erwartete „Abmahnwelle“
Neben behördlichen Bußgeldern wurden vor Inkrafttreten der DSGVO vor allem zivilrechtliche Abmahnungen wegen etwaiger Wettbewerbsverstöße befürchtet. Eine „Abmahnwelle“ wegen unzureichender Umsetzung der DSGVO – insbesondere im Zusammenhang mit Internetseiten – ist bislang allerdings ausgeblieben.

Vereinzelt hatten sich einige Gerichte aber schon mit der Kernfrage zu beschäftigen, ob es sich bei den Vorschriften der DSGVO um sogenannte Marktverhaltensregelungen handelt. Denn nur wenn dies bejaht wird, besteht überhaupt die Möglichkeit, Mitbewerber bei mangelhafter Umsetzung der DSGVO wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht abzumahnen und zur Unterlassung aufzufordern.

Das Landgericht Bochum (Urteil vom 07.08.2018 – I-12 O 85/18) verneinte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen einer nicht DSGVO-konform gestalteten Website. Nach Auffassung der Bochumer Richter sind die in der DSGVO enthaltenen Sanktionen abschließend. Ein Vorgehen aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften soll deshalb bei Verstößen gegen die DSGVO ausgeschlossen sein.

Das OLG Hamburg (Urteil vom 25.10.2018 – 3 U 66/17) bejahte hingegen grundsätzlich die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts neben der DSGVO. Allerdings stellen die Hamburger Richter im Einzelfall erhöhte Anforderungen an die Prüfung, ob eine konkrete Vorschrift der DSGVO, die missachtet wurde, auch tatsächlich das Marktverhalten regeln soll. Nur wenn dies der Fall ist, sollen wettbewerbsrechtliche Ansprüche zwischen Mitbewerbern bestehen.

Das Land Bayern hat in diesem Zusammenhang im Juli 2018 einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit welchem das Unterlassungsklagengesetz dahingehend geändert werden soll, dass Verstöße gegen die DSGVO grundsätzlich nicht dem Wettbewerbsrecht unterfallen. Damit soll wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen wegen Verstößen gegen die DSGVO die Grundlage entzogen werden.

Die Frage nach möglichen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen wegen Verstößen gegen die DSGVO ist damit nach wie vor ungeklärt. Möglicherweise wird der Gesetzgeber eine Regelung treffen. Andernfalls wird sich mit der Gretchen-Frage nach der Einstufung der DSGVO-Vorschriften als Marktverhaltensregeln in nächster Zeit wohl der Bundesgerichtshof beschäftigen und hoffentlich Rechtssicherheit schaffen.

Deutsche Rechtsprechung zur DSGVO
Veröffentlichungen von Entscheidungen deutscher Gerichte zur DSGVO werden nach wie vor mit Spannung erwartet. Denn die DSGVO enthält eine ganze Reihe sogenannter „unbestimmter Rechtsbegriffe“, deren Konkretisierung im Einzelfall zunächst den deutschen Gerichten – und bei Auslegungsfragen erforderlichenfalls später dem Europäischen Gerichtshof – obliegt.

Auszugsweise sind einige Gerichtsentscheidungen im Folgenden kurz dargestellt:

Das OLG Köln (Beschluss vom 18.6.2018 – 15 W 27/18) hat entschieden, dass neben der DSGVO zumindest im journalistischen Bereich das Kunsturhebergesetz, welches die Rechte am eigenen Bild und Ausnahmen für eine Bildnisveröffentlichung ohne eine Einwilligung der betroffenen Person regelt, anwendbar bleibt. Die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes seien im Rahmen von Art. 85 DSGVO nach wie vor trotz der DSGVO anwendbar, da die DSGVO gerade im Hinblick auf die Informations- und Meinungsfreiheiten abweichende Sondervorschriften in den Mitgliedsstaaten gestatte.

Das OLG München (Teilurteil vom 24.10.2018 – 3 U 1551/17) entschied im Zusammenhang mit einem Auskunftsanspruch, dass der Begriff der „berechtigten Interessen“, durch welche eine Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO legitimiert wird, weit zu verstehen ist. Jedenfalls bei Auskunftsansprüchen im Rahmen vertraglicher Beziehungen kann die DSGVO in der Regel nicht zur Verweigerung einer Auskunft herangezogen werden. Im Einzelfall ist aber eine Interessenabwägung vorzunehmen. Die Art der Daten und der Anlass der Datenerhebung spielen dabei eine Rolle. Der Entscheidung des OLG München lag eine Auseinandersetzung zwischen einem Hersteller und einem Vertragshändler zugrunde. Der Vertragshändler verweigerte unter Berufung auf die DSGVO die Herausgabe von Kundendaten, die zur Bemessung von Schadenersatzforderungen benötigt wurden.

Das OLG Hamburg (Urteil v. 25.10.2018 – 3 U 66/17) hat entschieden, dass Sanktionen nach der DSGVO keinen Ausschließlichkeitscharakter haben. Ansprüche wegen Datenschutzverletzungen können damit nach wie vor auf andere Rechtsvorschriften – etwa das Lauterkeitsrecht – gestützt werden (s.o.).

Auch das Verwaltungsgericht Stade musste sich schon mit der DSGVO beschäftigen (Beschluss vom 9.10.2018 – 1 B 1918/18). Die Stader Richter haben – wenig überraschend – entschieden, dass ein Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung personenbezogener Daten aus Art. 18 DSGVO nicht durch einfaches Bestreiten der Richtigkeit der Daten erfolgen kann. Vielmehr müssen Betroffene substantiiert gegenüber dem Verantwortlichen darlegen, woraus sich eine Unrichtigkeit der Daten ergeben soll. Ein Asylsuchender ging gegen die Angabe seiner guineischen Staatsangehörigkeit in seiner behördlichen Duldung vor.

Neu ist im Übrigen auch, dass unmittelbar aus der DSGVO Schadenersatzansprüche hergeleitet werden können. Der Umgang deutscher Gerichte mit Schadenersatzansprüchen wegen Verstößen gegen die DSGVO ist noch unklar. Art. 82 DSGVO sieht Ersatzansprüche wegen materieller und immaterieller Schäden, die auf einem Verstoß gegen die Verordnung beruhen, ausdrücklich vor. Bei Ersatzleistungen wegen immaterieller Schäden handelt es sich um eine Art „Schmerzensgeld“.

Das Amtsgericht Dietz in Rheinland-Pfalz (Urteil vom 7.11.2018 – 8 C 130/18) wies eine Klage ab, mit der ein (immaterieller) Schadenersatz von mehr als EUR 50,00 für den Erhalt eines Newsletters ohne Einwilligung gefordert wurde. Das Gericht hielt einen Betrag von mehr als den seitens der Beklagten anerkannten EUR 50,00 für unangemessen. Es stellte fest, dass bloße Verstöße gegen die DSGVO nicht automatisch einen Schadenersatzanspruch begründen. Bagatellverstöße lösen also keine Haftung aus. Eine schwere Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten ist zwar nicht erforderlich. Allerdings bedarf es schon eines objektiv nachvollziehbaren und spürbaren Nachteils für die betroffenen Person.

Zu immateriellen Schadenersatzansprüchen nach der DSGVO ist in den kommenden Jahren eine Fülle an neuer Rechtsprechung zu erwarten, wodurch die genauen Voraussetzungen und die ungefähr zu erwartende Höhe von Schadensersatzansprüchen hoffentlich weiter konkretisiert werden.

Veränderungen in Niedersachsen
Für Unternehmen und öffentliche Stellen im Landkreis Stade ist die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen zuständige Aufsichtsbehörde. Im März 2019 legte die niedersächsische Landesbehörde einen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2017 und 2018 vor. Danach haben sich an die Behörde gerichtete Anfragen nach Inkrafttreten der DSGVO mehr als verdoppelt. Bei der Landesbeauftragten sind mehr als 1000 Beschwerden eingegangen, mit denen vermeintliche Verstöße gegen die DSGVO gerügt wurden. Außerdem wurden der Behörde über 350 sogenannte „Datenpannen“ im Sinne der DSGVO gemeldet. Damit sind verantwortliche Stellen ihrer Verpflichtung aus Art. 33 DSGVO nachgekommen, erfolgte Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten der zuständigen Aufsichtsbehörde proaktiv mitzuteilen.

Die Datenschutzbehörde leitete im Jahr 2018 nach eigenen Angaben erste Prüfungen ein. Es wurden Fragebögen an insgesamt 50 große und mittelgroße Unternehmen mit Hauptsitz in Niedersachsen verschickt. Es ist anzunehmen, dass diesen „ersten“ Prüfungen weitere Verfahren folgen werden. Ob es bei dem Versenden behördlicher Fragebögen bleibt, ist unklar. Der Landesbeauftragten für den Datenschutz in Niedersachsen stehen jedenfalls erheblich weitreichendere Befugnisse zu. Nach Art. 58 der DSGVO ist es den Aufsichtsbehörden gestattet, Informationen (wie Verträge oder Verarbeitungsverzeichnisse) anzufordern und Untersuchungen (auch vor Ort im Unternehmen) durchzuführen.

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